Rechtsprechung

Hier finden Sie für den Hochschullehrendenberuf wichtige gerichtliche Entscheidungen und weitere aktuelle Meldungen aus dem Bereich Recht.

Stellenbesetzung Professur maßgeblicher Zeitpunkt für Überprüfung der Auswahlentscheidung, 23. Oktober 2024

Die Beurteilung der Frage, ob eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
der Auswahlentscheidung. Nach diesem Zeitpunkt etwa im Verlauf des Widerspruchs- oder Eilverfahrens eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen, so das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (Beschluss vom 23. Oktober 2024, Az. 2 MB 4/24).

In dem Fall hatte der Berufungsausschuss bei der Auswahlentscheidung zur Aufstellung der Berufungsliste vom 25. Oktober 2023 nicht beachtet, indem er nicht die vollständigen Gutachten einbezogen hat. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Berufungsausschusses am 25. Oktober 2023 lag noch keines der angeforderten Gutachten vor und konnte somit auch nicht Grundlage der Beratung und Auswahlentscheidung geworden sein. Dieser Zeitpunkt des Beschlusses war aber der entscheidende, denn die der Frage, ob eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung, so das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein.

Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Wiedereingliederung, 14. Oktober 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Eine Zurruhesetzungsverfügung steht nicht grundsätzlich unter dem Vorbehalt, dass zuvor erfolglos eine Eingliederungsmaßnahme oder ein Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements stattgefunden hätten. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zurruhesetzung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vor, sind danach abweichende Entscheidungen auch dann nicht mehr denkbar, wenn die Möglichkeiten der präventiven Wiedereingliederung versäumt worden sein sollten (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 14. Oktober 2024, Az. 6 A 1964/22, juris).

Löschung eines Disziplinarvorgangs aus der Personalakte, 17. September 2024

Wird ein Beamter während des laufenden Disziplinarklageverfahrens auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen, so ist das Disziplinarverfahren erst dann unanfechtbar abgeschlossen, wenn das Gerichtsverfahren rechtskräftig beendet ist (Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 17. September 2024, Az. 18 B 3263/24).

Keine verschärfte Rückforderungshaftung nach ausdrücklicher Nachfrage bei dem Dienstherrn, 3. September 2024

Weist der Beamte seinen Dienstherrn ausdrücklich auf Unstimmigkeiten in den ihm gewährten Bezügen hin, darf er sich aufgrund des überlegenen Wissens des Dienstherrn im Besoldungs- und Versorgungswesen regelmäßig darauf verlassen, dass dieser den Anhaltspunkten für Überzahlungen nachgeht und Fehler gegebenenfalls von Amts wegen berichtigt (Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 3. September 2024, Az. 1 K 1751/21.KS).

Das bedeutet konkret: In dem Fall hatte die Beamtin die Überzahlung (teilweise) für sogenannte Luxusaufwendungen (d.h. Aufwendungen, die sie sonst gerade nicht getätigt hätte, in dem Fall eine Reise – keine Sowieso-Aufwendungen!) verbraucht. Wenn sich nun der Dienstherr erst danach um die Rückzahlung bemüht, kann dem Beamten bzw. der Beamtin nicht die verschärfte Haftung nach §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB (die regelmäßig über die Besoldungsgesetze anwendbar sind) entgegenhalten werden. Nach diesem verschärften Haftungsmaßstab kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Empfänger den Mangel des Rechtsgrundes der Leistung kannte.

Für die Beamtin war der Mangel danach in der hier gegenständlichen Konstellation gerade nicht offensichtlich. Sie hatte zwar erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Höhe ihrer Ausgleichszulagen, hat jedoch auf die Aufklärung der Unstimmigkeiten hingewirkt und durfte nach Rücksprache mit der beklagten Behörde letztlich von einer korrekten Abrechnung ausgehen. In dem Fall stand fest, dass die Beamtin mindestens vier- oder fünfmal telefonisch aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der Auszahlungen im Überzahlungszeitraum bei der beklagten Behörde diesbezüglich nachgefragt hatte.

In der Höhe, in der die Überzahlung für die Luxusaufwendungen verbraucht wurde, konnte sie somit nicht zurückgefordert werden.
 

Tödlicher Wespenstich bei einem Lehrer als Dienstunfall, 28. August 2024

Verstirbt ein Lehrer mit Wespenallergie bei einem außerschulischen Arbeitstreffen an einem Wespenstich, kann dies nach dem Verwaltungsgericht Berlin einen Dienstunfall darstellen. Infolgedessen sprach das Gericht Witwe daher eine erhöhte Unfall-Hinterbliebenenversorgung zu (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 28. August 2024, Az. VG 7 K 394/23). 

In dem konkreten Fall ging es um einen verbeamteten Lehrer in Berlin. Am vorletzten Tag der Sommerferien nahm er an einem Präsenztag der Lehrkräfte in einem Ruder-Club teil, um schulische Themen zu bearbeiten. Er teilte zwei Kollegen mit, dass er gegen Wespenstiche allergisch sei, aber heute sein Notfallmedikament vergessen habe; sie sollten auf ihn aufpassen, er könne nach einem Stich eventuell ohnmächtig werden. Kurze Zeit später wurde er auf der Terrasse des Clubs beim Kaffeetrinken von einer Wespe gestochen und erlitt einen anaphylaktischen Schock. Er verstarb trotz eingeleiteter Rettungsmaßnahmen noch vor Ort. Die Senatsverwaltung lehnte die Anerkennung als Dienstunfall indes ab, da die Allergie eine persönliche Anlage des Lehrers gewesen sei, so dass sich in seinem Tod keine spezifische Gefahr der Beamtentätigkeit realisiert habe.

Anders entschied nun das Verwaltungsgericht Berlin. Der Wespenstich erfülle durchaus die Voraussetzungen eines Dienstunfalls. Der Mann sei dienstlich veranlasst auf der Terrasse gewesen. Das "Begrüßen und Einweisen der Kollegen" liege im "wohlverstandenen Interesse des Dienstherrn". Der Unfall habe sich während der Dienstzeit am Dienstort und im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn ereignet, daher komme es auch nicht darauf an, ob die Tätigkeit - hier das Trinken eines Kaffees - dienstlich geprägt sei. Es sei üblicherweise schwer zu trennen, welche Aspekte bei der Dienstausübung privater und welche dienstliche Natur seien. Auch sei die Wespenallergie keine Vorschädigung, denn Reaktion auf einen Stich hänge von vielen zufälligen Faktoren ab, etwa von der Giftmenge und der Einstichstelle. Dass der Lehrer sein Notfallset vergessen hatte, begründe höchstens eine "rechtlich irrelevante Nachlässigkeit", es sei ohnehin unsicher gewesen, dass er dieses noch hätte nutzen können (die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell vom 10. September 2024).
 

Zugang von Beamtinnen und Beamten zur Anwaltschaft, 20. August 2024

Wie die Redaktion beck-aktuell berichtet, gibt es mittlerweile eine Diskussion um den Zugang von verbeamteten Personen zur Anwaltschaft. Diese entzündet sich an einer Petition, die Mitte Juni 2024 beim Bundestag eingereicht wurde (Nr. 169306). Mit der Petition wird gefordert, dass auch Beamtinnen und Beamten der Beruf des Rechtsanwaltes zugänglich ist. Die §§ 7 Nr. 10 und 14 Abs. 2 Nr. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sollten gestrichen bzw. dahingehend geändert werden. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) vertritt in ihrer veröffentlichten Stellungnahme Nr. 61 aus August 2024 dagegen die Auffassung, dass der Beruf der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts auch weiterhin nicht für Beamtinnen und Beamte zugänglich sein darf. 

Die BRAK verweist in ihrer Stellungnahme zunächst auf die in Art. 20 GG verankerte Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. Diese finde ihren Niederschlag im anwaltlichen Berufsrecht in den §§ 1 bis 3 BRAO, die die Stellung und das Berufsbild der Anwaltschaft normieren. Nach § 1 BRAO sind Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege und als solche Teil der Judikative. Dagegen seien Beamte Teil der Exekutive. Die §§ 7 Nr. 10 und 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO seien somit zwingend erforderlich, um die in § 2 Abs. 1 BRAO normierte freie Advokatur hinreichend zu gewährleisten.

Darüber hinaus zieht die BRAK die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 06.07.2009, AnwZ (B) 52/08) heran: Dieser verweise zu Recht darauf, dass die enge Bindung der Beamten zum Staat, die insbesondere auch durch die Verpflichtung zu vollem persönlichen Einsatz für den Staat, den Dienstherrn und seine öffentlichen Aufgaben und im Nebentätigkeitsrecht zum Ausdruck kommt, die Unvereinbarkeit der Rechtsstellung eines Beamten mit der Stellung als Rechtsanwalt zur Folge hat.

Die das Berufsbild des freien Rechtsanwalts prägende Unabhängigkeit vom Staat sei kein Selbstzweck, sondern diene - hier wird die Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts herangezogen - vielmehr der Verwirklichung des Rechts in einem Gemeinwesen, dass durch grundrechtliche Freiheiten, wie der Freiheit vom Staat, gekennzeichnet ist (BVerfGE 76, 171, 192). Schließlich werde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit der Vorschrift des § 47 Abs. 1 BRAO hinreichend Genüge getan, indem der Gesetzgeber Ausnahmen für befristete Beamtenverhältnisse zulässt. Weitergehende Ausnahmen wären, so die Kammer, mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag der Sicherung der Gewaltenteilung und in diesem Zusammenhang mit der Sicherung der unabhängigen Advokatur nicht vereinbar.
 

Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mangels Bewährung, 15. August 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einige Grundsätze zur Entlassung wegen mangelnder Bewährung in der beamtenrechtlichen Probezeit verdeutlicht. Der Fall betraf eine Person in einem Laufbahnamt – bekanntermaßen fallen Hochschullehrende nicht darunter, sondern sind als Beamtinnen und Beamte sui generis zu qualifizieren –, dennoch dürften die aufgestellten Grundsätze auch bei Hochschullehrenden entsprechend Anwendung finden (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 15. August 2024, Az. 6 B 251/24). 

Folgende Orientierungssätze hat das Gericht veröffentlicht:

  1. Einem Beamten auf Probe ist nach dem Sinn und Zweck der laufbahnrechtlichen Probezeit grundsätzlich während der gesamten - regelmäßigen oder auch verlängerten - Probezeit die Möglichkeit zu geben, seine Eignung nachzuweisen. Bei einer Verlängerung der Probezeit dürfen die bisherigen Leistungen nicht außer Acht gelassen werden, auch wenn den während des Verlängerungszeitraums gezeigten Leistungen ausschlaggebende Bedeutung beizumessen ist. Nur wenn der Dienstherr nach der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Beamte hinsichtlich seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht bewährt hat, ist dieser zu entlassen.
  2. Maßgebend für die Beurteilung, ob sich ein Beamter auf Probe bewährt hat oder wegen mangelnder Bewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG entlassen werden kann, ist allein sein Verhalten in der laufbahnrechtlichen Probezeit. Mängel, die aus in der Vergangenheit liegenden, vor Beginn der Probezeit abgeschlossenen Sachverhalten herrühren, rechtfertigen die Entlassung nach dieser Vorschrift nicht.
  3. Berücksichtigt werden dürfen nur Mängel, die in der individuellen, für die Bewährung des Beamten persönlich geltenden laufbahnrechtlichen Probezeit in Erscheinung getreten sind. Umstände, aus denen der Dienstherr die Nichtbewährung folgert, müssen in die Probezeit fallen.

Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung von Hochschullehrenden, 13. August 2024

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat sich zu dem Begriff der Ausnahmevoraussetzung der „dringenden Fälle“, in welchen Ausnahmen von der Altersgrenze von verbeamteten Professorinnen und Professoren – hier in Bayern – zugelassen werden können, verhalten. Ausnahmen sind danach eng zu begrenzen und nur aus Gründen dienstlichen Interesses möglich, das Gericht vertritt eine restriktive Auslegung (Verwaltungsgericht Bayreuth, Urteil vom 13. August 2024, Az. B 5 K 22.636, juris). 

Das Gericht beginnt seine Argumentation mit der Rechtsgrundlage der Altersgrenze für die Verbeamtung von Hochschullehrenden. Da der Fall nach alten Rechtsgrundlagen zu entscheiden war, zieht das Gericht hier Art. 10 Abs. 3 des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes heran, diese Norm ist nun im Wesentlichen wortgleich in Art. 60 Abs. 3 S. 1 und 2 BayHIG („Zur Professorin oder zum Professor im Beamtenverhältnis darf nicht ernannt werden, wer das 52. Lebensjahr bereits vollendet hat. Das Staatsministerium kann in dringenden Fällen im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat Ausnahmen zulassen“) überführt worden. Das Einvernehmenserfordernis ist im Übrigen auch in Art. 48 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) geregelt, wonach Einstellungen von Hochschullehrern der Einwilligung des StMFH bedürfen, wenn sie das 52. Lebensjahr vollendet haben.

Die Altersgrenze und deren Festlegung konkret auf das 52. Lebensjahr ist nach Ansicht des Gerichts Ausfluss einer typisierenden Berücksichtigung des beruflichen Werdegangs (inklusive Vor- und Ausbildung) unter Einbeziehung beruflicher Verzögerungen, Kindererziehungszeiten oder Wehr-, Wehrersatzdienstzeiten. Deswegen verminderten auch individuelle Faktoren wie Wehrdienst-, Pflege- und Kindererziehungszeiten das Lebensalter in Bezug auf die Altersgrenze nicht.

Im Übrigen stehe dem bei der Festlegung dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Damit bestehe aufgrund der konkret normierten, großzügigen Altersgrenze kein Erfordernis, weitergehende Ausnahmen zu statuieren bzw. Zeitabschläge vorzunehmen – auch nicht unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten.

Bereits aus dem Ausnahmecharakter des Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayHSchPG und dessen Wortlaut und Telos ergebe sich, dass Ausnahmen eng zu begrenzen und nur aus Gründen dienstlichen Interesses möglich sind. Das dürfte genauso auf Art. 60 Abs. 3 S. 1, 2 BayHIG zutreffen.  Die Verwaltungsvorschriften zu Art. 48 BayHO formulierten daher zu Recht als Hauptzweck der Altersgrenze, den Staat vor unbilligen Versorgungslasten zu schützen. Zwar trete durch die Verwaltungsvorschriften in Bezug auf die Gerichte keine Bindungswirkung ein, sie geben aber, so das Gericht, vorliegend aber eine zutreffende Auslegung des Begriffs der „dringenden Fälle“ wieder. In Art. 48 Nr. 1 Satz 3 VV-Bay-HO heißt es: Eine Ausnahme „kann grundsätzlich nur zur Gewinnung von qualifizierten Spezialkräften erteilt werden, wenn bei einem außerordentlichen Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der entstehenden Versorgungslasten, die Übernahme offensichtlich einen erheblichen Vorteil für den Staat bedeutet oder die Ablehnung der Übernahme zu einer erheblichen Schädigung der Staatsinteressen führen könnte“.

Für diese restriktive Auslegung spreche auch, dass der Bayerische Gesetzgeber für Professoren mit 52 Lebensjahren eine relativ hohe Höchstaltersgrenze vorgesehen hat – insbesondere im Vergleich mit den Regelungen anderer Bundesländer sowie der noch möglichen Lebensdienstzeit mit der denkbaren Ruhestandszeit, ebenso auch mit Blick auf die geringere allgemeine Höchstaltersgrenze
für andere Lebenszeitbeamte in Bayern, die gemäß Art. 23 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) bei 45 Lebensjahren liegt. Bei der Feststellung des Vorliegens eines besonderen dienstlichen oder dringenden öffentlichen Interesses habe der Dienstherr keinen Beurteilungsspielraum; das Vorliegen entsprechender Gründe sei daher gerichtlich vollumfänglich überprüfbar.

Anm.: Ähnliche Regelungen finden sich teilweise auch in den anderen Bundesländern wieder. Diese Rechtsprechung dürfte daher, je nach Wortlaut der konkreten Vergleichsnorm, auch in diesen Fällen entsprechend heranzuziehen sein. 
 

Dienstunfall, 7. August 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in Bezug auf einen Dienstunfall herausgestellt, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen müssen. Die Beamtin bzw. der Beamte trägt danach das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nach der Entscheidung nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 7. August 2024, Az. 1 A 45/22).

Elektronischer Rechtsverkehr jetzt auch beim Bundesverfassungsgericht, 1. August 2024

Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen müssen zukünftig – ab 1. August 2024 – Anträge zu Verfahren, Schriftsätze und Anlagen digital (mittels des elektronischen Anwaltspostfachs beA) beim Bundesverfassungsgericht einreichen, denn ab diesem Datum nimmt das Bundesverfassungsgericht am elektronischen Rechtsverkehr teil. So sehen es die §§ 23a ff. BVerfGG vor, die dann in Kraft treten.

Anders bei Bürgern: Diese können sich weiterhin per Post oder Telefax an das Bundesverfassungsgericht wenden (können aber selbstverständlich auch in digitaler Form einreichen, dann aber mit einer qualifizierten elektronischen Signatur und auf sicherem Übermittlungsweg, Stichwort absenderbestätigtes De-Mail-Konto - die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell).

 

Vermutete Dienstunfähigkeit, 31. Juli 2024

Die folgende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Beschluss vom 31. Juli 2024, Az. 1 B 555/24) beschäftigt sich mit den Details der sog. „vermuteten Dienstunfähigkeit“. In dem Fall ging es um die bundesgesetzliche Norm des § 44 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG), dieser lautet: „Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist“. Ähnliche Vorschriften finden sich regelmäßig auch in den Beamtengesetzen der Länder. 

Leitsätze des Gerichts:

  1. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen auch im Fall der sog. "vermuteten Dienstunfähigkeit" gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG in der Untersuchungsanordnung Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung näher eingegrenzt werden, um unverhältnismäßige Eingriffe in die betroffenen Grundrechte des Beamten zu vermeiden. Ist dem Dienstherrn die Ursache der Fehlzeiten - wie hier - nicht (belastbar) bekannt, wird er sich regelmäßig auf Weisungen zu vorbereitenden Aufklärungsmaßnahmen beschränken müssen, bevor er eine Untersuchung nach § 44 Abs. 6 BBG anordnen kann. Diese Weisungen, die ihre Grundlage unmittelbar im Beamtenverhältnis finden und nicht den Anforderungen des § 44 Abs. 6 BBG unterfallen, können beispielsweise darauf gerichtet sein, dass sich der Beamte unter Vorlage aussagekräftiger ärztlicher Unterlagen bei einem Amtsarzt zu einem Gespräch vorstellt. Der Dienstherr kann den Beamten auch zunächst auffordern, dessen behandelnde Ärzte und den Amtsarzt von ihrer ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, um dem Amtsarzt (vorab) Nachfragen unmittelbar bei den behandelnden Ärzten des Beamten zu den für dessen Dienstunfähigkeit relevanten Diagnosen und Befunden zu ermöglichen. Ferner besteht auch die Möglichkeit, den Beamten aufzufordern, dem Amtsarzt schon im Vorfeld zu einer (noch anzuordnenden) Untersuchung aussagekräftige und aktuelle Berichte der behandelnden Ärzte vorzulegen und diesen sodann von der Schweigepflicht gegenüber dem Dienstherrn zu entbinden.
  2. Dem kann nicht mit Erfolg die verwaltungspraktische Erwägung entgegenhalten werden, das Erfordernis einer der eigentlichen ärztlichen Untersuchung vorgeschalteten Ermittlungsmaßnahme bei dem Amtsarzt würde das Verfahren nicht hinnehmbar verlängern und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigen.
  3. Der Dienstherr darf auch bei der Weigerung des Beamten, im Vorfeld der Untersuchungsanordnung mitzuwirken, wie sie im Falle eines angeordneten orientierenden Erstgesprächs etwa bei schuldhafter Versäumung des festgelegten Termins oder bei fehlender oder mangelhafter Mitwirkung in einem solchen Gespräch vorläge, in Anwendung des Rechtsgedankens des § 444 ZPO auf eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schließen und eine entsprechende Zukunftsprognose aufstellen.
  4. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs durch eine inhaltlich unbestimmte Untersuchungsanordnung begegnet eine regelmäßig allenfalls kurze zeitliche Verzögerung des Zurruhesetzungsverfahrens durch eine "Vorermittlung" keinen Bedenken. Hinter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit muss die Zielsetzung, das Zurruhesetzungsverfahren zu beschleunigen, zurückstehen.
  5. Dem Dienstherrn wird durch die Forderung, den Untersuchungsauftrag einzugrenzen, auch dann nichts Unmögliches abverlangt, wenn er das den Fehlzeiten zugrundeliegende Krankheitsbild nicht kennt. Die gebotenen Vorermittlungen ermöglichen es gerade, den Untersuchungsauftrag einzugrenzen.
  6. Die Anforderungen an den Inhalt einer Untersuchungsanordnung bestimmen sich nach der grundrechtlichen Eingriffsqualität als solcher und nicht nach deren Anlass, dem Erkenntnisstand des Dienstherrn oder der (u. U. fehlenden) Mitwirkungsbereitschaft des betroffenen Beamten. Daher ist kein Unterschied zwischen § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG einerseits (Anm. des Verfassers: „Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist“) und § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG andererseits zu machen.

Konkurrentenstreitverfahren, 30. Juli 2024

Auch der Bewerbungsverfahrensanspruch vermittelt keinen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Kreis des möglichen Bewerberfeldes durch ein restriktiveres Anforderungsprofil noch weiter einschränkt. Art. 33 Abs. 2 GG schützt nicht vor Konkurrenz; er vermittelt nur ein grundrechtsgleiches Recht auf fehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 30. Juli 2024, Az. 6 B 570/24).

Konkurrentenstreitverfahren, 23. Juli 2024

Erneut hat die Rechtsprechung – hier das Oberverwaltungsgericht Münster – betont, dass der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber im Falle einer fehlerbehafteten, sein subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzenden Auswahlentscheidung nur unter der weiteren Voraussetzung eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen kann, dass er glaubhaft macht oder sich in Würdigung unstreitiger Sachumstände ergibt, dass seine Aussichten, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl nicht nur theoretisch möglich erscheint. Daran fehlt es, so das Oberverwaltungsgericht, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 23. Juli 2024, Az. 1 B 407/24). 

Bewerberkonkurrenz für eine Vertretungsprofessur, 22. Juli 2024

Eine Beauftragung der für die Vertretungsprofessur vorgesehenen Person ist bereits formell rechtswidrig, wenn sie unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmung der hochschulgesetzlichen Regelung (konkret im entschiedenen Fall: entgegen § 26 Abs. 7 NHG und der Geschäftsordnung des Präsidiums der Hochschule) und damit willkürlich erfolgte. Weiterhin: Besteht eine Bewerberkonkurrenz für eine Vertretungsprofessur, müssen die für die Auswahl eines Bewerbers maßgeblichen Kriterien dokumentiert werden. Zuletzt: Schwerbehinderte Bewerber haben bei der Bewerbung auf eine Vertretungsprofessur einen Anspruch darauf, zu einem Vorstellungsgespräch geladen zu werden (so zum Ganzen Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 22. Juli 2024, Az. 3 B 210/24). 

Die weitergehende Argumentation des Verwaltungsgerichts: Da es für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung regelmäßig auf den Zeitpunkt der Bewerberauswahl ankomme, überprüften die Ver-waltungsgerichte die Erwägungen des Dienstherrn hinsichtlich der Eignung der Bewerber nur insoweit, wie sie zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung dokumentiert worden seien. Nicht bis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung dokumentierte Auswahlerwägungen könnten eine Auswahlentscheidung also nicht tragen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese für die damalige Entscheidung gar nicht tragend gewesen sind. Dementsprechend seien nachträglichen Erwägungen nicht geeignet, die Auswahlentscheidung zu rechtfertigen. Einen dokumentierten Auswahlvorgang gebe es in dem konkreten Fall in den von der Hochschule vorgelegten Verwaltungsgängen nicht. Eine wirksame Rechtskontrolle sei unmöglich gemacht worden. Dies sei somit als willkürlich zu erachten.

Zur Schwerbehinderung entschied das Verwaltungsgericht, dass hier § 165 S. 3 SGB IX einschlägig sei. Ein Verstoß gegen diese zwingende Vorschrift zum Schutz behinderter Bewerberinnen und Bewerber sei willkürlich, denn diese verfahrensrechtliche Vorschrift diene der Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs schwerbehinderter Dienstpostenbewerber. Sie räume schwerbehinderten Bewerbern einen Anspruch darauf ein, von dem öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Eine Einladung sei nur dann entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehle, was hier konkret nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben war.
 

Datenschutzbericht NRW: Hochschulen dürfen Plagiatsprüfung an externe Unternehmen vergeben, 15. Juli 2024

Der aktuellen Datenschutzbericht für Nordrhein-Westfalen, den der Düsseldorfer Landtag veröffentlicht hat, betont, dass die Hochschulen sicherzustellen haben, dass Prüflinge sich durch das Kopieren fremder Texte keinen unlauteren Vorteil verschaffen. In diesem Rahmen dürften, so der Bericht, Hochschulen Daten ihrer Studierenden auch grundsätzlich an externe Unternehmen übermitteln, um Täuschungsversuche aufzuspüren (29. Bericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen Bettina Gayk zum Datenschutz für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023). 

Datenschutzkonform kann die Plagiatsprüfung danach allerdings nur dann vorgenommen werden, wenn die Daten zunächst pseudonymisiert werden. Denn für die Hochschulen müsse lediglich gewährleistet sein, dass die Ergebnisse der Überprüfung sicher einem bestimmten Studierenden zugeordnet werden könnten. Zitat aus dem Bericht: "Von einer Pseudonymisierung kann nur ausgegangen werden, wenn das Pseudonym nicht mit der Matrikelnummer identisch ist und auch sonst keine Rückschlüsse auf die konkrete Person zulässt“. 

Weiterhin bedürfe eine generelle, anlasslose Plagiatsüberprüfung mithilfe externer Unternehmen einer Regelungsgrundlage in der jeweiligen Prüfungsordnung der Hochschule. Zudem müssten die Arbeiten auf den Servern der Dienstleister selbstverständlich gelöscht werden (die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell).
 

Abbruch eines Auswahlverfahrens in einer Hochschule, 11. Juli 2024

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entschieden (Leitsätze): Zuständig für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens ist, wer bei dessen Durchführung die Auswahlentscheidung zu treffen hätte. Für das Verfahren zur Besetzung des Amtes des Präsidenten an einer niedersächsischen Hochschule in staatlicher Trägerschaft ist das Fachministerium zuständig. Die Hochschule kann die Zuständigkeit ihres Senats nicht durch eine Ordnung der Hochschule selbst begründen.

Die Empfehlung der Findungskommission ist für den Senat nicht bindend. Der Arbeit der Findungskommission kommt lediglich eine den Senat unterstützende Funktion zu. Sie erfolgt unter ständiger Aufsicht und unter ständiger Interventionsmöglichkeit des Senats. Der Senat hat daher insbesondere das Recht auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber.

Die Rechte gegenüber der Findungskommission muss der Senat nach Sinn und Zweck des § 38 Abs. 2 NHG und mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zur wirkungsvollen Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht nur bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Empfehlung durch die Findungskommission, sondern zumindest bis zum Abschluss des Verfahrens im Senat ausüben können (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 11. Juli 2024, Az. 5 ME 31/24). 
 

Außerdem hat sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zu den Anforderungen eines rechtsaufsichtlichen Selbsteintrittsrechts des Präsidiums gegenüber dem Senat der Hochschule verhalten. Es argumentiert dabei wie folgt: Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 NHG obliege dem Präsidium die Rechtsaufsicht über die Organe der Hochschule. Die Regelungen über die rechtsaufsichtlichen Befugnisse des Trägers der Hochschule gegenüber der Hochschule (§ 51 Abs. 1 und 2 NHG) gelten dabei nach § 37 Abs. 3 Satz 3 NHG entsprechend. Danach kann das Präsidium, so das Gericht, nach Anhörung rechtswidrige Maßnahmen eines Organs beanstanden (die Rechtswidrigkeit der Maßnahme förmlich feststellen) und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Eine Beanstandung hat bekanntermaßen aufschiebende Wirkung. 

Erfülle nun ein Organ seine Pflicht nicht, die ihm aufgrund eines Gesetzes, einer Beanstandung oder einer fachaufsichtlichen Weisung obliegt, so könne das Präsidium unter Fristsetzung anordnen, dass das Erforderliche veranlasst wird. Erst dann, wenn das Organ auch dieser Anordnung nicht innerhalb der festgesetzten Frist nachgekommen ist, könne das Präsidium die notwendigen Maßnahmen an seiner Stelle treffen (Selbsteintrittsrecht/Ersatzvornahme anstelle des Organs). Die Aufsicht soll die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung des Organs fördern, so das Oberverwaltungsgericht.
Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei daher das Vorgehen der Rechtsaufsicht gestuft. 

Danach gilt: Vor einer Beanstandung einer bestimmten Maßnahme ist das betreffende Organ zu hören (1. Stufe: Hinweis auf eine etwaige Rechtswidrigkeit). 

Hält das Präsidium hiernach an seiner Auffassung fest, dass die betreffende, weiterhin bestehende Maßnahme des Organs rechtswidrig ist, kann es - nach entsprechender Beschlussfassung - eine Beanstandung aussprechen, ggf. verbunden mit einem Aufhebungs- oder Änderungsverlangen (2. Stufe: förmliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, ggf. mit der Aufforderung, diese zu beseitigen).

Erst wenn das betreffende Organ untätig geblieben ist, kann das Präsidium - wiederum nach entsprechender Beschlussfassung - die aus seiner Sicht erforderliche Maßnahme, die hinreichend bestimmt sein muss, unter Setzung einer angemessenen Frist gegenüber dem Organ anordnen (3. Stufe: Erlass einer vollstreckungsfähigen Anordnung unter Fristsetzung). 

Erst nach Ablauf dieser Frist sei das Präsidium befugt, in Ausübung des Selbsteintrittsrechts die angeordnete Maßnahme anstelle des Organs zu treffen (4. Stufe: Selbsteintritt/Ersatzvornahme).

Im konkreten Fall hatte das Präsidium diesen Anforderungen nach Ansicht des Gerichts nicht genüge getan.

Unterbliebene Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Anordnung der sofortigen Vollziehung unschädlich, 3. Juli 2024

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden: Die unterbliebene Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Zurruhesetzungsbescheides führt nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Sofortvollzugs. Das Beteiligungserfordernis der Gleichstellungbeauftragten dient danach als Verfahrensrecht der Sicherung und Verwirklichung nur des materiellen Rechts nach dem Gleichstellungsgesetz (GstG), die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stellt demgegenüber keine Maßnahme mit eigenständigem (materiellem) Regelungsgehalt dar (Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Juli 2024, Az. 2 MB 15/23, juris). 

Das Gericht weist in seiner Argumentation zunächst auf das GstG hin. Danach ist nach § 19 Abs. 1 GstG die Gleichstellungsbeauftragte im Rahmen der jeweiligen fachlichen Zuständigkeit ihrer Dienststelle an allen Angelegenheiten des Geschäftsbereiches zu beteiligen, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen haben können. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 GstG ist sie insbesondere bei Stellenausschreibungen, Einstellungen, Beförderungen und Höhergruppierungen, Kündigungen und Entlassungen sowie vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand, einschließlich vorhergehender Planungen, zu beteiligen. § 19 Abs. 2 GstG gilt entsprechend. Bei dem Beteiligungserfordernis der Gleichstellungbeauftragten handele es sich, so das Gericht, um Verfahrensrecht. Auch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nehme im Falle eines Verstoßes die formelle Rechtswidrigkeit der jeweils beteiligungspflichtigen Maßnahme an.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stellt demgegenüber jedoch gerade keine Maßnahme mit eigenständigem Regelungsgehalt dar, die sich an den für den Grundverwaltungsakt geltenden (formellen) Rechtmäßigkeitsmaßstäben messen lassen müsse. 

Denn mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung werde keine sachliche Entscheidung, sondern eine verfahrensrechtliche Nebenregelung getroffen, die auf der Zeitschiene den Zeitpunkt der Vollziehbarkeit des wirksamen Verwaltungsakts vorverlegt. Damit werde die Dimension „Zeit“ zum Bezugspunkt genommen, und es werden besondere Gründe für die alsbaldige, vor der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgende Verwirklichung des Verwaltungsakts gefordert. Die formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung folgten vielmehr allein aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 und erschöpften sich im Vorliegen eines öffentlichen Interesses bzw. eines überwiegenden Interesses eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung und der schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses nach oben dargestellten Grundsätzen. Diesem Verständnis folgend bedarf es, so das Gericht, für die (nachträgliche) Anordnung der sofortigen Vollziehung auch keiner vorherigen Anhörung des Betroffenen.

Gleiches gelte für die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten. Genau wie die Anhörung nach § 87 LVwG bezwecke die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten die Sicherung und Verwirklichung des materiellen Rechts. Das Gleichstellungsgesetz diene gemäß § 1 GstG der Verwirklichung des Grundrechtes der Gleichberechtigung von Frauen und Männern insbesondere durch die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die für beide Geschlechter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen (Nr. 1), die Kompensation von Nachteilen, die vor allem Frauen als Folge der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung erfahren (Nr. 2) und die gerechte Beteiligung von Frauen an allen Lohn-, Vergütungs- und Besoldungsgruppen sowie in Gremien (Nr. 3). 

Mit Blick auf dieses Normenverständnis sei indes nicht ersichtlich, wie die lediglich zeitliche Relevanz entfaltende Anordnung der sofortigen Vollziehung des Zurruhesetzungsbescheids Auswirkungen auf die materielle Rechtsposition der Gleichberechtigung der Antragstellerin haben könne. 
 

Anderweitige Verwendung eines Beamten bzw. einer Beamtin, 27. Juni 2024

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Verweigert ein Beamter bzw. eine Beamtin eine amtsärztliche Untersuchung und wird daraus auf seine oder ihre Dienstunfähigkeit geschlossen, entfällt für den Dienstherrn die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den Beamten bzw. die Beamtin (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Juni 2024, Az. 2 C 17.23, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell).

Zwar seien die Folgen der Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Nach dem Rechtsgedanken der §§ 427, 444 und 446 ZPO könne jedoch von der Verweigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, auf die Dienstunfähigkeit des Beamten bzw. der Beamtin geschlossen werden. Sei die Untersuchung rechtmäßig angeordnet worden und habe der Beamte bzw. die Beamtin ihr nicht Folge geleistet, dürfe der Dienstherr von dessen Dienstunfähigkeit ausgehen. In diesem Fall entfalle auch die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendbarkeit, denn mangels jeglicher ärztlichen Erkenntnisse sei "von einem fehlenden Restleistungsvermögen des Beamten" auszugehen.

Urheberrecht, 27. Juni 2024

Wenn eine Person dem Urheber eines Werks die Urheberschaft abspricht oder diese für sich reklamiert, verletzt auch dann das Recht des Urhebers auf Anerkennung seiner Urheberschaft, wenn dies nur gegenüber dem Urheber erfolgt. Nach dem Bundesgerichtshof muss die Urheberschaft dafür nicht gegenüber Dritten bestritten oder beansprucht werden. Das durch § 13 UrhG geschützte Urheberpersönlichkeitsrecht umfasse vielmehr die Anerkennung der Rechtsposition als Werkschöpfer an sich, es sei deshalb wie der persönlichkeitsrechtliche Schutz der Ehre gegen Beleidigungen und Behauptung ehrenrühriger Tatsachen auch zwischen Bestreitendem bzw. Anmaßendem und Urheber gewährleistet (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juni 2024, Az. I ZR 102/23, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell).

Zugang eines Einwurf-Einschreibens, 20. Juni 2024

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Wird ein Einwurf-Einschreiben von der Deutschen Post AG in den Briefkasten gelegt, gilt der Anschein des Zugangs zu postüblichen Zeiten an diesem Tag (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2024, Az. 2 AZR 213/23, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell). 

Das Bundesarbeitsgericht sieht einen Anscheinsbeweis (ein solcher Beweis basiert auf der Annahme, dass bestimmte Ereignisse typischerweise auf eine bestimmte Weise ablaufen) darin, dass ein Einwurfeinschreiben zu den üblichen Zeiten eingeworfen wurde. Das Kündigungsschreiben gehe mit Einlegen in den Hausbriefkasten beim Empfänger zu, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werde der Briefkasten nach den üblichen örtlichen Zustellzeiten am selben Tag geleert.

In dem Fall ging es konkret um eine Kündigungsschutzklage, bei der der rechtzeitige Zugang des Schreibens (ohne Erfolg) bestritten wurde. 
 

Arbeitgeber: Darlegungspflicht der Kriterien für ungleiche Bezahlung, 19. Juni 2024

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat einer Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Mehrvergütung nach dem Entgelttransparenzgesetz (§ 3 Abs. 1 EntgTranspG) zugesprochen, weil der Arbeitgeber zwar andere Kriterien für die ungleiche Bezahlung als das Geschlecht benennen, aber die Bewertung dieser Kriterien nicht nachprüfbar darlegen konnte (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Teilurteil vom 19.06.2024, Az. 4 Sa 26/23, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell).

Jedenfalls die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent seien bei der Klägerin geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe, so das Gericht.

Konkurrentenstreitverfahren, 17. Juni 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem aktuellen Konkurrentenstreitverfahren wie folgt beschlossen: 

1. Die Einrichtung und Gestaltung der Dienstposten obliegt dem Dienstherrn aufgrund der ihm zukommenden Organisationsgewalt. Welche Dienstposten der Dienstherr im Hinblick auf die zu erledigenden öffentlichen Aufgaben einrichtet, welche Zuständigkeiten er diesen zuweist und welche Fachkenntnisse er zur Erfüllung der daraus resultierenden Aufgaben und Funktionen für erforderlich ansieht, ist Frage seines Organisationsermessens. Dieses Ermessen ist gerichtlich nur auf sachfremde Erwägungen hin überprüfbar.

2. Für die Festlegung bei der Stellenbesetzung zu beachtender konstitutiver Anforderungsmerkmale, deren Nichterfüllung zum Ausscheiden des betreffenden Bewerbers aus der Konkurrenz führt, bestehen nach der (gefestigten) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings besondere Voraussetzungen. Auswahlentscheidungen, die - wie hier - den Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG unterliegen, dürfen nur anhand der verfassungsunmittelbar vorgegebenen Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vorgenommen werden. Deren Bezugspunkt ist aber nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt. Eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung darf daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 26.3.2024, 2 VR 10.23).

3. Entsprechende dienstpostenbezogene Anforderungen können sich insbesondere aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben. Je stärker die fachliche Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten der Verwaltung ist und je höher die Anforderungen an die Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten sind, desto eher kann es erforderlich werden, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung besondere Qualifikationsanforderungen an den künftigen Stelleninhaber zu stellen. Das gilt z. B. für Fächerkombinationen bei Lehrkräften, für fachspezifische Sprachkenntnisse (…).

(Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 17. Juni 2024, Az. 6 B 150/24)
 

Hinausschieben des Ruhestands, 13. Juni 2024

Bei der Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (kurz NBG - die Regelung behandelt die Möglichkeit des Hinausschiebens des Ruhestands) handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sondern um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 13. Juni 2024, Az. 5 ME 41/24).

Nach dem Oberverwaltungsgericht dient die Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG - ebenso wie die bundesrechtliche Parallelbestimmung des § 53 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes (kurz BBG) dazu, der Personalverwaltung die erforderliche Zeit zu verschaffen, den Antrag zu prüfen. Im Bundesrecht habe diese Prüfung insbesondere den Zweck, zu klären, ob ein Hinausschieben des Ruhestandes im dienstlichen Interesse liegt. Aufgrund der von § 53 Abs. 1 Satz 1 BBG abweichenden Tatbestandsvoraussetzungen in § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG bezwecke die landesrechtliche Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG die Klärung, ob dienstliche Interessen einem Hinausschieben des Ruhestandes entgegenstehen. 

Wie der Senat in seiner Entscheidung zur bundesrechtlichen Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG entschieden habe, begegne es vor dem Hintergrund des Ziels der Antragsfrist - nämlich Planungssicherheit für den Dienstherrn zu erreichen bzw. ihm einen hinreichend langen Entscheidungsspielraum mit Blick auf Neubesetzungen zu eröffnen -, zwar regelmäßig keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Ablehnung des Hinausschiebens des Eintritts in den Ruhestand auf den Umstand der Fristversäumnis gestützt werde.

Der Senat habe jedoch auch hervorgehoben, dass die Fristversäumnis die Ablehnung des Antrags nicht zwingend gebiete, weil Konstellationen denkbar seien, in denen der Dienstherr gerade die Weiterbeschäftigung wünscht, etwa, wenn sich kurzfristig herausstellt, dass ein bestimmter Beamter noch für einen weiteren Zeitraum nach Erreichen seiner Regelaltersgrenze benötigt wird, beispielsweise, um ein Projekt noch abzuschließen oder einen Nachfolger einzuarbeiten.

Da die Antragsfrist des § 53 Abs. 1 Satz 2 NBG zuvörderst im Interesse der Personalverwaltung steht, müsse der Dienstherr auch auf den entsprechenden Schutz bzw. Planungsfreiraum verzichten können, wenn ihm dies aus Gründen der effizienten Personalverwaltung geboten erscheine. Dementsprechend liefe es der mit § 53 Abs. 1 BBG erstrebten Zielsetzung - der Flexibilisierung der Altersgrenze mit Blick auf die Erhaltung einer funktions- und leistungsfähigen Verwaltung - zuwider, wenn die Antragsfrist als materiell-rechtliche Ausschlussfrist angesehen würde und dementsprechend auch zu Lasten eines Dienstherrn eingriffe, der den betreffenden Beamten gerade weiterbeschäftigen will.

Diese Erwägungen seien, so das Gericht, auf die - im Wesentlichen mit § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG inhaltsgleiche - Antragsfrist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG übertragbar. 

Nach alledem handele es sich bei der Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG - ebenso wie bei der Frist des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG - nicht um eine gesetzliche Frist im Sinne einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist (mit der grundsätzlichen Folge der Rechtsvernichtung bei Fristablauf), sondern um eine gesetzliche Frist im Sinne einer verfahrensrechtlichen Ausschlussfrist (mit der Folge, dass die Vorschrift des § 32 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - [Anm.: Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei unverschuldetem Fristversäumnis] zur Anwendung gelangen kann).

Darüber hinaus ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Satz 3 NBG die Befugnis für den Dienstherrn, im öffentlichen Interesse von der verfahrensrechtlichen Frist abzuweichen. Der Dienstherr kann damit auch im Falle des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 32 VwVfG im öffentlichen Interesse eine Weiterbeschäftigung eines Beamten ermöglichen, sich also etwa trotz fehlenden Verschuldens des Beamten hinsichtlich der Fristversäumnis nicht auf diese berufen, sondern eine Sachentscheidung treffen.

Ausstattung, 11. Juni 2024

Folgende Grundsätze zur Ausstattung von Hochschullehrenden hat das Verwaltungsgericht München nochmals herausgearbeitet: Danach ist sicherzustellen, dass den Hochschullehrern bei der Verteilung der verfügbaren Mittel zumindest die Grund- oder Mindestausstattung zugeteilt wird, die unerlässlich ist, um in dem jeweiligen Fachgebiet wissenschaftlich tätig zu sein. Aus Art. 5 Abs. 3 GG folge jedoch kein originärer Leistungsanspruch des Hochschullehrers, der sich allein nach wissenschaftlichen Erfordernissen und den daraus folgenden Ansprüchen des Hochschullehrers richtet und damit von vornherein feststeht. Allerdings sei ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung bei der Vergabe der vorhandenen Mittel, ein Teilhaberecht, anzuerkennen. Art. 5 Abs. 3 GG gebiete in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass die Hochschullehrer möglichst gleichmäßig – d.h. unter Berücksichtigung der besonderen Situation ihres Aufgabenbereichs oder ihres Fachs – angemessen im Vergleich zu den jeweils anderen Hochschullehrern bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel berücksichtigt werden. Dieses Teilhaberecht begründe nur einen Anspruch auf willkürfreie Verteilung. Der Teilhabeanspruch schließe eine Forschungsplanung nicht aus, sondern verhindere nur eine willkürliche Benachteiligung des einzelnen Hochschullehrers. Somit verlange das Teilhaberecht keine ausschließliche Orientierung am Bedarf des einzelnen Hochschullehrers (Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 11. Juni 2024, Az. M 3 E 24.1323).

Keine Verfassungstreue bei Tätigkeit für „Compact“, 6. Juni 2024

Einer Lehramtsreferendarin wurde vorgeworfen, unter falschem Namen und mit Perücke für den Nachrichtenkanal des rechtsextremistischen Magazins „Compact“ tätig gewesen zu sein. In der Folge wurde sie aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Ihr Eilantrag hatte jedoch keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) sah es in seinem Beschluss als erwiesen an, dass die angehende Lehrerin "nicht die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderliche Gewähr der Verfassungstreue bietet“ (Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6. Juni 2024, Az. VG 2 L 78/24, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung von LTO). 

Indem sie ihre Tätigkeit für das Compact-Magazin und die damit verbundene Mitwirkung bei der Verbreitung von rechtsextremistischem und verfassungsfeindlichem Gedankengut verschwiegen hatte, habe sie, so das Gericht, das Land Brandenburg arglistig getäuscht. Gegen den Beschluss kann noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.

Anm.: Eine ähnliche Entscheidung konkret in Bezug auf einen Hochschullehrer: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 20. März 2024, Az. 16a D 23.143. Dort ging es um die Betätigung im Sinne der sog. Reichsbürger-Ideologie und einer daraus folgenden erheblichen Verletzung der Pflicht zur Treue zur Verfassung aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG.
 

Coronainfektion als Dienstunfall, 5. Juni 2024

Auch ein verbeamteter Lehrer, der Unterricht an einer Wirtschaftsschule gibt, ist in ähnlichem Maß wie eine Person im Gesundheitsdienst, der Pflege oder einem Labor der Gefahr einer Infizierung mit dem Coronavirus besonders ausgesetzt gewesen, so der Verwaltungsgerichtshof München. Dort aufgelesene Coronainfektionen seien daher als Dienstunfall anzuerkennen (Verwaltungsgerichtshof München, Urteile vom 5. Juni 2024, Az. 3 BV 21.3116 und 3 B 22.809, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung aus beck-aktuell). 
 

Die Argumentation: Der Lehrer habe während seines Unterrichts den Mindestabstand von 1,5 Metern zu den Schülern aus zwingenden pädagogisch-didaktischen Gründen unterschreiten müssen. Der Unterricht erfordere einen häufigeren und näheren Kontakt zu jedem Schüler, weil der jeweilige Fall am Schüler-PC eingesehen werden musste. Zudem hätten einzelne Schüler die angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen nicht eingehalten.

Die Revision ist in beiden Verfahren nicht zugelassen, der Freistaat Bayern kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Kabinett beschließt Gesetzentwurf u. a. zur Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte, 5. Juni 2024

Die Bundesregierung hat den vom Bundesminister der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen beschlossen. Konkret bedeutet dies, dass der in § 23 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vorgesehene Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte von bisher 5.000 Euro auf nunmehr 8.000 Euro angehoben wird. Eine streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete soll zudem für mehr Spezialisierung sorgen. 

Außerdem werden danach bestimmte Streitigkeiten aus dem Bereich des Nachbarrechts den Amtsgerichten streitwertunabhängig zugewiesen, bei denen die Ortsnähe oft eine besondere Rolle spielt. Streitigkeiten zu Vergabesachen oder aus Heilbehandlungen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen den Landgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen.

Die Argumentation des BMJ: Insbesondere die Amtsgerichte leisteten durch ihre Verteilung in der Fläche ortsnahen Rechtsschutz und gewährleisteten einen leichten Zugang zur Justiz. Eine stark ausgeprägte und gut in der Fläche verteilte amtsgerichtliche Struktur übernehme damit eine wichtige rechtsstaatliche Aufgabe. Vor dem Hintergrund des Rückgangs der Zahl der erstinstanzlich bei den Amtsgerichten eingegangenen Zivilverfahren sei diese Schwächung ist insbesondere für kleinere Amtsgerichtsstandorte problematisch, da diese den Rückgang der Eingangszahlen nicht durch einen Abbau der Stellen kompensieren könnten und daher die Gefahr bestehe, dass sie ganz geschlossen werden müssen. Daher sei es das Ziel der Gesetzesänderung, die Amtsgerichte in Zivilsachen zu stärken. 
 

Urlaub in Quarantäne – keine Gutschrift, 28. Mai 2024

Wer während der Pandemie Urlaub genommen hatte und sich dann durch behördliche Anweisung in Quarantäne begeben musste, hat keinen Anspruch auf Gutschrift dieser Tage, so das Bundesarbeitsgericht. Es liege in der Risikosphäre der Beschäftigten, wenn bestimmte Ereignisse den Urlaub störten. Arbeitgeber schuldeten die Freistellung von der Arbeit bei voller Entlohnung, aber keinen darüberhinausgehenden Urlaubserfolg, so das Gericht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Mai 2024, Az. 9 AZR 76/22, die Ausführungen sind angelehnt an die entsprechende Meldung von LTO).  

Dissertation - Beitrag zum Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis, 24. Mai 2024

Eine Dissertation muss wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und einen Beitrag zum Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis liefern – so steht es regelmäßig in den Promotionsordnungen. Wann Letzteres der Fall ist, hängt von gerichtlich nicht weiter nachprüfbaren Elementen ab. Denn für deren Beurteilung sieht das jeweilige Hochschulgesetz (im konkreten Fall: § 29 Abs. 1 Satz 3 des Hess. Hochschulgesetzes, HHG) ausschließlich die Hochschule vor, die nach dieser Regelung aufgrund der Promotion den Doktorgrad verleiht. Die Frage, ob die Ausarbeitung einen Beitrag zum Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis liefert, unterliegt einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (Verwaltungsgericht Kassel, 24. Mai 2024, Az. 7 K 808/22.KS, juris).

Konsequenzen einer fehlerhaften Auswahlentscheidung im Berufungsverfahren, 15. Mai 2024

Ist eine Auswahlentscheidung rechtlich fehlerhaft, kommt die begehrte Untersagung der Stellenbesetzung nur dann in Betracht, wenn sich der Rechtsverstoß auf die Erfolgsaussichten der Bewerbung des Antragstellers auswirken kann. Maßgeblich ist, ob die Aussichten des unterlegenen Bewerbers, in einem zweiten rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. seine Auswahl ernsthaft möglich erscheint bzw. nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (Oberverwaltungsgericht Münster, st. Rspr., Beschluss vom 15. Mai 2024, Az. 6 B 187/24). 

Prüfungsrecht: Zu nah an der Musterlösung – Betrug?, 30. April 2024

Nur, weil eine Klausur teilweise mit der Musterlösung übereinstimmt, heißt das noch nicht, dass damit der zu prüfenden Person ein Betrug unterstellt werden kann (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 30. April 2024, Az. 2 LB 69/18). 

In dem Fall hatte das Landesjustizprüfungsamt in Celle per Bescheid die Staatsprüfung der in Rede stehenden Kandidatin für nicht bestanden erklärt und dies im Wesentlichen mit dem Vorwurf begründet, dass sie die Musterlösungen gekauft habe. Die Kandidatin ging indes gegen diese Entscheidung des Prüfungsamts vor. Die Vorinstanz, das Verwaltungsgericht Lüneburg, bestätigte die Aberkennung, nicht aber die Berufungsinstanz: Zwar stimmten, so das Oberverwaltungsgericht, Teile der Klausuren der Kandidatin mit den amtlichen Prüfvermerken überein. Dies allein genüge jedoch nicht, um ihr eine Kenntnis der Musterlösung unterstellen zu können. Denn gerade bei guten Kandidatinnen und Kandidaten sei zu erwarten, dass ihre Ausführungen den Lösungsvermerken nahekommen. Im Übrigen seien die Übereinstimmungen nicht so sehr umfangreich gewesen, dass man ihr eine Kenntnis hätte vorwerfen können (die Ausführungen sind angelehnt an beck-aktuell). 

Neue Rechtsprechung zum Erholungsurlaub von Hochschullehrenden, 29. April 2024

Der Erholungsurlaub von Hochschullehrenden in Höhe von 30 Tagen ist im Regelfall mit der vorlesungsfreien Zeit abgegolten. Argumentation: Wenn der Hochschullehrer bzw. die Hochschullehrerin das Recht hat, selbst zu bestimmen, wann er oder sie in der vorlesungsfreien Zeit den Erholungsurlaub nimmt, dann muss der Dienstherr mangels insoweit bestehender Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeit davon ausgehen, dass der Hochschullehrer bzw. die Hochschullehrerin von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch macht und sich den Urlaub eigenverantwortlich so einteilt, dass er in der vorlesungsfreien Zeit aufgebraucht wird (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. April 2024, Az. 13 K 8242/21, juris).

Nach der Entscheidung gilt dies auch in den Ländern, in denen der Abgeltungsmechanismus nicht ausdrücklich in Gesetz oder Verordnung verankert ist. Eine Ausnahme in der Form, dass Urlaub erst später verfällt, gilt danach nur dann, wenn Krankheit und Urlaub zusammentreffen (Details dazu finden Sie im hlb-Infoblatt „Erholungsurlaub und Urlaubsabgeltung“ auf der hlb-Webseite). 

Verletzung der Grundsätze der wissenschaftlichen Redlichkeit führt zu Kündigung, 24. April 2024

Das Arbeitsgericht Bonn hat entschieden, dass eine Hochschule einer Professorin oder einem Professor auch ohne Abmahnung kündigen darf, wenn sich die betreffende Person mit einer Publikation bei der Hochschule beworben hatte, die nicht den Grundsätzen der wissenschaftlichen Redlichkeit entsprach (Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 24. April 2024, Az. 2 Ca 345/23). 

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde die Professorin 2021 bei der Hochschule angestellt, nachdem sie sich u.a. mit den in Rede stehenden Publikationen dort beworben hatte. Hinsichtlich drei dieser Publikationen warf die Hochschule ihr im Jahr 2023 vor, dass die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis nicht eingehalten worden seien, weil sie an verschiedenen Stellen plagiiert habe und kündigte ihr – ohne Abmahnung.

Das Arbeitsgericht Bonn urteilte, dass die Professorin jedenfalls in einer ihrer Publikationen die Grundsätze der wissenschaftlichen Redlichkeit vorsätzlich nicht eingehalten habe. Erschwerend kam hinzu, dass die Professorin gerade eines der mit den Plagiatsvorwürfen behafteten Werke als wesentlichen Bestandteil in ihre Bewerbung eingebracht hatte. 

Die Vorlage einer Publikation in einem solchem Bewerbungsverfahren enthalte indes, so das Gericht, die Erklärung, dass die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten worden seien. Sei dies tatsächlich aber gerade nicht der Fall, würden dadurch wesentliche Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt.

Aufgrund der Schwere der Verletzung in einem Kernbereich der Pflichten einer Professorin habe die Hochschule die Professorin auch nicht vorher abmahnen müssen. Eine Unverhältnismäßigkeit ergebe sich auch nicht daraus, weil im Untersuchungsverfahren eventuell Fehler gemacht worden seien. 

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln ist möglich.
 

Besorgung eines Geschenks für eine Kollegin - Dienstunfall?, 15. April 2024

Nach dem Verwaltungsgericht Bremen dürfte zwar die Übergabe von Geschenken zu besonderen Anlässen durch eine Behördenleiterin an eine Kollegin im Rahmen der betrieblichen Gepflogenheiten für sich genommen grundsätzlich der dienstlichen Sphäre zuzuordnen sein. Dies gelte indes nicht für die Besorgung eines solchen Geschenkes in einem privaten Geschäft. Das Gericht hatte die Frage zu entscheiden, weil die Klägerin in einem Blumenladen, in dem sie einen Blumenstrauß für eine Kollegin erwerben wollte, stürzte, und sich dadurch multiple Riss- und Platzwunden im Gesicht sowie eine Nasenbeinfraktur zuzog. (Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 15. April 2024, Az. 7 K 72/23, juris). 

Die Klägerin erstatte nach dem erwähnten Unfall eine Unfallanzeige und beantragte die Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall. Die beklagte Behörde lehnte indes die Anerkennung als Dienstunfall ab. Der Dienstherr habe grundsätzlich nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit zu tragen. Das Besorgen eines Blumengestecks für eine Kollegin betreffe unstreitig den privaten Bereich.

Das Gericht kam in seiner Entscheidung zu der Position der beklagten Behörde. Die Voraussetzungen eines Dienstunfalls (im konkreten Fall nach § 34 Abs. 1 Satz 1 des Bremischen Beamtenversorgungsgesetzes, kurz BremBeamtVG) lägen nicht vor. Denn danach sei ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

Ein Wegeunfall im engeren Sinne liege nicht vor. Diese spezielle Vorschrift des Beamtenversorgungsgesetzes schütze grundsätzlich allein die Hinfahrt von der Wohnung der Beamtin oder des Beamten zum Dienst (den Weg zur Dienststelle von der Wohnung) sowie die Rückfahrt nach Beendigung des Dienstes von der Dienststelle zur Wohnung (den Heimweg zur Wohnung). Vorliegend fehle es an einem notwendigen räumlichen Bezug zur Wohnung der Klägerin. Bei dem vorliegenden Blumengeschäft, in dem die Klägerin stürzte, handele es sich um einen „dritten Ort“, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vom Schutzbereich eines Wegeunfalles im engeren Sinne erfasst sei.

Es liege zudem auch kein Wegeunfall im weiteren Sinne vor. Unfälle auf Flächen, über deren Nutzung ein Dritter allein entscheiden kann – so wie hier – unterfielen selbst dann nicht der Unfallfürsorge des § 34 Abs. 2 Satz 1 BremBeamtVG, wenn sie sich auf dem Weg zwischen Dienststelle und Wohnung des Beamten ereigneten.

Im Übrigen beschränke sich der Dienstunfallschutz auf den allgemeinen Verkehr. Damit seien lediglich Unfälle „auf der Straße“, nicht aber auf dem Grundstück eines Ladengeschäfts räumlich von § 34 Abs. 2 Satz 1 BremBeamtVG erfasst. 

Schließlich stelle der Erwerb der Blumen durch die Klägerin für eine Kollegin keine Tätigkeit „in Ausübung des Dienstes“ dar. Zwar dürfte die Übergabe von Geschenken innerhalb des Kollegiums zu besonderen Anlässen im Rahmen der behördlichen Gepflogenheiten für sich genommen der dienstlichen Sphäre zuzuordnen sein. Dies gelte indes nicht uneingeschränkt für die vorbereitende Tätigkeit. Es erscheine nicht gerechtfertigt, dem Dienstherrn generell das Risiko für den gesamten Vorgang des Besorgens eines solchen Geschenkes aufzuerlegen, soweit sich der Beschaffungsvorgang außerhalb des konkreten Dienstortes der Beamtin oder des Beamten und damit außerhalb der vom Dienstherrn räumlich beherrschten Risikosphäre ereigne.
 

Beurlaubung aus sonstigen Gründen, Grenzen der Erwerbstätigkeit, 2. April 2024

Auch bei einer Beurlaubung aus „anderen Gründen“ (hier nach § 72 Abs. 2 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg, LBG BW) ist eine Erwerbstätigkeit nur in den nebentätigkeitsrechtlichen Grenzen (für Baden-Württemberg vgl. § 62 Abs. 3 LBG BW) zulässig, so der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. April 2024, Az. 4 S 160/24, juris).

Damit kommt nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Rahmen einer Beurlaubung nach § 72 Abs. 2 Satz 1 LBG BW die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung nur für maximal 12 Stunden pro Woche - eine Besonderheit im baden-württembergischen Recht, ansonsten in den anderen Bundesländern regelmäßig 8 Stunden bzw. ein Fünftel der individuellen Arbeitszeit - in Betracht. Nach § 72 Abs. 3 LBG BW i.V.m. § 69 Abs. 9 Satz 6 LBG BW i.V.m. § 62 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 Halbsatz 1 LBG BW sei, so der Verwaltungsgerichtshof, (auch) bei nach § 72 Abs. 2 LBG BW aus anderen Gründen beurlaubten Beamten die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für mehr als zwölf Wochenstunden zu versagen.

Außerdem dürfe nach § 62 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 LBG BW die Nebentätigkeit dem Zweck der Bewilligung des Urlaubs nicht zuwiderlaufen. Die Versagungsgrenze von 12 Wochenstunden in § 62 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 1 LBG BW werde in der Literatur als absolute Höchstgrenze angesehen. Diese Grenze von 12 Wochenstunden war in dem konkret zu entscheidenden Fall überschritten. 

Darüber hinaus liege, so der Verwaltungsgerichtshof, auch kein Ausnahmefall (vgl. § 62 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 1 LBG BW mit Blick auf die allgemeine Regelung des § 62 Abs. 3 Satz 2 LBG, die „in der Regel“ einen Versagungsgrund annimmt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch die Nebentätigkeit ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit überschreitet) vor.

Eine als Regelung einer absoluten Höchstgrenze verstandene Wochenstundenzahl von 12 Stunden aus § 62 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 1 LBG BW sei auch nicht teleologisch zu reduzieren. 

Zwar treffe es zu, dass bei beurlaubten und damit nicht dienstverpflichteten Beamten durch eine Nebentätigkeit anders als bei dienstverpflichteten Beamten regelmäßig eine geringere Gefahr der Überbeanspruchung bestehen dürfte. Der Zweck der nebentätigkeitsrechtlichen Regelungen bestehe indes nicht nur darin, die Überbeanspruchung von Beamten zu verhindern, vielmehr würden durch die nebentätigkeitsrechtlichen Regelungen widerstreitende, jeweils verfassungsrechtlich hinterlegte Interessen von Beamten und Dienstherrn verfassungsrechtlich vertretbar ausgeglichen.

Dieses Ergebnis werde auch durch den Regelungszusammenhang und die Gesetzesbegründung unterstrichen. Denn der Verweis auf die Anwendung des Nebentätigkeitsrechts über § 72 Abs. 3 LBG erfasse nicht nur die Fallgruppen des § 72 Abs. 1 LBG BW, also pflegende und betreuende Beamte, die wie dienstverpflichtete Beamte regelmäßig vor Überbeanspruchung zu schützen sind, sondern eben auch nach § 72 Abs. 2 Satz 1 LBG BW beurlaubte Beamte, die im Rahmen ihrer Beurlaubung anders als die nach § 72 Abs. 1 LBG BW beurlaubten Beamten nicht zwangsläufig anderweitig gebunden seien. Dafür untersage aber § 72 Abs. 2 Satz 2 LBG BW gerade eine Beurlaubung nach § 72 Abs. 2 Satz 1 LBG BW zur Ausübung einer (uneingeschränkten) Erwerbstätigkeit und verweise diese Beamten über § 72 Abs. 3 LBG ebenfalls (nur) auf das Nebentätigkeitsrecht. 

Beurlaubungen mit dem Ziel, einer uneingeschränkten anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen, richteten sich, so das Gericht, vielmehr nach § 31 der Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung BW (Anm.: Nur der 2. Abschnitt dieser VO ist nicht auf Hochschullehrende anwendbar, der Rest und damit § 31 schon). Insofern verstoße die Versagung der beantragten Genehmigung auch nicht gegen die Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG), denn es sei schließlich noch die Möglichkeit des § 31 gegeben. 
 

Beihilfe Baden-Württemberg: Kostendämpfungspauschale nun doch unwirksam, 21. März 2024

In einem Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit der Kostendämpfungspauschale und damit um weitere Beihilfeleistungen ging, hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe ursprünglich die Kostendämpfungspauschale für Hochschullehrende in Baden-Württemberg in ihrer derzeitigen Ausgestaltung im Jahr 2020 für verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidung wurde 2021 vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim kassiert. Nach Beantragung und Zulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht nun in seinem Urteil erklärt, dass die Pauschale unwirksam sei, da sie lediglich in einer Verordnung geregelt ist. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verlange aber, dass der Gesetzgeber bei Beihilfekürzungen wegen deren Auswirkungen auf die Höhe der Alimentation die Grenzen hierfür selbst regeln müsse. Auch müsse er festlegen, ob und wie eine solche Kostendämpfungspauschale der Höhe nach zu staffeln sei (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. März 2024, Az. 5 C 5.22). 

Die Argumentation im Einzelnen (vorbehaltlich der zum Zeitpunkt dieser Meldung noch nicht veröffentlichten Urteilsgründe, angelehnt an die Pressemitteilung des Gerichts): Eine Bindung an die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn – wie hier – eine bestehende Verordnungsregelung (im konkreten Fall § 15 Abs. 1 Satz 5 der Beihilfeverordnung Bade-Württemberg) durch den Gesetzgeber selbst geändert worden ist. Sie habe auch in diesem Falle nur den Rang einer Verordnung. An einer danach erforderlichen hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass der Verordnungsregelung fehle es somit. Der als Ermächtigung allein in Betracht kommenden Vorschrift des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg (§ 78 Abs. 2 Satz 3 des baden-württembergischen Landesbeamtengesetzes) sei mit der Formulierung "zumutbarer Selbstbehalte" weder eine Obergrenze der Eigenbeteiligung zu entnehmen, noch ob und nach welchen Kriterien die Kostendämpfungspauschale zu staffeln ist. 

Lohnfortzahlung wegen Corona-Infektion auch für Ungeimpfte, 20. März 2024

Auch wer sich nicht hat impfen lassen, hat nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Fall einer Corona-Infektion einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber. Ob die Infektion symptomfrei verläuft, sei unerheblich (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. März 2024, Az. 5 AZR 234/23, die Ausführungen sind entnommen aus beck-aktuell). 

Die Infektion mit dem Corona-Virus stelle, so das Bundesarbeitsgericht, auch ohne Symptome eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, der auf Entgeltfortzahlung geklagt hatte, geführt habe. Das Tätigkeitsverbot (aufgrund einer ausgesprochenen Absonderungsanordnung) beruhe gerade auf der Infektion. Diese Infektion habe es ihm rechtlich unmöglich gemacht, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Unbeachtlich sei, so das Bundesarbeitsgericht, dass sich der Mitarbeiter der empfohlenen Schutzimpfung entzogen hatte. Zwar könne man darin einen „gröblichen Verstoß“ gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten sehen. Das vorher mit dem Fall befasste Oberverwaltungsgericht Münster habe jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Gefahr von Impfdurchbrüchen in die Kausalitätsprüfung einbezogen. 

Schließlich habe die Vorlage der gemeindlichen Quarantäneverfügung seitens des Arbeitnehmers genügt. Der Arbeitgeber könne dem Arbeitnehmer nicht entgegenhalten, dass keine darüberhinausgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt worden sei. 
 

Bewerberinnen und Bewerbern für eine Professur sind extern zu begutachten, 14. März 2024

Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein dürfen Bewerberinnen und Bewerber für eine Professur nach Abhalten einer studiengangbezogenen Lehrveranstaltung nicht aus dem weiteren Auswahlprozess ausgeschieden, sondern müssen nach den hochschulrechtlichen Regelungen des Landes (§ 62 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 des schleswig-holsteinischen Hochschulgesetzes) extern begutachtet werden (Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14. März 2024, Az. 2 MB 14/23). 

Nach § 62 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 des schleswig-holsteinischen Hochschulgesetzes erstellt der Berufungsausschuss unter Einholung auswärtiger und mindestens zwei vergleichender Gutachten einen Berufungsvorschlag, der drei Namen enthalten soll. 

Der Wortlaut der Norm enthalte, so das Gericht, keine Einschränkung auf listenplatzfähige bzw. begutachtungsfähige Bewerberinnen und Bewerber, sodass danach alle Bewerberinnen und Bewerber vor dem Vorschlag der Berufungskommission extern zu begutachten sind. Betrachte man die Regelung im gesetzessystematischen Zusammenhang sei es naheliegend, dass der Gesetzgeber die Auswahl der (extern) zu Begutachtenden im Folgenden, also nach Sichtung der Bewerbungsunterlagen und Abgleichung einer Passung zum in der Stellenausschreibung aufgeführten Anforderungsprofil, auf diejenigen beschränken wollte, die an dieser Probelehrveranstaltung teilgenommen haben. 

Eine weitere Einschränkung des Bewerberkreises entspreche dagegen nicht dem Sinn und Zweck der Regelung. Die externe Begutachtung diene nämlich nicht nur dazu, die Berufungskommission dabei zu unterstützen, die oder den fachlich, pädagogisch-didaktisch und persönlich geeignetste Bewerberin bzw. geeignetsten Bewerber vergleichend absteigend zu listen und damit den Anforderungen der Bestenauswahl des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht zu werden, sondern auch dazu, der Gefahr der sogenannten Ämterpatronage entgegenzuwirken.

Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit, 7. März 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zur Rechtmäßigkeit einer Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit entschieden. Danach ist der Anordnung der Untersuchung als einer vorbereitenden Aufklärungsmaßnahme ein gewisses Maß an Unsicherheit hinsichtlich der darin enthaltenen Wertungen immanent. Bedeutet konkret nach Ansicht des Gerichts, dass nur deswegen, weil die Beamtin bzw. der Beamte möglicherweise die Sichtweise des Dienstherrn nicht teilt oder die letztlich zutreffende Bewertung der Dinge in Streit steht, dies kein Hinderungsgrund für den Dienstherrn sein kann, von seiner Befugnis, die Beamtin bzw. den Beamten bei Zweifeln an deren bzw. dessen Dienstfähigkeit amtsärztlich untersuchen zu lassen, Gebrauch zu machen. Denn der Amtsarzt sei ohnehin verpflichtet, seine Feststellungen (nur) unter ärztlichen Gesichtspunkten wahrheitsgemäß und unparteiisch zu treffen; er stehe dem Dienstherrn und der Beamtin bzw. dem Beamten gleichermaßen fern. 

Soweit es die Darstellung der aus Sicht des Dienstherrn Zweifel an der Dienstfähigkeit begründenden Umstände angeht, sei zudem zu berücksichtigen, dass die Beamtin bzw. der Beamte ihrer- bzw. seinerseits im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung, insbesondere im persönlichen (vertraulichen) Gespräch mit dem Amtsarzt, die Möglichkeit habe, ihre bzw. seine Sicht der Dinge darzulegen und in der Untersuchungsanordnung bzw. im Untersuchungsauftrag enthaltenen Angaben ihre bzw. seine eigene Bewertung entgegenzusetzen. Dies alles setze allerdings grundsätzlich voraus, dass ihr bzw. ihm über den Inhalt der Untersuchungsanordnung hinausgehende weitere Informationen, die der Dienstherr dem Amtsarzt als Grundlage der Begutachtung übermittelt habe, vor dem Untersuchungstermin bekannt sind (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 7. März 2024, Az. 6 B 123/24).
 

Thüringer Hochschulgesetz verfassungsgemäß, 6. März 2024

Der Verfassungsgerichtshof Thüringen hat klargestellt, dass es weder dem allgemeinen Gleichheitssatz, noch der Wissenschaftsfreiheit oder dem Demokratieprinzip widerspricht, wenn sich auf den Posten der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen nur Frauen wählen lassen dürfen. Eine solche Beschränkung sei als Maßnahme zur Beseitigung strukturell bedingter Benachteiligungen von Frauen im Hochschulbereich durch das Gleichstellungsgebot gerechtfertigt. Damit wies der Verfassungsgerichtshof den zugrundeliegenden Normenkontrollantrag zurück (Verfassungsgerichtshof Thüringen, Urteil vom 6. März 2024, Az. VerfGH 23/18 - die Ausführungen sind entnommen aus beck-aktuell). 

Darüber hinaus urteilte der Verfassungsgerichtshof, dass es zu den Aufgaben des Hochschulrats gehören darf, den Jahresabschluss festzustellen. Der Jahresabschluss informiere lediglich über die wirtschaftliche Lage einer Hochschule und beinhalte keine wirtschaftlichen Entscheidungsbefugnisse, schließlich sei er auch kein Instrument der Wissenschaftsführung. Es liege weiterhin in der Verantwortung des zuständigen Ministeriums, unter anderem auf der Grundlage des Jahresabschlusses eine eigene haushaltsrechtliche Beurteilung vorzunehmen. Mit dem Beschluss und der Feststellung des Jahresabschlusses erfülle die Hochschule ihre Pflicht, ihre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ordnungsgemäß zu dokumentieren. 

Schließlich sei auch die Regelung zur Besetzung des Hochschulrates, wonach drei seiner acht Mitglieder Frauen sein sollen, rechtlich unbedenklich. Sie sei ebenfalls durch das Gleichstellungsgebot gerechtfertigt und fördere eine Mindestrepräsentanz von Frauen in diesem Gremium.
 

Rückforderung bei Überzahlung von Bezügen, 27. Februar 2024

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden: Entspricht es wegen überwiegenden Behördenverschuldens an der Überzahlung der Billigkeit, den Rückforderungsbetrag um 30 Prozent zu kürzen, ist die Kürzung ausgehend von dem zurückzufordernden und nicht dem überzahlten Betrag vorzunehmen. Eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners modifiziert den Rückzahlungsanspruch. Nach dem Gericht betrifft die Billigkeitsentscheidung nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheids, sondern den materiellen Bestand des Rückforderungsanspruchs und ist deshalb zwingend vor der Rückforderung zu treffen. Ein Rückforderungsbescheid darf danach nicht ergehen, ohne dass eine Billigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Die Festlegungen sind im Bescheid selbst zu treffen; eine bloße Bereitschaft, dem Beamten später entgegen zu kommen und etwa Ratenzahlung zu vereinbaren, genügt nicht (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 27. Februar 2024, Az. 5 K 56/22, juris).

Disziplinarrecht, Wohlverhaltenspflicht, 19. Februar 2024

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) insbesondere im innerdienstlichen Bereich kein strafbares Verhalten des Beamten oder der Beamtin voraussetzt. Maßgeblich ist danach, ob das Verhalten des Beamten oder der Beamtin die Funktionsfähigkeit der Verwaltung unmittelbar in der Erfüllung der Amtsaufgaben und der Wahrung der dienstlichen Interessen beeinträchtigt (Oberverwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 19. Februar 2024, Az. 10 M 18/23, juris).

Die Vorschrift des § 34 Abs. 1 BeamtStG (Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild) lautet: „Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.“

Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen des Beschlusses zugleich entschieden, dass das Vertrauen in die sachgerechte Erfüllung der dem Beamten bzw. der Beamtin obliegenden Pflichten auch dann irreparabel beschädigt werden und mit der Folge der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis endgültig entfallen kann, wenn dessen oder deren Verhalten unterhalb der Strafbarkeitsschwelle bleibt.

Täuschung in einer Prüfung, 2. Februar 2024

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in einer Entscheidung einige Grundsätze des Prüfungsrechts verdeutlicht. Danach gilt erstens, dass die Frage, ob in einer Prüfung getäuscht wurde, der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ein Einschätzungsspielraum bestehe für den Prüfenden bzw. den Prüfungsausschuss jedoch hinsichtlich der Frage, ob es sich um einen besonders schwerwiegenden Fall der Täuschung handelt. Zweitens stelle dabei in erster Linie das objektive Kriterium, in welchem Ausmaß der Prüfling die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt, den Maßstab für die Abgrenzung eines gewöhnlichen Täuschungsversuchs von einem besonders schweren Fall dar. Es verstoße im Übrigen auch drittens nicht gegen Art. 12 GG (Berufsfreiheit), im Falle eines besonders hohen Maßes an Täuschungsenergie eine Prüfung als endgültig nicht bestanden zu erklären bzw. den Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen vorzusehen (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 2. Februar 2024, Az. 2 ME 108/23, juris).

Die Argumentation des Gerichts: Aufgrund des bestehenden Beurteilungsspielraums könne im Rahmen der gerichtlich insoweit nur eingeschränkten Prüfung grundsätzlich nur ermittelt werden, ob der Prüfer bzw. Prüfungsausschuss von falschen Tatsachen ausgegangen sei, sachfremde Erwägungen angestellt habe oder allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder willkürlich gehandelt habe.  Maßstab für die Abgrenzung eines „gewöhnlichen“ Täuschungsversuchs, der nach der im konkreten Fall zugrundeliegenden Prüfungsordnung allein das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge hat, von einem besonders schweren Fall, der darüber hinaus mit dem Ausschluss vom weiteren Prüfungsverfahren geahndet werden kann, sei in erster Linie das objektive Kriterium, in welchem Ausmaß der Prüfling die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt. Subjektive Faktoren wie eine persönliche Notlage des Prüflings, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, seien demgegenüber bei der Betätigung des Ermessens durch die Prüfungsbehörde, ob sie zu der scharfen Sanktion des Ausschlusses vom Prüfungsverfahren greifen will oder nicht, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu würdigen.

Schließlich verstoße die entsprechende Norm der konkreten Prüfungsordnung auch nicht gegen Art. 12 GG. Es sei, so das Gericht unter Hinweis auf das dazu vorliegende prüfungsrechtliche Schrifttum, nicht zu beanstanden, im Falle eines besonders hohen Maßes an Täuschungsenergie eine Prüfung als endgültig nicht bestanden zu erklären bzw. den Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen vorzusehen, zumal die konkrete Norm der Prüfungsordnung ein Ermessen vorsehen und damit ein Entscheidungsspielraum verbleibe, innerhalb dessen solchen und vergleichbaren Grenzfällen Rechnung getragen werden könne. Insofern sei die Norm insbesondere nicht unverhältnismäßig und es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
 

Ablehnung der Gewährung von Beihilfe für eine stationäre Behandlung in einer privaten Fachklinik, 24. Januar 2024

Privatkliniken sind nicht an die Regeln des Krankenhausentgeltgesetzes gebunden und können daher die Preise für ihre Leistungen frei gestalten. Die Beihilfeverordnungen sehen daher bestimmte Mechanismen zur Begrenzung der Beihilfe in diesen Fällen vor, in Nordrhein-Westfalen etwa, dass nur die Aufwendungen als beihilfefähig anerkannt werden können, die bei einer Behandlung in der dem Behandlungsort nächstgelegenen Klinik der Maximalversorgung (Universitätsklinik) für eine medizinisch gleichwertige Behandlung entstanden wären. Hinsichtlich der medizinisch gleichwertigen Behandlung hat nun das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden. Eine medizinische Gleichwertigkeit von Behandlungsmethoden (im konkreten Fall nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 der Beihilfeverordnung Nordrhein-Westfalen-– BVO NRW ) ist danach gegeben, wenn diese jeweils zu einer medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung eines Patienten führen sowie diesem zumutbar sind. Das Kriterium der Zumutbarkeit ermögliche dabei, so das Gericht, grundsätzlich auch die Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalles. Das Kriterium der Zumutbarkeit beziehe sich dabei, so das Oberverwaltungsgericht, ausschließlich auf die in der Klinik der Maximalversorgung angebotenen medizinischen Behandlungsmethoden. Andere Umstände des Einzelfalls, die es für den jeweiligen Beihilfeberechtigen, wenn auch möglicherweise nachvollziehbar, rein subjektiv als unzumutbar erscheinen lassen, gerade diese Behandlung in Anspruch zu nehmen, können danach nicht berücksichtigt werden (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 24. Januar 2024, Az. 1 A 173/23, juris). 

Ein etwaiges persönliches Vertrauensverhältnis eines Beihilfeberechtigten zu einem behandelnden Arzt, Psychiater oder Psychotherapeuten eines nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses (also einer Privatklinik) sei für die entscheidende Frage, ob das vergleichend herangezogene Klinikum eine der durchgeführten Behandlung medizinisch gleichwertige Behandlung sichergestellt hätte, ohne Bedeutung. Dies gelte auch für die Behandlung von psychisch erkrankten Minderjährigen und im Übrigen auch für Folgebehandlungen.

Persönliche Daten des Geschäftsführers einer GmbH im Handelsregister, 23. Januar 2024

Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Geschäftsführer einer GmbH keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister. Der Wohnort des Geschäftsführers einer GmbH ist demnach weiterhin zwingend zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, auch wenn sich die davon betroffene Person dadurch als gefährdet ansieht (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Januar 2024, Az. II ZB 7/23). 

In dem Fall fürchtete der Geschäftsführer einer GmbH um seine Sicherheit, weil er beruflich mit Sprengstoff umging. Ein Anspruch auf Löschung des Geburtsdatums und Wohnorts ergebe sich indes weder aus der DS-GVO noch aus nationalem Recht, entschied der Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof wies damit die Beschwerde in Bezug auf die gleichlautende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, das bereits in der Vorinstanz darauf hingewiesen hatte, dass funktionsfähige und verlässliche öffentliche Register unerlässlich seien, zurück. Der Bundesgerichtshof argumentierte außerdem, dass sich Geschäftspartner zuverlässig informieren können müssten. Zudem sei im Handelsregister ohnehin keine genaue Anschrift, sondern nur der Wohnort angegeben.

Abbruch eines Berufungsverfahrens, 23. Januar 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat unter Verweis auf die dazu bestehende gefestigte Rechtsprechung entschieden, dass die Entscheidung des Dienstherrn, einen bereits ausgeschriebenen Dienstposten nicht mehr wie ursprünglich geplant besetzen zu wollen, ebenso im weit bemessenen organisations- und personalwirtschaftlichen Ermessen steht wie die Entscheidung, ob und welche Ämter geschaffen und wie Dienstposten zugeschnitten werden sollen. Die gerichtliche Kontrolle ist danach auf die Prüfung beschränkt, ob sich die Entscheidung zum Abbruch als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erweist (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 23. Januar 2024, Az. 6 B 1084/23).

Abgeltungsanspruch von nicht genommenem Urlaub auch bei vorzeitigem Ruhestand, 18. Januar 2024

Wenn Beschäftigte ihren Urlaub trotz Aufforderung nicht nehmen, verfällt ihr Urlaubsanspruch. Wer ihn hingegen nicht nehmen konnte, erhält Geld als Ausgleich. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ist die langjährige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass einer oder einem Angestellten ein Rechtsanspruch auf finanzielle Abgeltung zusteht, wenn sie oder er seinen Urlaub wegen Krankheit nicht mehr vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses einbringen konnte, mittlerweile ausdrücklich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013, Az. 2 C 10/12, juris). Nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden: Die Abgeltung gilt auch bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2024, Az. C-218/22). 

In dem Fall ging es um einen italienischen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Der Verwaltungsleiter einer italienischen Gemeinde ging nach 24 Jahren auf eigenen Wunsch in den vorzeitigen Ruhestand und verlangte die Abgeltung von 79 Urlaubstagen, die er nicht genommen hatte. Dieser Urlaub wurde ihm von der Gemeinde verwehrt. Die Gemeinde argumentierte mit dem italienischen Recht, wonach im öffentlichen Dienst beschäftigte Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf eine Vergütung für nicht genommenen Resturlaub hätten. Das zuständige italienische Gericht bezweifelte indes die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und rief den Europäischen Gerichtshof an. 

Dieser entschied nun, dass ein Abgeltungsverbot bei freiwilliger Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unionsrechtswidrig ist. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub beziehungsweise Abgeltung dürfe nicht rein wirtschaftlichen Überlegungen wie der Eindämmung öffentlicher Ausgaben untergeordnet werden. Nur in dem Fall, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus freien Stücken nicht genommen habe, obwohl ihn der Arbeitgeber dazu aufgefordert und über das Risiko des Verlusts dieses Anspruchs am Ende eines Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums informiert hat, sei ein Verlust des Anspruchs nicht zu beanstanden. Die erwähnten Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten des Arbeitgebers ergeben sich bereits aus früheren Entscheidungen des EuGH (vgl. Europäischer Gerichtshof, Vorabentscheidung vom 22. September 2022, Az. C-518/20 und C-727/20, nachfolgend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19. Sie finden diese Entscheidungen ebenfalls in der Rubrik „Rechtsprechung“ auf der hlb-Webseite).

Es sei am Arbeitgeber nachzuweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um dem Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, seinen Jahresurlaub zu nehmen. 
 

Bewertungsspielraum des Prüfers, 17. Januar 2024

Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. Eine dem Prüfer vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung ist auch, ob im Hinblick auf eine entsprechend definierte Notenstufe oder zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als "brauchbar" zu bewerten ist. In diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, so das Oberverwaltungsgericht Münster. Der Bewertungsspielraum sei allerdings überschritten, wenn den Prüfungsbehörden Verfahrensfehler unterlaufen, sie anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 17. Januar 2024, Az. 6 A 1895/23).

Versetzung in den Ruhestand bei verweigerter Untersuchungsanordnung, 15. Januar 2024

Die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit kann darauf gestützt werden, dass sich dieser ohne hinreichenden Grund einer Untersuchungsanordnung (im konkreten Fall nach § 44 Abs. 6 Bundesbeamtengesetz) entzieht, wenn diese Untersuchungsaufforderung rechtmäßig ist (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 15. Januar 2024, Az. 5 ME 115/23). 

Das Gericht argumentierte im Wesentlichen wie folgt: Daraus, dass die amtsärztliche Untersuchung nicht das einzige und allein ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit ist, folge auch, dass bei Nichtvorliegen eines amtsärztlichen Gutachtens die Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit nicht stets ausgeschlossen sei. Vielmehr könne die unberechtigte Weigerung eines Beamten, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, als ein negatives Indiz für die Annahme seiner Dienstunfähigkeit gewertet werden.

Zwar bewirke ein unberechtigter Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht keine Umkehr der Beweislastverteilung; sie sei jedoch bei der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit der Würdigung aller einschlägigen Umstände stelle eine unberechtigte Weigerung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ein Indiz für die Annahme der Dienstunfähigkeit des Beamten dar. 

Allerdings: Eine für den Beamten nachteilige Schlussfolgerung in diesem Sinne setze eine rechtmäßige Untersuchungsanordnung voraus. An der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung bestanden indes nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in dem konkreten Fall keine Zweifel.  
 

Vorläufige Dienstenthebung eines Hochschullehrers bestätigt, 8. Januar 2024

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat die Beschwerde eines Hochschullehrers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg aus August 2023 zurückgewiesen, durch den sein Antrag auf Aufhebung seiner vorläufigen Dienstenthebung und die teilweise Einbehaltung seiner Dienstbezüge abgelehnt worden war (Oberverwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 8. Januar 2024, Az. 10 M 16/23). 

Hintergrund: Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist Universitätsprofessor und seit dem 1. April 1999 Inhaber der Professur Medizinische Mikrobiologie/Virologie an einer Universität in Sachsen-Anhalt und Direktor des dortigen Instituts für Medizinische Mikrobiologie. Gegen ihn wurde 2021 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Ihm wird vorgeworfen, seine Lehrverpflichtung im Sommersemester 2020, im Wintersemester 2020/21 und im Sommersemester 2021 nicht bzw. unzureichend erfüllt sowie ihm obliegende Aufgaben in der Krankenversorgung nicht wahrgenommen zu haben. Das Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 

Mit Bescheid aus Dezember 2021 enthob die Universität den Hochschullehrer vorläufig des Dienstes und ordnete im weiteren Verlauf auch die Einbehaltung von 20 Prozent der Dienstbezüge an.

Die hiergegen gerichteten Anträge des in Rede stehenden Hochschullehrers waren sowohl vor dem zuständigen Verwaltungsgericht als nun auch vor dem Oberverwaltungsgericht Magdeburg erfolglos.
Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, dass bereits die schwerwiegende Verletzung der Lehrverpflichtung über einen Zeitraum von drei Semestern die Prognose der Entfernung des Hochschullehrers aus dem Beamtenverhältnis überwiegend wahrscheinlich mache und damit die vorläufige Dienstenthebung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt rechtfertige. Unabhängig davon sei die vorläufige Dienstenthebung des Hochschullehrers auch deshalb gerechtfertigt, weil der Dienstbetrieb durch sein Verbleiben im Dienst ernsthaft beeinträchtigt würde und die vorläufige Dienstenthebung angesichts der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme verhältnismäßig sei. Auch der Antrag auf Aufhebung der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge blieb erfolglos.
 

Widerruf des Lehrauftrags rechtswidrig, 15. Dezember 2023

Der Widerruf des Lehrauftrages der Dozentin Bahar Aslan an der Polizei-Hochschule NRW (HSPV) durch das Land war rechtswidrig. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster im Eilverfahren entschieden (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 15. Dezember 2023, Az. 6 B 1034/23).

Aslan hatte auf X, damals noch Twitter, geschrieben: "Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht". In der Folgezeit widerrief die Hochschule den Lehrauftrag.

Aslan bekam nach eingelegter Klage vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Recht, dagegen legt die Hochschule Beschwerde ein. Auch das Oberverwaltungsgericht beschloss nun, dass der Widerruf des Lehrauftrags rechtswidrig war. Es dürfte nach Ansicht des Gerichts zwar nicht zu beanstanden sein, aus dem Tweet auf Mängel in Bezug auf ihre Eignung für die Wahrnehmung des Lehrauftrags zu schließen. Der Widerruf sei aber, so das Gericht, deswegen rechtswidrig, weil sich die Hochschule fehlerhaft auf weitere sachfremde Umstände gestützt habe. So habe die Hochschule den Widerruf beispielsweise nicht wesentlich darauf stützen dürfen, dass Aslan als verbeamtete Lehrerin keine Nebentätigkeitsgenehmigung für den Lehrauftrag hatte, weil eine solche nicht erforderlich sei. Gleiches gelte für das Argument, dass Dritte der Hochschule gegenüber infolge des Tweets Drohungen ausgesprochen haben sollen.
 

Urlaub in Quarantäne, 14. Dezember 2023

Urlaubstage, die ein Arbeitnehmer genommen hat und planwidrig in Quarantäne verbringen musste, muss der Arbeitgeber ihm nicht gutschreiben. Das hat der Europäische Gerichtshof auf eine Vorlage aus Rheinland-Pfalz entschieden (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14. Dezember 2023, Az. C-206/22 Sparkasse Südpfalz). 

Es liege in der Risikosphäre der Beschäftigten, wenn bestimmte Ereignisse den Urlaub störten, so der Europäische Gerichtshof. Arbeitgeber schulden danach die Freistellung von der Arbeit bei voller Entlohnung, es gebe aber keinen Anspruch auf einen Urlaubserfolg. Damit hat der Europäische Gerichtshof im Gleichklang mit den deutschen Gerichten, die bisher mit dieser Thematik zu tun hatten, geurteilt (vgl. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 15. Februar 2022, Az. 1 Sa 208/21; Arbeitsgericht Neumünster, Urteil vom 3. August 2021, Az. 3 Ca 362 b/21). Es steht offenbar auch noch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem anderen Fall aus, in dem das Bundesarbeitsgericht selbst ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäische Gerichtshof gerichtet hatte.

Fallen Kündigung und Krankmeldung zeitlich unmittelbar zusammen, kann der hohe Beweiswert der ärztlichen Krankschreibung entfallen, 13. Dezember 2023

Der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere (Folge-) Bescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt, so das Bundesarbeitsgericht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023, Az. 5 AZR 137/23, noch nicht veröffentlicht). 

Das Bundesarbeitsgericht argumentierte, dass das Landesarbeitsgericht nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass zwischen der in den (Folge-) Bescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz bestand und der Kläger unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnahm. Dies habe zur Folge, so das Gericht, dass der Kläger - konkret für die Zeit vom 7. bis zum 31. Mai 2022 - die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) trage. Das Bundesarbeitsgericht wies die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das zuständige Landesarbeitsgericht zurück.

Nachweis des Zugangs bei Einwurf-Einschreiben nur mit Auslieferungsbeleg, 12. Dezember 2023

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass sich ein gerichtsfester Zugangsnachweis eines Schreibens, etwa einer Kündigung, nur mit dem Auslieferungsbeleg der Post herstellen lässt. Das Gericht ließ den Einlieferungsbeleg mit Sendestatus als Zugangsnachweis nicht ausreichen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2023, Az. 15 Sa 20/23). 

In dem Fall wurde einer Arbeitnehmerin außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt. Diese Kündigung versendete die Arbeitgeberin mehrfach, wobei die Arbeitnehmerin den Zugang bestritt. Die Arbeitgeberin versendete das Schreiben auch per Einwurf-Einschreiben und legte dem Gericht zum Beweis des Zugangs den Einlieferungsbeleg und den Sendestatus der Deutschen Post vor. Da das Gericht in erster Instanz die Wirksamkeit der zweiten Kündigung feststellte, ging die Arbeitnehmerin in die Berufung. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hob indes die Entscheidung auf und erachtete erst die dritte ordentliche Kündigung als wirksam.

Hintergrund: Es ist der Zugang der Kündigung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beweisen, da der Zugang Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist. Allein der Einlieferungsbeleg bei der Post und der Sendestatus genügten, so das Landesarbeitsgericht, nicht, um den Zugang zu belegen. Der Einlieferungsbeleg beweise nur, dass die Praxis ein Schreiben als Einwurfeinschreiben an die Adressatin bei der Post aufgegeben habe. 

Allerdings: Man kann, so das Landesarbeitsgericht, innerhalb von 15 Monaten nach der Aufgabe des Einwurf-Einschreibens mit der Sendungsnummer bei der Post einen Auslieferungsbeleg beantragen, anhand dessen auch klar erkennbar sei, welche Zustellerin oder Zusteller zu welchem Datum und zu welcher Uhrzeit das Schreiben in den Hausbriefkasten geworfen habe. Dann könne die entsprechende Person auch als Zeuge benannt werden. Diesen Auslieferungsbeleg blieb die Arbeitgeberin indes (bei der zweiten Kündigung, offenbar nicht bei der letzten Kündigung) schuldig. 

Fazit: Wieder einmal zeigt sich, dass das Einwurf-Einschreiben nicht als gerichtsfeste Zugangsmethode ausreicht, sondern zusätzlich ein Auslieferungsbeleg zu beantragen ist, anhand dessen auch klar erkennbar ist, welche Zustellerin oder Zusteller zu welchem Datum und zu welcher Uhrzeit das Schreiben in den Hausbriefkasten geworfen hat. Alternativ ist gleich ein Einschreiben-Rückschein zu empfehlen oder eine Zustellung mittels eines Boten bzw. eine Zustellung unter Zeugen. 

Ab wann gilt man als alleinerziehend?, 12. Dezember 2023

In einem Grundsatzurteil legte das Bundesbundesverwaltungsgericht eine (quantitative) Grenze fest, ab der ein Elternteil als alleinerziehend gilt. Konkret: Teilen sich die getrenntlebenden Eltern die Betreuung des gemeinsamen Kindes auf und verlangt ein Elternteil Unterhaltsvorschuss, so gilt dieser als alleinerziehend, wenn er mehr als 60 Prozent der Betreuung übernimmt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Dezember 2023, Az. 5 C 9.22 u. 5 C 10.22). 

Das Bundesverwaltungsgericht legte die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG (Unterhaltsvorschussgesetz), dass das Kind nur bei einem seiner Elternteile lebt, nach dessen Sinn und Zweck aus. Dieser bestehe, so das Gericht, darin, den Elternteil zu entlasten, der wegen des Ausfalls des anderen Elternteils besonders belastet sei. Diese Situation sei nicht auf Fälle des vollständigen Alleinerziehens beschränkt. Vielmehr drohe Elternteilen auch dann eine prekäre Belastung, wenn der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei diesem Elternteil liege.

"Ganz überwiegend" bedeute: Wenn ein Elternteil mehr als 60 Prozent der Betreuung übernimmt, lebe das Kind im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei diesem Elternteil. Danach kann dieser beim Jugendamt die Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen beantragen, wenn der andere Elternteil seine Unterhaltszahlungen schuldig bleibt. Liege der Mitbetreuungsanteil des anderen Elternteils dagegen bei 40 Prozent oder mehr, gebe es keinen Vorschuss. Damit stellte das BVerwG einen rein quantitativ-zeitlichen Maßstab auf. Da das mit der Angelegenheit vorbeschäftigte Oberverwaltungsgericht Münster zur aktuellen zeitlichen Aufteilung der Kinderbetreuung keine hinreichenden Feststellungen getroffen hatte, verwies das Bundesverwaltungsgericht die Sache zur erneuten Verhandlung an das Oberverwaltungsgericht Münster zurück.
 

Hessisches Gesetz zur Gründung der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit – Entscheidung des Hess. Staatsgerichtshofs, 1. Dezember 2023

Im Zusammenhang mit dem Hessischen Gesetz zur Gründung der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMSG), das Änderungen anderer Gesetze mit dem Ziel regelt, die Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung, die als Polizeibehörde bestehende Polizeiakademie Hessen und das im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport befindliche Referat Zentrale Fortbildung Hessen in die neu gegründete Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit zusammenzuführen, hat der Hessische Staatsgerichtshof einige der Normen des HöMSG für unvereinbar mit der Verfassung des Landes Hessen erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, eine verfassungsgemäße Neuregelung bis spätestens 31. Dezember 2024 zu schaffen (Staatsgerichtshof Hessen, Beschluss vom 1. Dezember 2023, Az. P.St. 2891, juris). 

Hintergrund: Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und die Fraktion der Freien Demokraten (FDP) im Hessischen Landtag wandten sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen § 43 Abs. 2 HHG i.V.m. § 108 HHG, § 104 Abs. 2 HHG, § 107 Abs. 2 und Abs. 4 HHG, § 110 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 HHG, § 111 Abs. 1 Satz 3 HHG i.V.m. § 9 HLVO, § 111 Abs. 2 und Abs. 3 HHG, § 112 HHG sowie § 38 Abs. 3 HBesG i.V.m. § 7 HHöMSLeistBV. Sie sind der Auffassung, die von ihnen angegriffenen Vorschriften verstießen gegen das in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Verfassung (HV) normierte Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen sowie gegen die in Art. 10 HV verbürgte Wissenschaftsfreiheit.

Im Rahmen seiner Entscheidung hat der Hessische Staatsgerichtshof die bekannten Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts angewandt und daher folgende Leitsätze veröffentlicht:

1. Der Gesetzgeber hat [zwar*] bei der Ausgestaltung der Hochschulorganisation einen Gestaltungsspielraum.

2. Das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 HV gewährleistet [jedoch*] im Zusammenwirken mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 10 HV den in der Wissenschaft Tätigen eine dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen dienende Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs.

3. Der Gesetzgeber muss durch hochschulorganisationsrechtliche Regelungen sicherstellen, dass in der Hochschule freie Wissenschaft möglich ist und ohne wissenschaftsfremde Einflussnahmen betrieben werden kann. Formen der Hochschulorganisation sind mit Art. 60 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 10 HV nicht vereinbar, wenn sie die freie wissenschaftliche Bestätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährden. Für die Beurteilung, ob eine Regelung Strukturen schafft, die sich gefährdend auswirken können, ist das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge mit seinen unterschiedlichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten in den Blick zu nehmen.

4. Je mehr wissenschaftsrelevante personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse dem kollegialen Selbstverwaltungsorgan der Hochschule entzogen und einem Leitungsorgan zugewiesen werden, desto stärker muss im Gegenzug die Mitwirkung des Selbstverwaltungsorgans an der Bestellung und Abberufung dieses Leitungsorgans und an dessen Entscheidungen ausgestaltet sein.

5. Aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Hochschulselbstverwaltungsrecht in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 HV in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 1 Abs. 1 HV folgt das Gebot der homogenen Gruppenzusammensetzung des kollegialen Selbstverwaltungsorgans der Hochschule.

*Hinzufügungen des Verfassers 
 

Arbeitsrecht: Krankschreibung verspätet eingereicht – Krankengeldanspruch besteht trotzdem, 30. November 2023

Auch wenn eine Krankschreibung erst verspätet bei der gesetzlichen Krankenkasse eingereicht wird, muss diese dem Versicherten Krankengeld zahlen (Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2023, Az. KR 23/22 R). 

Die Argumentation: Seit 2021 seien allein die Vertragsarztpraxen verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit den Krankenkassen zu melden, und zwar elektronisch. Die Obliegenheit des Versicherten, die Meldung selbst vorzunehmen, sei damit ganz entfallen. Würden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verspätet übermittelt, gehe dies somit nicht zu Lasten des Versicherten. Dabei sei es unerheblich, so das Gericht, dass im streitigen Zeitraum noch nicht alle Arztpraxen Arbeitsunfähigkeitsdaten unmittelbar elektronisch an die Krankenkasse übermitteln konnten. Dies lasse die Obliegenheit des Versicherten zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit nicht wieder aufleben.

Kein Arbeitszeugnis ohne Briefkopf, 28. November 2023

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass ein qualifiziertes Zeugnis nach § 109 GewO in formeller Hinsicht den im Geschäftsleben den üblichen Anforderungen genügen muss. Dazu gehört nach Ansicht des Gerichts ein Briefkopf, aus dem der Name und die Anschrift des Ausstellers erkennbar sind. Wenn im jeweiligen Berufszweig üblicherweise Firmenbögen verwendet werden, sei das Zeugnis nicht ordnungsgemäß ausgestellt, wenn der Briefkopf hierauf fehle und es nur mit einer Unterschrift des Geschäftsführers versehen ist (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. November 2023, Az. 26 Ta 1198/23). 

Das Landesarbeitsgericht bemängelte weiter, dass es nicht ausreiche, wenn bei einem Dritten der Eindruck erweckt werden könnte, der Arbeitgeber habe lediglich einen Entwurf unterzeichnet, ohne sich den Inhalt der Erklärung zurechnen zu lassen. Es wies den in Rede stehenden Arbeitgeber darauf hin, dass das Zwangsgeld seiner Einschätzung bislang recht moderat ausgefallen sei und bei fortgesetzter Weigerung erhöht werden müsste. 

Hinausschieben des Ruhestands, Ausschlussfrist?, 28. November 2023

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich zu der in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittenen Frage geäußert, ob es sich bei der Formulierung im Rahmen des Hinausschiebens des Ruhestands, dass „der Antrag spätestens sechs Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand zu stellen ist“ - diese Formulierung findet sich auch in den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen - um eine Ausschlussfrist handelt. Das Oberverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, dass es sich nicht um eine solche Ausschlussfrist handele (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 28. November 2023, Az. 5 ME 109/23, juris).

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg argumentiert wie folgt: Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die 6-Monats-Frist des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG vorgesehen, „um der Personalverwaltung ausreichend Zeit für die Planung und Entscheidung zu geben“ (BT-Drs. 16/7076, S. 114). Der Personalverwaltung solle also die erforderliche Zeit verschafft werden, den Antrag zu prüfen und insbesondere zu klären, ob ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand im dienstlichen Interesse liege. Der weiteren - auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Köln sowie Kommentarliteratur gestützten - Schlussfolgerung der Vorinstanz, aus dem mit der Fristenregelung beabsichtigten Gesetzeszweck der Planungssicherheit ergebe sich, dass es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist handeln müsse, trete der beschließende Senat jedoch nicht bei. In der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung sowie Kommentarliteratur werde zwar vertreten, bei § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG handle es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist (VG Köln, Beschluss vom 31.8.2022 - 15 L 1318/22 -, juris Rn. 7 bis 11; Brinktrine/Schollendorf, a. a. O., § 53 BBG Rn. 11; ebenso OVG NRW, Beschluss vom 26.5.2009 - 1 B 653/09 -, juris Rn. 12). Eine Begründung für diese Auffassung werde jedoch nicht geliefert und sei auch nicht ersichtlich. 

Vielmehr erfordere das gesetzgeberische Ziel, den bevorstehenden Eintritt in den Ruhestand bzw. das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand für den Dienstherrn planbar zu machen, gerade eine flexible Handhabung des Fristerfordernisses: Nehme man die Normstruktur in den Blick, wonach ein Hinausschieben nur bei Vorliegen eines dienstlichen Interesses in Betracht kommt, wäre durchaus eine Konstellation denkbar, in der ein Beamter in ein bestimmtes Projekt eingebunden ist, dessen Abschluss an sich noch zeitnah vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu erwarten gewesen war, sich nunmehr aber - und zwar erst später als 6 Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand - aus Sicht des Dienstherrn ergebe, dass der Beamte über das Erreichen seiner Altersgrenze hinaus für einen weiteren Zeitraum unentbehrlich ist, um dieses Projekt zum Ende zu führen oder einen Nachfolger angemessen einarbeiten zu können. Wenn sich auch der Beamte einer Weiterbeschäftigung nicht verschließe und dementsprechend einen Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand stelle, wäre dieser im Falle des Vorliegens einer gesetzlichen Ausschlussfrist nicht mehr genehmigungsfähig. Dies liefe der Zielsetzung der Flexibilisierung der Altersgrenze mit Blick auf die Erhaltung einer funktions- und leistungsfähigen Verwaltung zuwider und könne dementsprechend nicht Auslegungsinhalt der Bestimmung des § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG sein.

Nach alledem stünde es mit dem Gesetzeszweck nicht im Einklang, einen Beamten, der nicht spätestens 6 Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand - sondern später - einen Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandseintritts gestellt hat, stets und in jedem Fall ohne sachliche Bescheidung auf den Fristablauf zu verweisen. Da das Fristerfordernis - zumindest ganz überwiegend - im Interesse der Personalverwaltung steht, gebiete die Fristversäumnis daher nicht zwingend die Ablehnung des Antrags.

Vor dem Hintergrund des Ziels der Antragsfrist - nämlich Planungssicherheit für den Dienstherrn zu erreichen bzw. ihm einen hinreichend langen Entscheidungsspielraum mit Blick auf Neubesetzungen zu eröffnen - dürfte es allerdings regelmäßig keinen rechtlichen Bedenken begegnen, wenn die Ablehnung des Hinausschiebens des Eintritts in den Ruhestand auf den Umstand der Fristversäumnis gestützt werde, jedenfalls dann, wenn die Dienststelle schon konkret in ein Verfahren zu Nachbesetzung der Stelle eingetreten sei.
 

Schwerbehinderung, Ersatztermin für Bewerbungsgespräch, 23. November 2023

Ein öffentlicher Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, einem schwerbehinderten Menschen einen Ersatztermin anzubieten, wenn dieser nicht zum Vorstellungsgespräch kommen kann. Voraussetzung dafür ist, dass ein gewichtiger Grund für das Nicht-Erscheinen besteht und die Durchführung des Ersatztermins dem Arbeitgeber zumutbar ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. November 2023, Az. 8 AZR 164/22). 

In dem Fall suchte eine Kommune für ihre Ausländerbehörde "Fallmanager*innen im Aufenthaltsrecht" und beabsichtigte "schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber" gleicher Eignung und Qualifikation bevorzugt einzustellen. Ein Schwerbehinderter sagte das Vorstellungsgespräch wegen Terminkollision ab. Dabei wurde ihm allerdings kein Ersatztermin angeboten, mit der Begründung, dass das Stellenbesetzungsverfahren nicht weiter verzögert werden solle. 

Weil die Behörde nach § 165 S. 3 SGB IX verpflichtet gewesen wäre, ihm einen Alternativtermin anzubieten, verlangte er eine Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz (AGG). Während das Bundesarbeitsgericht den Entschädigungsanspruch aus dem AGG verneinte - es liege insoweit kein Verstoß vor - stellte es aber fest, dass der Schwerbehinderte gegenüber der öffentlichen Arbeitgeberin grundsätzlich einen Anspruch auf das Angebot eines Ersatztermins habe. Denn ansonsten sei das Ziel, im Bewerbungsverfahren die Chancen behinderter Menschen zu verbessern, nicht zu erreichen. 

Dieser Anspruch scheiterte konkret allerdings an der Zumutbarkeit. Das Gericht argumentierte, dass die Behörde eine Vielzahl von Bewerbungsverfahren durchzuführen hatte und ein anderes Vorgehen organisatorisch mit Blick auf die langen internen Bearbeitungszeiten auch nicht möglich gewesen wäre.
 

Anerkennung dienstlicher Gespräche als Dienstunfall?, 21. November 2023

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes entschied, dass es - konkret in dem Fall hinsichtlich der drei in Rede stehenden dienstlichen Gespräche des Klägers mit Vorgesetzten - bereits an einer äußeren Einwirkung im Sinne des Dienstunfallbegriffs (hier konkret des saarländischen Beamtenversorgungsgesetzes, dort § 31 Abs. 1 Satz 1) fehle (Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 21. November 2023, Az. 1 A 8/22, juris). 

Die Argumentation des Gerichts: Die als Reaktion auf die in Rede stehenden Gespräche geschilderte innere Erregung des Klägers in Form eines schockähnlichen Zustandes sei nicht tatbestandsmäßig, sondern betreffe den rein inneren Vorgang der persönlichen Wertung des Geschehenen mit der Folge einer tief empfundenen Kränkung, so dass der nach fachärztlicher Diagnose entstandene seelische Schaden (Verbitterungsstörung bzw. mittelgradige depressive Episode) nicht der Sphäre des Dienstherrn zuzurechnen sei.

Die streitgegenständlichen Unterredungen in dem konkreten Fall hielten sich darüber hinaus, so das Gericht, aus der Sicht eines objektiven Dritten selbst dann noch im Rahmen der sozialen Adäquanz hielten, wenn die vom Kläger als krankheitsauslösend hervorgehobenen (angeblichen) Äußerungen ihm gegenüber tatsächlich so oder ähnlich gefallen sein sollten. 

Im Übrigen gelte: Beruhe eine durch als sozialadäquat zu qualifizierende Gespräche ausgelöste seelische Erkrankung auf einer psychischen Prädisposition, so fehlt es an einer inneren Rechtfertigung, dem Beamten über die auch in diesen Fällen zu gewährenden Beihilfeleistungen hinaus den besonderen Schutz des Dienstunfallfürsorgerechts zu kommen zu lassen.
 

Ermittlung des Inhalts des in einer Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungsprofils, 14. November 2023

Der Inhalt eines in einer Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungsprofils ist durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung zu ermitteln, so das Oberverwaltungsgericht Münster. Es führt damit die zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung fort (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 14. November 2023, Az. 6 B 496/23, juris). 

Anm.: „Auslegung“ bedeutet dabei, dass zunächst der hinter der Erklärung stehende wirkliche Wille des Erklärenden (hier: der Hochschule als Urheberin der Ausschreibung) zu ermitteln ist. Wenn der Erklärungsempfänger (die potentielle Bewerberin oder der potentielle Bewerber) erkennt oder bei Anwendung der ihr bzw. ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können, was der Erklärende mit seiner Erklärung gewollt hat, dann gilt das vom Erklkärenden Gewollte. 

Versetzung in den Ruhestand wegen unwiderlegbar vermuteter Dienstunfähigkeit, Grundsätze zur Dienstunfähigkeit, 14. November 2023

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einige Grundsätze zur Dienstunfähigkeit dargelegt: Dienstunfähigkeit liegt danach und nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG (Bundesbeamtengesetz) vor, wenn der Beamte in dem Vermögen beschränkt ist, seine Dienstpflichten gemessen an den Anforderungen seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen. Diese Einschränkung muss ursächlich auf körperlichen oder gesundheitlichen Ursachen beruhen. 

Mit dem Merkmal "dauernd" trete ein zukunftsbezogenes zeitliches Element hinzu. Die Entscheidung, ob ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden soll, setze somit beim Dienstherrn neben der Feststellung der Leistungsanforderungen des abstrakt-funktionellen Amtes und des tatsächlichen Leistungsvermögens des Beamten (in der Regel medizinischen Sachverstand erfordernde) Erkenntnisse des Dienstherrn über die gegenwärtige körperliche bzw. gesundheitliche Verfassung sowie eine Prognose über die weitere Entwicklung des Leistungsvermögens voraus. 

§ 44 Abs. 1 Satz 2 BBG [Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist] enthalte demgegenüber keinen eigenständigen Begriff der Dienstunfähigkeit. Die an eine bestimmte Dauer krankheitsbedingter Abwesenheit vom Dienst anknüpfende unwiderlegbare Vermutung entlaste den Dienstherrn lediglich von der Feststellung der maßgeblichen Amtsanforderungen, der konkreten gesundheitlichen bzw. körperlichen Leistungseinschränkungen, des gegenwärtigen Leistungsvermögens des Beamten sowie des erforderlichen Kausalzusammenhangs (Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 14. November 2023, Az. 1 A 1385/20, juris). 
 

Weiterhin hat das Gericht entschieden: 

Die Prognose nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG, ob die Dienstfähigkeit innerhalb weiterer sechs Monate nicht wiederhergestellt sein wird, sei dagegen nicht Gegenstand einer Vermutung. Für sie gelten, so das Oberverwaltungsgericht, der Sache nach vielmehr dieselben Anforderungen wie für die Prognose nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG, ob der Beamte "dauernd" dienstunfähig ist.

Bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit sei zudem nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen. Vielmehr seien die Auswirkungen seiner körperlichen Gebrechen oder der Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend.

Nicht erforderlich sei darüber hinaus, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung schlechthin verloren gegangen ist. Vielmehr liege Dienstunfähigkeit bereits dann vor, wenn etwa durch eine Vielzahl in relativkurzen Zeitabständen immer wieder auftretender - sei es gleicher oder zum Teil auch unterschiedlicher - Erkrankungen von längerer Dauer, die auf eine Schwäche der Gesamtkonstitution und eine damit verbundene Anfälligkeit des Beamten schließen lassen, der Dienstbetrieb empfindlich und unzumutbar beeinträchtigt
wird und eine nachhaltige mittelfristig absehbare Besserung nicht zu erwarten ist.

Außerdem: Die Dienstunfähigkeit des Beamten sei zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Von einer Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll dementsprechend nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG abgesehen werden, wenn er anderweitig verwendbar ist. In diesem Zusammenhang: Der Dienstherr sei allerdings von der Suchpflicht entbunden, wenn deren Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann. Das sei dann gegeben, wenn feststehe, dass der Beamte aus gesundheitlichen Gründen nach jeder Betrachtungsweise generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Lage sein wird, Dienst zu leisten, weil ihm überhaupt ein (Rest-) Leistungsvermögen für eine Verwendung im Bereich seines abstrakt-generellen Amtes oder auch eines anderen Amtes fehlt.

Grundsätze für die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung, 30. Oktober 2023

Grundsätzlich muss die Untersuchungsanordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten, so das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Beschluss von Ende Oktober 2023. Die Behörde darf dies demnach nicht dem Arzt bzw. der Ärztin überlassen. Vielmehr müsse sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses der Anordnung nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten oder der Beamtin bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind. Denn nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, könne die betroffene Person auch nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen, so das Oberverwaltungsgericht (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 30. Oktober 2023, Az. 6 B 982/23, juris). 

Auf der anderen Seite dürften, so das Gericht, trotz der strengen Bindung des Dienstherrn an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Anforderungen, die an die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gestellt werden, nicht so hoch sein, dass der Dienstherr sie praktisch nicht mehr erfüllen kann. Denn die dem Dienstherrn (einfach-rechtlich) eingeräumte Befugnis, seine Beamten bei Zweifeln an ihrer Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, diene der - von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten - Gewährleistung der staatlichen Aufgabenerfüllung und damit der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen.

Bewerbungsverfahrensanspruch, 17. Oktober 2023

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat einmal mehr verdeutlicht, dass der der Bewerbungsverfahrensanspruch des bei der Auswahlentscheidung unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG durch die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untergeht, wenn die Ernennung das Auswahlverfahren endgültig abschließt (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 17. Oktober 2023, Az. 5 ME 51/23, juris). 

In dem konkreten Fall ging es um eine angegriffene Beförderungsauswahl. Die vom Oberverwaltungsgericht niedergelten Grundsätze dürften aber auch gelten, wenn es sich nicht um eine Beförderung, sondern um die Auswahlentscheidung hinsichtlich einer Einstellung handelt. Ein solcher Rechtsstreit erledige sich, so das Oberverwaltungsgericht, grundsätzlich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle. Ein unterlegener Bewerber könne seinen Bewerbungsverfahrensanspruch allenfalls durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Höhe des Beihilfebemessungssatzes, 27. September 2023

Das Verwaltungsgericht Kassel hat entschieden: Die maßgebliche Rechtslage richtet sich bei Ansprüchen auf Beihilfe nach der einhelligen Auffassung nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen. Weiterhin: Maßgebend für die Ermittlung des Bemessungssatzes sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung (für den konkreten Fall: § 15 Abs. 1 S. 9 des Hess. Beihilfeverordnung, Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 27. September 2023, Az. 1 K 348/23.KS – so auch in anderen Bundesländern, Anm. des Verf.)

Beamtenrecht: Rechtmäßigkeit einer Umsetzungsverfügung, 15. September 2023

Eine Umsetzung ist regelmäßig in die Bestandteile der Entziehung des zuvor innegehaltenen Dienstpostens (Weg-Umsetzung) und die Zuweisung eines anderen Dienstpostens (Hin-Umsetzung) teilbar, so das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Beschluss vom 15. September 2023 (Az. 6 A 1822/21). Die genannten Bestandteile können danach jeweils aus unterschiedlichen Gründen rechtlich zu beanstanden sein; die Entziehung des zuvor innegehaltenen Dienstpostens kann bestehen bleiben, auch wenn die Zuweisung des anderen Dienstpostens (etwa mangels Amtsangemessenheit der Verwendung) rückgängig zu machen sein sollte. 

Zu der Frage, auf welchem Wege eine Umsetzung rechtlich überprüfbar ist, hat das Oberverwaltungsgericht weiter ausgeführt, dass bei einem in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnis (so war es in dem vorliegenden Fall) ein berechtigtes Interesse für die Fortsetzung einer Klage als Feststellungsklage nur dann bejaht werden kann, wenn insbesondere auf Grund vom Kläger darzulegender konkreter Umstände negative Auswirkungen auf gegenwärtige oder zukünftige Rechtverhältnisse zu erwarten seien. Ein bloß abstraktes Rechtsklärungsinteresse genüge nicht. Dies könne beim Vorliegen einer Wiederholungsgefahr der Fall sein. Dazu ist, so das Oberverwaltungsgericht, nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird; vielmehr müssten darüber hinaus die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein.
 

Anforderungen an eine mündliche Dienstunfallmeldung, 29. August 2023

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat entscheiden, dass die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG (Niedersächsisches Beamtenversorgungsgesetz) kein Formerfordernis (etwa schriftlich oder elektronisch) an die Meldung eines Dienstunfalls stellt, sodass ein Dienstunfall auch mündlich gegenüber dem Dienstvorgesetzten gemeldet werden kann. Wer danach seinem Dienstvorgesetzten zeitnah von einem Unfallgeschehen während des Dienstes erzählt und ihn nach feststehender Diagnose daraufhin hier etwa 6 Wochen nach dem Unfallereignis über die Unfallfolgen in Kenntnis setzt, hat einen Dienstunfall im Sinne des Beamtenversorgungsgesetzes gemeldet (Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 29. August 2023, Az. 7 A 302/19, juris). 

Diese Rechtsprechung dürfte ebenfalls auf solche Bundesländer anwendbar sein, die ebenfalls keine bestimmte Form der Meldung niedergelegt haben (Beispiel Baden-Württemberg), nicht jedoch auf Bundesländer, die explizit im jeweiligen Landesbeamtenversorgungsgesetz eine Form für die Meldung vorgesehen haben (Beispiel Nordrhein-Westfalen). Aus Gründen der Nachweisbarkeit dürfte sich allerdings regelmäßig eine schriftliche Meldung empfehlen. 

Lehre muss eigenständig in Person vor Ort durchgeführt werden, 28. August 2023

Ein (Universitäts-) Professor, der seine Lehrveranstaltung nicht eigenständig in Person vor Ort durchführt und zudem in Zeiten der Pandemie keinen bzw. ungenügenden digitalen Unterricht anbietet, verletzt eine Kernpflicht (vgl. § 34 des Hochschulgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt) und begeht ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen, so das Verwaltungsgericht Magdeburg (Beschluss vom 28. August 2023, Az. 15 B 36/22 MD).

Hinsichtlich des in Rede stehenden Disziplinarverfahrens und des Einbehalts von Dienstbezügen entschied das Gericht, dass nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. nur Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 17. September 2015, 8 B 10/15; juris) für die Berechnung des Einbehaltungssatzes bzw. für die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten und seiner Familie, insbesondere für die Berücksichtigung von Zahlungsverpflichtungen, die Situation im Zeitpunkt des Ergehens der Einbehaltungsverfügung und die dann vorliegenden Unterlagen maßgeblich seien. Bei der Berechnung des Einbehaltungssatzes zum vorläufigen Einbehalt von Teilen der Dienstbezüge komme es indes nicht darauf an, welche Aufwendungen für einen (Universitäts-) Professor standesgemäß sind oder „von ihm erwartet“ werden.

Entlassung eines Professors aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, 18. August 2023

Das Verwaltungsgericht Gießen hat entschieden, dass die Entlassung einer Beamtin oder eines Beamten auf Probe rechtswidrig ist, wenn sie nicht der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht im jeweiligen Einzelfall genügt (Verwaltungsgericht Gießen, Gerichtsbescheid vom 18. August 2023, Az. 10 K 641/22.GI). 

Das Verwaltungsgericht argumentierte im Detail wie folgt: In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE 34, 269 (287) - sei zunächst das personale Fürsorgekriterium in Blick zu nehmen und damit die Person des Entlassenen, hinsichtlich der ein Dienstherr im jeweiligen Einzelfall zu bedenken habe, inwieweit der Entlassene ein besonders qualifizierter Leistungsträger ist. Erwäge man die Trennung von einem entsprechenden Probebeamten, dann müsse im Hinblick auf die bestehende Fürsorgepflicht die Art und Weise der Trennung so abgewickelt werden, dass dem Entlassenen kein unzumutbarer Nachteil erwachse. Der Dienstherr, der sich vom Beamten in einer Lage trenne, die dieser möglicherweise nicht allein verursacht hat, sondern die auch aus in den Verhältnissen liegenden Umständen objektiv unhaltbar geworden ist, habe unter den geschilderten besonderen Umständen die Pflicht, ihm eine Lösung anzubieten (beispielsweise ein anderes Amt oder die Vermittlung einer Anstellung außerhalb des unmittelbaren staatlichen Bereiches), die ihm eine nach Höhe und Sicherheit jedenfalls annähernd vergleichbare Versorgung sichere.

Hinsichtlich des personalen Kriteriums sei in dem konkreten Fall festzustellen, dass die beklagte Hochschule nicht ihrer Pflicht nachgekommen ist, dem Kläger – einem Vater von drei Kindern, der im ausgeschriebenen Gebiet eine 18jährige Berufserfahrung mit „exzellente[n] Industriekontakte[n] zur Automobilbranche“ aufweise und der nach vormaliger beklagtenseitiger Einschätzung sehr gut zum Schwerpunkt „Automotive/Mobilität“ und zur „Digitalisierungsstrategie“ passe und ein „Glücksfall für unsere Hochschule“ mit sehr gutem Auftreten und sehr hoher sozialer Kompetenz sei  – eine Lösung anzubieten, die ihm eine nach Höhe und Sicherheit jedenfalls annähernd vergleichbare Versorgung sichert.

Das zweite – prozedurale – Fürsorgekriterium betreffe die Art des Umgangs mit dem Beamten im Rahmen der Entlassung und das Ausmaß an Risiken einer unsachlichen Verfahrensgestaltung, die sich, so das Gericht, insbesondere aus der Betriebs- und Dienstorganisation ergeben können. Dieses Kriterium sei vorliegend ebenfalls nicht gewahrt. Denn der Kläger habe nicht erfahren, woraus sich in seinem konkreten Einzelfall die Pflicht zur Einführung des vorgenannten Studiengangs ergeben haben soll und was genau er zur Pflichterfüllung hätte tun müssen; er sei insoweit nicht wirksam und rechtlich beachtlich in die Lage versetzt worden, aus seiner Sicht darlegen zu können, dass die Feststellung seiner Nichtbewährung nicht gerechtfertigt ist. Dem Kläger sei während seiner gesamten Tätigkeit und während des gesamten Verfahrens bis zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides keine belastbare normative Grundlage mitgeteilt worden, aus der sich überhaupt seine Pflicht zur Einführung eines Studiengangs „F.“ bis zum Ende seiner Probezeit ergeben soll. Es wurde dem Kläger, so das Verwaltungsgericht, insbesondere nicht mitgeteilt, was genau von ihm hätte geleistet werden müssen, damit eine „Einführung“ oder „Entwicklung“ des Studiengangs „F.“ als gelungen zu bewerten gewesen wäre.

Das Verwaltungsgericht hat dementsprechend den Entlassungsbescheid aufgehoben und die beklagte Hochschule verpflichtete, über die Ernennung des Beamten auf Lebenszeit unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
 

Rückforderung zu viel gezahlter Dienstbezüge, 2. August 2023

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in Bezug auf die Rückforderung zu viel gezahlter Dienstbezüge verdeutlicht, dass nur in besonders begründeten Ausnahmefällen von der Rückforderung zu viel gezahlter Dienstbezüge abgesehen werden kann und ein strenger Maßstab anzulegen ist (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2023, Az. 5 LA 151/21, juris).

Die Billigkeitsentscheidung (in dem Fall nach § 19 Abs. 2 Satz 3 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes, NBesG) hat danach die Aufgabe, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalls Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken.

Unabhängig von solchen Ausnahmefällen gelte im Regelfall, dass dann, wenn die Bereicherung des Beamten aufgrund zu viel gezahlter Bezüge nicht im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 NBesG in Verbindung mit § 818 Abs. 3 BGB weggefallen ist, mithin das rechtgrundlos Erlangte noch im Vermögen des Beamten vorhanden ist, die Billigkeit gerade nicht verlange, von der Rückforderung teilweise abzusehen.

Wichtig ist nach dem Gericht vor allem auch der Passus, der je nach Landesrecht im Sinne der sog. verschärften Haftung nach §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB in den besoldungsrechtlichen Regelungen (Beispielsfall Niedersachsen, dort des § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 NBesG) niedergelegt ist: „Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass die Empfängerin oder der Empfänger ihn hätte erkennen müssen“. Denn danach kann sich ein tatsächlich nicht mehr bereicherter Beamter bzw. eine tatsächlich nicht mehr bereicherte Beamtin nicht mehr auf seine bzw. ihre Entreicherung berufen, so das Gericht.

 

Exmatrikulation nur durch (gesonderten) Verwaltungsakt, 25. Juli 2023

Die Exmatrikulation (in dem Fall nach § 62 des Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg) erfolgt durch Verwaltungsakt. Fehlt es daran, treten nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen die Wirkungen der Exmatrikulation aufgrund eines Verlusts des Prüfungsanspruchs (in dem Fall nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 des Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg) nicht schon allein - d. h. "kraft Gesetzes" - mit Erlass des negativen Prüfungsbescheids ein. Es bedarf hierzu eines gesonderten Verwaltungsakts (Verwaltungsgericht Sigmaringen, Beschluss vom 25. Juli 2023, Az. 8 K 309/23, juris).

Anspruch von beamteten Hochschullehrenden auf ein qualifiziertes Dienstzeugnis, 14. Juli 2023

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass auch beamtete Hochschullehrende einen Anspruch auf Erteilung eines Dienstzeugnisses, welches über die ausgeübten Tätigkeiten und die dabei gezeigten Leistungen Auskunft gibt (sog. qualifiziertes Dienstzeugnis), haben. Die Regelungen des Hessischen Hochschulgesetzes schließen nach Ansicht des Gerichts einen solchen Anspruch nicht aus. Auch die Wissenschaftsfreiheit steht danach dem Anspruch eines beamteten Hochschullehrers auf Erteilung eines (qualifizierten) Dienstzeugnisses nicht entgegen (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Juli 2023, Az. 1 A 764/20.Z).

RVG-Gebühren für Rechtslehrende an Hochschulen?, 12. Juli 2023

In einer anderen Angelegenheit, die vor dem Sozialgericht Hamburg verhandelt wurde, stritten die Beteiligten unter anderem auch um die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren für eine Untätigkeitsklage. Streitig war konkret, ob ein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule nach dem RVG abrechnen kann. Dies hat das Sozialgericht Hamburg nun verneint (Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 12. Juli 2023, Az. S 32 SF 84/22 E D).

Das Sozialgericht argumentierte wie folgt: Das RVG regele seinen Anwendungsbereich in § 1. Danach richtet sich die Vergütung für „anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte nach diesem Gesetz“. Der Prozessbevollmächtigte habe zwar eine anwaltliche Tätigkeit erbracht, sei aber selber nicht als Rechtsanwalt zugelassen. Nach dem Wortlaut sei es jedoch erforderlich, dass es sich um die Tätigkeit eines in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalts handelt.

Unter Berücksichtigung des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes bestehe daher keine Möglichkeit, eine Kostenerstattung eines Hochschullehrers auf Grundlage des RVG zuzulassen. Für eine analoge Anwendung sei ebenfalls kein Raum, weil die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorlägen. Insbesondere isei eine Gesetzeslücke oder Regelungslücke nicht ersichtlich. Es komme schließlich auch nicht darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte eine ordentliche Leistung erbracht oder umfänglich gearbeitet habe. Eine Anlehnung der Vorschriften des RVG sei lediglich auf zugelassene Rechtsanwälte beschränkt.

 

Beamtenrecht: Bewerbungsverfahrensanspruch, 5. Juli 2023

Ehemalige "politische Beamte", die sich im einstweiligen Ruhestand befinden, haben zwar keinen Anspruch auf Rückkehr in ihr früheres Dienstverhältnis, ihnen ist jedoch die Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle und die Teilnahme an einem Bewerbungsverfahren nicht verwehrt, so das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seiner Entscheidung vom 5. Juli 2023 (Az. 5 ME 44/23). 

Grundsätze der Gewährung von Leistungsbezügen, 3. Juli 2023

Das Verwaltungsgericht Greifswald hat Anfang Juli 2023 hinsichtlich der Gewährung von Leistungsbezügen entschieden (Verwaltungsgericht Greifswald, Urteil vom 3. Juli 2023, Az. 6 A 142/22 HGW, juris):

1. Auf die Würdigung einer besonderen Leistung durch die Hochschule als Voraussetzung für die Gewährung besonderer Leistungsbezüge finden dieselben Grundsätze Anwendung, die für die gerichtliche Kontrolle der dienstlichen Beurteilungen von Beamten durch Dienstvorgesetzte gelten.

2. Darüber hinaus muss sich das Verfahren über die Gewährung von Leistungsbezügen aber nicht grundsätzlich an den Anforderungen einer dienstlichen Beurteilung orientieren. Dies folgt bereits daraus, dass die Vergabe von Leistungsbezügen anders als die Erstellung dienstlicher Beurteilungen nicht den strengen Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) unterliegt, insbesondere keine statusberührenden Maßnahmen mit der Stufenvergabe verbunden sind. Leistungsbezüge sind
Vielmehr lediglich Bestandteile der W-Besoldung, die dazu beitragen sollen, Professoren für die Hochschule zu gewinnen oder ihre Abwanderung zu verhindern.

3. Es ist in erster Linie Sache der Beklagten Bewertungsmaßstäbe festzusetzen und dementsprechend auch die Instrumente zur Ermittlung vergleichbarer Leistungen auszuwählen.

4. Bezugsgröße zur Ermittlung einer Vergleichsgruppe für die Leistungsbewertung ist diejenige des Fachbereichs bzw. der Fakultät. Für den vom Gericht entschiedenen Fall ergebe sich dies bereits aus der Hochschul-Leistungsbezügeverordnung Mecklenburg-Vorpommern (§ 2 Abs. 1), wonach Leistungsbezüge auf Antrag des Betroffenen nach Stellungnahme der Fachbereichsleitung oder auf Vorschlag der zuständigen Fachbereichsleitung gewährt werden.

5. Eine sparsame Bewirtschaftung des der jeweiligen Fakultät zugewiesenen Vergaberahmens und auch eine Begrenzung von Leistungsbezügen im Fall des Überschreitens des Vergaberahmens stellt keinen Ermessenfehlgebrauch dar.

 

Lebensalter kein Kriterium für die Bewerberauswahl, 30. Juni 2023

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass erstens der Bewerberauswahl nach Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden dürfen, die einen Leistungsbezug aufweisen. Dieser Grundsatz gelte, so das Gericht, auch für die Besetzung von Professuren. Zweitens hat das Gericht entschieden: Stützt sich eine Berufungskommission für ihre Entscheidung auf ein externes Gutachten, in dem (auch) das Lebensalter der Bewerberin für die Bewertung herangezogen wird, verletzt dies den Bewerbungsverfahrensanspruch des Bewerbers oder der Bewerberin (Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 30. Juni 2023, Az. 5 L 708/22, juris).

Das Lebensalter könne nur dann ein Eignungsmerkmal im Sinne von Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes darstellen, wenn daraus geschlossen werden könne, dass Bewerbende typischerweise den Anforderungen des Amtes nicht mehr genügen, wenn sie ein bestimmtes Lebensalter überschreiten. Dies könne im Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit etwa bei den Einsatzkräften in Militär, Polizeivollzugsdienst und Feuerwehr der Fall sein. Außerhalb der genannten Einsatzberufe stelle das Lebensalter weder ein Eignungsmerkmal noch ein eignungsergänzendes Hilfskriterium dar.

Das Kriterium des Lebensalters müsse im Übrigen nicht ausschlaggebend für die Bewerberauswahl gewesen sein, damit der Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt ist. Eine bloße Mitursächlichkeit genüge. So sei bei einer Stellenbesetzung eine unzulässige Berücksichtigung bereits dann gegeben, wenn in dem Motivbündel, das die Entscheidung des Auswählenden beeinflusst hat, ein in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannter Grund als negatives Kriterium enthalten ist (Hinweis des Gerichts auf BVerfG, Beschluss vom 16. November 1993, Az. 1 BvR 258/86, juris Rn. 49 zu Art. 3 Abs. 3 GG).

 

Rücknahme der Ernennung als Beamter auf Lebenszeit und Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, 29. Juni 2023

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch einmal verdeutlicht, was unter einer arglistigen Täuschung im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung zu verstehen ist. Danach ist unter "arglistiger Täuschung" im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG (Rücknahme der Ernennung) jedes Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde in dem Bewusstsein zu verstehen, diesen durch die Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Konkret sind danach unrichtige Angaben stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 29. Juni 2023, Az. 6 B 294/23), juris).

Zwar bestehe, so das Oberverwaltungsgericht, im Übrigen keine Offenbarungspflicht bezüglich jeglicher Gesundheitsfragen. Allerdings müsse der Bewerber Fragen nach seiner gesundheitlichen Verfassung nach ihrem erkennbaren Sinn richtig und vollständig beantworten. Das Verschweigen von Tatsachen sei dann als eine Täuschung zu werten, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt habe oder der Ernannte ohne Befragung wisse oder in Kauf nehme, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liege nach alledem dann vor, wenn der Täuschende erkenne und in Kauf nehme, dass bei der Ernennungsbehörde durch die Nichtoffenbarung von Tatsachen irrige Vorstellungen über für die Ernennung potentiell erhebliche Umstände entstehen oder aufrechterhalten werden.
Damit bestätigte das Oberverwaltungsgericht nun die die Entscheidung des zuvor damit befassten Verwaltungsgerichts. In dem konkreten Fall hatte die betroffene Person anlässlich der amtsärztlichen Untersuchungen in Dezember 2015 und im Februar 2018 sowohl eine Suchterkrankung als auch eine psychische (depressive) Erkrankung verschwiegen. Und das, obwohl bereits aufgrund der Fragen in den Selbstauskunftsbögen nach Auffassung der Gerichte Anlass bestanden hätte, dazu Angaben zu machen. 

Denn in den ihm anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung vorgelegten Selbstauskunftsbögen sei nach bedeutsamen Erkrankungen gefragt worden. Darunter falle sowohl die verschwiegene Suchterkrankung als auch die seit 2010 bestehende depressive Erkrankung. Zwar seien in dem konkreten Anamnesebogen beispielhaft nur organische und physische Krankheiten genannt. Im ersten Halbsatz werde aber ausdrücklich nach bedeutsamen Krankheiten gefragt. Dass diese sich nicht in den beispielhaft aufgezählten organischen Krankheiten im zweiten Halbsatz erschöpfen, ergebe sich bereits eindeutig, so das Oberverwaltungsgericht, aus der Formulierung „insbesondere“.

Danach ergab sich für den konkreten Fall die Rechtsfolge des § 17 Abs. 2 LBG NRW i.V.m. § 12 BeamtStG. Danach muss die Ernennung innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden, nachdem die dienstvorgesetzte Stelle von der Ernennung und dem Grund der Rücknahme Kenntnis erlangt hat.

Bremer Regelung zur Besoldung von Professoren verfassungswidrig, 22. Juni 2023

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die zum 1. Januar 2013 in Bremen eingeführte Regelung der Besoldung von Professoren verfassungswidrig ist. Daher hat es das anhängige Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Juni 2023, Az. 2 C 4.22). 

Aus der Pressemitteilung des Gerichts:

Anfang 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Besoldung von Professoren der Besoldungsgruppe W2 verfassungswidrig ist. Einige Bundesländer haben sich dazu entschlossen, dieses Defizit durch eine Erhöhung der Grundgehälter dieser Gruppe von Professoren auszugleichen und diese Erhöhung auf die den Professoren zuvor gewährten individuellen Leistungsbezüge anzurechnen. Wie auch die anderen Länder ist das Land Bremen vom zweigliedrigen Vergütungssystem für Professoren bestehend aus festen Grundgehältern einerseits und individuellen Leistungsbezügen andererseits ausgegangen. Es hat aber die Grundgehälter der Professoren nicht erhöht, sondern jedem Professor unabhängig vom individuellen Bestand an Leistungsbezügen durch das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Gesetz Mindestleistungsbezüge in Höhe von 600 €/Monat bewilligt, die unbefristet sind und an den Besoldungsanpassungen teilnehmen. Waren aber dem Professor vor diesem Stichtag bereits individuelle Leistungsbezüge in Höhe von 600 €/Monat gewährt worden, erhöhten sich dessen Leistungsbezüge nicht.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens verfügte am 1. Januar 2013 bereits über individuelle Leistungsbezüge in Höhe von 870 €/Monat, so dass er lediglich von der Entfristung sowie den regelmäßigen Besoldungserhöhungen profitierte. Er beanstandet die gesetzliche Neuregelung des Landes Bremen, weil diese durch die von einer individuellen Leistung unabhängige Bewilligung von Mindestleistungsbezügen den durch seine besonderen individuellen Leistungen begründeten Abstand zu Professoren ohne individuelle Leistungsbezüge beseitige.

Die beiden Vorinstanzen haben die gesetzliche Regelung zur Bewilligung von Mindestleistungsbezügen als verfassungsgemäß angesehen und dementsprechend die Klage abgewiesen, die letztendlich darauf abzielt, dass ihm die Mindestleistungsbezüge zusätzlich zu seinen individuellen Leistungsbezügen gezahlt werden. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte hingegen zu der Auffassung, dass die gesetzlichen Regelungen über die Bewilligung von Mindestleistungsbezügen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar sind.

Wird der Wortlaut der Regelung zugrunde gelegt, so verstößt die Vorschrift gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, dass der Gesetzgeber eine von ihm getroffene Entscheidung auch folgerichtig und widerspruchsfrei umzusetzen hat. Bei dem auch vom Land Bremen zugrunde gelegten zweigliedrigen Modell der Besoldung von Professoren aus Grundgehalt und Leistungsbezügen erfordert die Bewilligung von Leistungsbezügen gerade eine individuelle Leistung, die durch diesen Leistungsbezug honoriert wird. Dagegen ist der vom Gesetzgeber geregelte pauschale Mindestleistungsbezug nicht das Äquivalent einer individuellen Leistung eines Hochschullehrers, sondern der Sache nach die Erhöhung des von der individuellen Leistung unabhängigen Grundgehalts.

Wird die gesetzliche Neuregelung zum 1. Januar 2013 dagegen nach ihrer Wirkung betrachtet, so handelt es sich um die Erhöhung der Grundgehaltssätze unter vollständiger Anrechnung dieser Erhöhung auf bestehende individuelle Leistungsbezüge. Diese mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbarende Auslegung hat zur Folge, dass aufgrund individueller Leistung erworbene Leistungsbezüge in Höhe von 600 €/Monat infolge der Anrechnung vollständig aufgezehrt werden. Zudem führt sie dazu, dass unterschiedliche Gruppen von Hochschullehrern je nach dem Zeitpunkt ihrer Ernennung und der Zubilligung von Leistungsbezügen aufgrund ihrer individuellen Leistung ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt werden.

Vorinstanzen:
OVG Bremen, OVG 2 LB 261/20 - Urteil vom 02. Februar 2022 - 
VG Bremen, VG 6 K 1040/15 - Urteil vom 10. April 2018 -
 

Schleswig-holsteinische Regelung zur Anpassung der Professorenbesoldung verfassungskonform, 22. Juni 2023

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Die mit Wirkung vom 1. Januar 2013 in Schleswig-Holstein eingeführte Regelung des Landesbesoldungsgesetzes, die eine vollständige Verminderung von vor dem Jahr 2013 gewährten Leistungsbezügen durch die im Zuge der Besoldungsreform vorgenommene Grundgehaltserhöhung ermöglicht (Konsumtion), verstößt nicht gegen das Grundgesetz (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Juni 2023, Az. 2 C 11.21 und Az. 2 C 13.21). 

Aus der Pressemitteilung des Gerichts:

Die Kläger sind Professoren (Besoldungsgruppen W 2 und W 3) im schleswig-holsteinischen Landesdienst und beziehen seit langem neben ihrem Grundgehalt Leistungsbezüge. Im Jahr 2012 beanstandete das Bundesverfassungsgericht die Regelung der hessischen W-Besoldung als nicht die Mindestalimentation sichernd und deshalb als verfassungswidrig. In der Folgezeit erließen die Bundesländer unterschiedliche gesetzliche Regelungen, um dem Rechnung zu tragen. Schleswig-Holstein hat im Jahr 2013 die Grundgehälter erhöht und zugleich eine entsprechende Verminderung zuvor gewährter Leistungsbezüge vorgesehen. Die Leistungsbezüge können danach in voller Höhe von der Verminderung betroffen sein.

Die Vorinstanzen haben die gesetzliche Anrechnungsregelung als verfassungsgemäß angesehen und dementsprechend die Klagen abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Die - gegebenenfalls vollständige - Abschmelzung der Leistungsbezüge um die Erhöhung des Grundgehalts verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

Die in Rede stehenden Leistungsbezüge unterfallen als Bestandteile der Professorenbesoldung zwar grundsätzlich dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums). Auch im Geltungsbereich dieser Norm sind Einschränkungen durch Gesetz aber jedenfalls dann möglich, wenn sie aus sachlichen, sich aus dem System der Beamtenbesoldung ergebenden Gründen gerechtfertigt sind. Das ist hier der Fall. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur hessischen Professorenbesoldung bestand für das beklagte Land Anlass, die Professorenbesoldung neu zu strukturieren. Dass in diesem Rahmen die Grundgehälter generell erhöht und zugleich bestehende Leistungszulagen abgeschmolzen worden sind, ist nicht sachwidrig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit bereits für das in den dortigen Fällen allein entscheidungserhebliche teilweise Abschmelzen entschieden. Es gilt ebenso für die gegebenenfalls vollständige Abschmelzung.

Auch der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot sind nicht verletzt.

Entbindung von der Modulverantwortung, 19. Juni 2023

Das Verwaltungsgericht Münster hat u. a. entschieden, dass es sich bei der Bestimmung als Modulverantwortlicher um eine die Lehrfreiheit einschränkende Maßnahme handelt. Daher könne der betroffene Hochschullehrer nicht durch die Ablehnung der Wiedereinräumung der Modulverantwortung in seinen Rechten verletzt sein (Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 19. Juni 2023, Az. 5 K 3102/21).

Entsprechend den im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Dezember 2009 niedergelegten Eckpunkten zur Korrektur der ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studiengängen und der Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung obliege den Modulverantwortlichen die Koordination des Gesamtmoduls (personelle Ressourcen, Modulprüfung, Lehrinhalte und -formen), Pflege und Weiterentwicklung von Modulhandbüchern, Entscheidung über Anerkennungsverfahren von an anderen Hochschulen erbrachten Studienleistungen sowie die Vergabe von Auskünften in Akkreditierungsverfahren.

Die Bestimmung als Modulverantwortlicher sei damit eine die Lehrfreiheit einschränkende Maßnahme, ohne dass dem betroffenen Hochschullehrer hiermit über die verfassungsrechtlich eingeräumte Grundrechtsposition hinaus eine herausgehobene Rechtsposition im Sinne eines „Exklusivrechtes“ bezüglich des Abhaltens von bestimmten Lehrveranstaltungen eingeräumt werde. Das Gericht verwies in dem Zusammenhang auf eine ältere oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 29. Mai 2013 – 3 M 199/13 -, juris). Dementsprechend werde der betroffene Hochschullehrer durch die Entbindung von der Modulverantwortung bzw. der Ablehnung der Wiedereinräumung nicht in seinen Rechten verletzt, so das Verwaltungsgericht.

 

Abwahl einer gewählten, aber noch nicht ernannten Hochschulrektorin, 9. Juni 2023

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Die dienstrechtliche Verleihung des Amtes als Rektor erfolgt erst durch die Ernennung bzw. Bestellung. Die Wahl eines Bewerbers ist somit eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Begründung der rechtlichen Stellung eines Rektors als hauptberufliches Mitglied des Rektorats. Die Bedeutung des Wahlbeschlusses der Hochschulwahlversammlung liegt danach allein in dem Abschluss des Willensbildungsprozesses im Rahmen der den Wissenschaftlern mit Blick auf die Gewährleistung ihrer Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingeräumten Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte bei der Besetzung des Rektorats. Dem Gewählten wird, so das Gericht, durch seine Wahl aber noch kein wehrfähiges Recht verliehen (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 9. Juni 2023, Az. 15 B 609/23, juris). 

In dem konkreten Fall sollte die betreffende Rektorin, die gewählt, aber eben noch nicht ernannt war, direkt wieder abgewählt werden. Daraufhin strengte sie ein gerichtliches Eilverfahren an. Letzten Endes wies das Oberverwaltungsgericht Münster die Beschwerde der designierten Rektorin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Beschluss vom 7. Juni 2023, Az. 9 L 742/23) zurück. Es bestand nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts schon kein Anordnungsgrund (also keine besondere Eilbedürftigkeit). 

Insbesondere sei allein durch die Wahl zur Rektorin durch die Hochschulwahlversammlung im Oktober 2022 kein Anspruch auf Ernennung zur Rektorin gegen das für die Ernennung zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen entstanden, der durch die von der Hochschule geplante Abwahl erlöschen würde. Denn die Bedeutung des Wahlbeschlusses der Hochschulwahlversammlung liege allein in dem Abschluss des Willensbildungsprozesses im Rahmen der den Wissenschaftlern mit Blick auf die Gewährleistung ihrer Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingeräumten Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte bei der Besetzung des Rektorats. Der gewählten Person werde durch die Wahl indes noch kein wehrfähiges Recht verliehen.

Somit begründe die Wahl zum Rektor für den Gewählten keinen Ernennungsanspruch. Der Anspruch entstehe auch nicht durch die anschließende Unterrichtung des Gewählten über seine Wahl und dessen Annahmeerklärung. Beide Erklärungen seien lediglich Vorbereitungshandlungen im Verfahren nach § 18 Abs. 3 Satz 1 HG NRW. Bis zur Ernennung bestehe durch die auf eine entsprechende Ausschreibung abgegebene Bewerbung nur ein Bewerbungsverfahrensanspruch gegen die Hochschule nach beamtenrechtlichen Grundsätzen auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern gemäß Art. 33 Abs. 2 GG.

Auch der mit einer möglicherweise zu Lasten der designierten Rektorin ausgehenden Abwahl verbundene Verlust des Vorschlagsrechts nach § 17 Abs. 1 Satz 4 HG NRW (Wahl der Prorektoren) begründe keinen Anordnungsgrund. Eine besondere Eilbedürftigkeit könne die designierte Rektorin auch nicht auf einen etwaigen Reputationsverlust stützen. Schließlich führe auch ihr Einwand, sie könne derzeit der Funktion als Rektorin der Hochschule nicht nachgehen und auch keinen Einfluss auf Entscheidungen innerhalb der Hochschule ausüben, zu keiner anderen Bewertung.

Beamtenrecht: Disziplinarrechtliche Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge erst nach Rechtskraft einer strafrechtlichen Verurteilung im Ausland, 22. Mai 2023

Es macht Sinn und ist aus Fairnessgründen geboten, die Rechtskraft einer spanischen strafrechtlichen Entscheidung abzuwarten, bis diese einer disziplinarrechtlichen Bewertung in Deutschland zugrundegelegt werden kann (Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 22. Mai 2023, Az. 15 B 27/22 MD, juris).

Die Argumentation des Gerichts unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Grundsätzlich bestehe auch aufrund rechtskräftiger rechtsstaatlicher ausländischer Strafurteile Bindungswirkung für die deutschen Disziplinargerichte nach den disziplinarrechtlichen Normen (§ 57 Abs. 1 BDG; § 54 Abs. 1 DG LSA). Dementsprechend mache es nicht nur Sinn, sondern sei auch aus Fairnessgründen rechtsstaatlich geboten, die spanische strafrechtliche Entscheidung abzuwarten. Denn auch das Disziplinarrecht basiere auf dem Schuldprinzip, sodass die Frage der Schuldfähigkeit auch im Disziplinarrecht von zentraler Bedeutung für das Disziplinarmaß sei.
 

Beamtenrecht, 10. Mai 2023

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat entschieden: Da nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (Beamtenstatusgesetz) das gesamte Verhalten des Beamten erfasst ist, ist die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten wegen der Dienstbezogenheit stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist. Unerheblich ist auch, ob die Überzeugung des Antragstellers Einfluss auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten hatte und dass es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist (Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 10. Mai 2023, Az. 2 B 298/22, juris).

Kein Ausschluss von ehemaligen politischen Beamten, 3. Mai 2023

In dem vom Verwaltungsgericht zu entscheidenden Fall wurde ein ehemaliger Staatssekretär seitens des Niedersächsischen Justizministeriums vom Bewerbungsverfahren um den Posten als Präsident des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes ausgeschlossen, mit der Begründung, er befinde sich im einstweiligen Ruhestand. Die Argumentation: Ein Ruhestandsbeamter sei nicht mit einem sonstigen Stellenbewerber gleichzusetzen. Vielmehr müsse der in den Ruhestand versetzte Beamte zunächst in den aktiven Dienst zurückkehren, um die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG (Zugang zu öffentlichen Ämtern) zu erfüllen. Das Verwaltungsgericht entschied indes im Eilverfahren, dass der ehemalige Staatssekretär dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt wurde (Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 3. Mai 2023, Az. 2 B 2381/23).

Das Verwaltungsgericht argumentierte, dass für die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens nach dem Grundsatz der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG im Ausgangspunkt allein das Anforderungsprofil des Dienstpostens und die Eignung der Bewerber für den Dienstposten maßgeblich sei.  Die Rechtsprechung zum Ausschluss von Bewerbern, die wegen einer Erkrankung dienstunfähig sind, sei gerade nicht auf Beamtinnen und Beamte übertragbar, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden. Denn der aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähige Beamte sei von einer Bewerbung ausgeschlossen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass er im Falle der Übertragung des begehrten Statusamtes dieses werde ausüben können. Gerade dies treffe aber nicht auf einen ehemaligen (und gesunden) politischen Beamten zu, wie hier der Fall.

Weiterhin ergebe sich auch kein Ausschluss daraus, dass die Besoldung der Präsidentin oder des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts unterhalb derjenigen eines Staatssekretärs liege. Der Dienstherr sei zwar nicht befugt, dem Ruhestandsbeamten gegen dessen Willen ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt zu übertragen. Für den Fall, dass sich der Ruhestandsbeamte aber selbst auf ein solches Amt bewerbe, stünden die beamtenrechtlichen Vorschriften dem nicht entgegen.  
 

Abgelehnte finanzielle Abgeltung des von einem Beamten wegen Dienstunfähigkeit nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs und Ruhestandseintritt, 20. April 2023

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Abzugelten ist nur der Urlaubsanspruch, der bei Ruhestandseintritt noch nicht verfallen ist. Dabei ist für die Frage des Verfalls die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des (möglichen) Verfalls maßgeblich. Bei durchgehender Dienstunfähigkeit eines Beamten im Bezugs- und Übertragungszeitraum des in Rede stehenden Urlaubsanspruchs steht nach der Entscheidung auch Art. 7 der RL 2003/88/EG („EU-Arbeitszeitrichtlinie“) dem Verfall des Urlaubsanspruchs nicht entgegen, auch wenn der Dienstherr den Beamten nicht auf den möglichen Verfall hingewiesen hat (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 20.04.2023, 6 A 152/22).

Nach Art. 7 Abs. 1 der EU- Arbeitszeitrichtlinie treffen, so das Gericht, die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Nach Absatz 2 der Vorschrift dürfe der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Diese Bestimmung stehe dem Verfall des Urlaubsanspruchs jedoch nicht entgegen, wenn der betroffene Beamte - wie hier der Kläger - im Bezugs- und Übertragungszeitraum des in Rede stehenden Urlaubsanspruchs durchgehend dienstunfähig war, auch wenn der Dienstherr nicht ihn auf den möglichen Verfall hingewiesen hat. In einer solchen Fallgestaltung fehle es nämlich an der Kausalität der unterbliebenen Information für den Verfall.

Der Obliegenheit des Arbeitgebers bzw. - hier - Dienstherrn, den Arbeitnehmer bzw. Beamten durch transparente Aufklärung tatsächlich in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, komme in dieser Konstellation keine Bedeutung zu. Ihr Sinn und Zweck, es dem Arbeitnehmer bzw. Beamten zu ermöglichen, frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt, und zu verhindern, dass er seinen Urlaubsanspruch verliert, weil er dies in Unkenntnis des möglichen Verfalls nicht tut, könne dabei nicht erreicht werden. War der Arbeitnehmer bzw. Beamte seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeits- bzw. dienstunfähig, seien nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn, sondern allein die Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit für den Verfall des Urlaubs kausal.

 

Fürsorgepflichtverletzung bei Mobbing setzt Gesamtschau der Einzelmaßnahmen voraus, 28. März 2023

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine Beamtin oder ein Beamter einen Anspruch auf Schadenersatz gegen seinen Dienstherrn haben kann, wenn dieser seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren zulässt. Ob dies der Fall ist, könne jedoch nur aufgrund einer Gesamtschau der in Rede stehenden Geschehnisse beurteilt werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. März 2023, Az. 2 C 6.21).

Angelehnt an die Pressemitteilung des Gerichts:

In dem in Rede stehenden Fall stellte der Personalrat der beklagten Behörde eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der klagenden Beamtin u.a. vorgeworfen wurde, sie habe sich "über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in Krankheit geflüchtet“. Die Beamtin sah in diesen und in weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben.

Die auf Schadenersatz gerichtete Klage der Beamtin war vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erfolgreich, wurde in der Berufungsinstanz indes abgewiesen. Auf die Revision der Beamtin hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied: Das Berufungsurteil verstoße deswegen gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgehe. Die Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten Rechtsverletzung liege gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab habe das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbürgermeister der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats vorab bekannt war, unzutreffender Weise und damit fehlerhaft abgelehnt.

 

Nebentätigkeit bei langem krankheitsbedingten Ausfall, 28. Februar 2023

Übt ein Beamter, der seit langer Zeit krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leistet, eine Nebentätigkeit aus und wird dies der Öffentlichkeit bekannt, kann der dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträgliche Eindruck entstehen, der Dienstherr nehme es hin, dass der Beamte seine augenscheinlich doch vorhandene Arbeitskraft nicht für die Verrichtung der ihn regulär treffenden Dienstpflichten, sondern für anderweitige Tätigkeiten aufwendet (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 28. Februar 2023, Az. 6 B 83/23).

Für die Frage, ob die Ausübung einer Nebentätigkeit durch einen erkrankten Beamten dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich ist, kommt es danach auch dann nicht auf die Ursache der Erkrankung des Beamten an, wenn diese in Vorkommnissen auf der Dienststelle begründet liegt. Im Übrigen könne, so das Gericht, auch eine grundsätzlich zulässige und im öffentlichen Interesse stehende Nebentätigkeit wegen der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen (hier gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW) zu untersagen sein, wenn sich dies - etwa in Form einer Abträglichkeit für das Ansehen der öffentlichen Verwaltung (§ 49 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW) - aus den weiteren Umständen des Einzelfalls ergebe (damit zugleich Bestätigung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 11. Dezember 2020, Az. 6 B 1430/20).

Kein Sabbatjahr bei Personalmangel, 28. Februar 2023

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat entschieden, dass in dem Fall, das ohnehin schon personelle Engpässe bestehen, der Dienstherr einen Antrag auf Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung - mit dem Ziel, nach dem Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung eine Freistellung in Form eines Sabbatjahrs in Anspruch zu nehmen (Ansparmodell) - ablehnen kann (Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 28. Februar 2023, Az. 5 K 1182/22.KO).

In dem konkreten Fall wollte die Beamtin ihre Arbeitszeit von ab Mitte 2023 bis Mitte 2026 anzusparen, um ab Mitte 2026 ein Jahr lang freigestellt werden zu können. Dies lehnte die beklagte Behörde unter Hinweis auf entgegenstehende dienstliche Belange ab. Das zuständige Verwaltungsgericht wies die Klage der Beamtin ebenfalls ab. Voraussetzung für die im Ermessen des Dienstherrn stehende Entscheidung zur Bewilligung des Sabbatjahrs sei nach § 75 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Nr. 1 der Arbeitszeitverordnung, dass dem Antrag keine dienstlichen Gründe entgegenstehen. Die Behörde sei, so das Gericht, zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass während der Freistellungsphase der Klägerin mangels Personalersatzes und Möglichkeit interner Vertretung die Beeinträchtigung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes drohe.

Ansprüche eines Ruhestandsbeamten aus einem Dozentenvertrag sind von der Zivilgerichtsbarkeit zu entscheiden, 10. Februar 2023

In dem Fall ging es um Ansprüche eines in den Ruhestand versetzten Hochschullehrers aus einem Dozentenvertrag, den er mit seiner Hochschule geschlossen hatte. Der geschlossene Vertrag über eine freiberufliche Dozententätigkeit des klagenden Hochschullehrers, aus denen dieser seinen Anspruch herleiten möchte, seien, so das Oberverwaltungsgericht Münster, nicht öffentlich-rechtlicher Natur. Es liegt danach in diesem Fall keine öffentlich-rechtliche, sondern eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor, für die der ordentliche Rechtsweg eröffnet sei. Das Gericht verwies die Sache daher an das zuständige Landgericht Köln (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 10. Februar 2023, Az. 6 E 331/22, juris).

Das Oberverwaltungsgericht argumentierte wie folgt: Entgegen der Auffassung des klagenden Hochschullehrers sei der Verwaltungsrechtsweg nicht auf der Grundlage der aufdrängenden Sonderzuweisung des § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) eröffnet. Nach dieser Vorschrift sei zwar für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Um eine Streitigkeit „aus dem Beamtenverhältnis" handele es sich aber hier nicht. Maßgebend sei dafür allein, dass der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage in einem Beamtenverhältnis hat. Das sei hier nicht der Fall. Der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch finde seine Grundlage nicht in dem früheren aktiven Beamtenverhältnis oder jetzigen Ruhestandsbeamtenverhältnis des klagenden Hochschullehrers. Vielmehr mache dieser vertragliche Ansprüche geltend, die er aus den mit der beklagten Hochschule für die Jahre 2018 bis 2020 geschlossenen „Dozentenverträgen" herleite. Damit sei die Zivilgerichtsbarkeit zuständig.

Sperrfrist beim Abwahlverfahren durch Hochschullehrende, 23. Januar 2023

In dem nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschiedenen Fall ging es darum, ob die auf der Grundlage von § 18a des Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg (LHG BW) im März 2022 durchgeführte Abwahl des Rektors einer Hochschule durch die Gruppe der Hochschullehrenden rechtswirksam war. Im Kern ging es um die Frage, ob die Sperrfrist nach § 18a Abs. 6 Satz 4 LHG BW abgelaufen war oder nicht. § 18a Abs. 6 lautet: „Eine Satzung der Hochschule regelt die weiteren Einzelheiten des Verfahrens einschließlich der Briefwahl. Die Zulassung des Abwahlbegehrens, die Abstimmungstage und das Ergebnis der Abstimmung sind jeweils unverzüglich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe einer besonderen Satzung gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1. Ein Abwahlbegehren gegen dasselbe Rektoratsmitglied ist frühestens sechs Monate nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung oder der Nichtzulassung eines Abwahlbegehrens erneut möglich.“  Hier war es so, dass zweimal beschlossen worden war, dass eine Abwahl nicht durchgeführt werden konnte (die ersten beiden Abwahlanträge datierten vom 08.09.2021 und 11.01.2022, u. a. mangels der dafür nach § 18a LHG BW vorgesehenen Satzung). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied nun, dass der konkreten dritten Abwahlentscheidung vom März 2022 die Sperrwirkung des § 18a Abs. 6 Satz 4 LHG BW entgegenstehe. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Sperrfrist nur im Falle einer förmlichen Nichtzulassungsentscheidung beginnen lassen wollte, ließen sich dem Wortlaut nicht entnehmen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Januar 2023, Az. 9 S 2408/22, juris).

Der VGH Baden-Württemberg bestätigte damit die Entscheidung der vorherigen Instanz (Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 27. Oktober 2022, Az. 11 K 3089/22). Der VGH argumentierte:  Gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 LHG könnten die wahlberechtigten Mitglieder der Gruppe der Hochschullehrer das Amt eines Rektoratsmitglieds durch Abwahl vorzeitig beenden, wenn sie das Vertrauen in seine Amtsführung verloren haben. Zur vorzeitigen Beendigung benötige es nach § 18a Abs. 1 Satz 3 LHG BW eines Antrags (Abwahlbegehren), der von mindestens 25 Prozent der wahlberechtigten Mitglieder der Gruppe der Hochschullehrer, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Hochschule angehören, unterzeichnet sein müsse. Ein Abwahlbegehren gegen dasselbe Rektoratsmitglied sei gemäß § 18a Abs. 6 Satz 4 LHG frühestens sechs Monate nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung oder der Nichtzulassung eines Abwahlbegehrens erneut möglich. Diese Sperrfrist sei im Zeitpunkt der im März 2022 durchgeführten Abwahl des Antragstellers noch nicht abgelaufen. Denn der Abwahlausschuss habe die früheren Abwahlbegehren vom 08.09.2021 und vom 11.01.2022 nicht durchgeführt und damit „nicht zugelassen“.

Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Sperrfrist lediglich im Falle einer förmlichen Nichtzulassungsentscheidung beginnen lassen wollte, ließen sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Auch gesetzessystematische und teleologische Erwägungen sprächen, so der VGH, für diese Auslegung. Die Abwahlmöglichkeit sei vor allem auch im Lichte der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Hochschule und eines rechtssicheren Verfahrens zu betrachten. Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass es (lediglich) um einen überschaubaren zeitlichen Aufschub der Abwahlmöglichkeit gehe, könne nicht festgestellt werden, dass diese Auslegung der Bestimmungen über die Sperrwirkung mit einer unzumutbaren Zurücksetzung der grundrechtlichen Belange der Hochschullehrer verbunden sei und damit die tatsächliche Wirksamkeit der Abwahlmöglichkeit dauerhaft und nachhaltig in Frage gestellt werde.

 

Dokumentationspflicht und Bewerbungsverfahrensanspruch, 10. Januar 2023

Das Verwaltungsgericht München (VG München) hat entschieden: Selbst dann, wenn die Hochschule in einem Berufungsverfahren die Dokumentationspflicht verletzt hat, führt dies nicht automatisch dazu, dass auch der Bewerbungsverfahrensanspruch des Konkurrenten als verletzt anzusehen ist. Denn dies sei nur dann der Fall, wenn die Auswahl des Bewerbers in einem erneuten Auswahlverfahren möglich erscheine. Wenn in einem erneuten Auswahlverfahren unter Berücksichtigung der nachgeschobenen Gründe dieselbe Auswahlentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden wäre, ist dieser Fehler für die Auswahlentscheidung nicht kausal, so das Gericht in seinem Beschluss von Januar 2023 (VG München, Beschluss vom 10. Januar 2023, Az. M 5 E 22.5159, juris).

Das VG München argumentierte wie folgt: Die für die Bewerbung des Konkurrenten angegebene Begründung „Bewerber:in kann durch die nachgewiesene Fachkompetenz nur Teilbereiche der vorgesehenen Anforderungen abdecken“ führe zwar keine konkreten Gründe an und stelle sich insbesondere insofern inhaltsleer dar, als dieser Text gleichlautend für 40 weitere Bewerbungen verwendet wurde. Dieser Standardtext könne dem Zweck der Begründung der Auswahlentscheidung – Erkennbarkeit der Gründe für den abgelehnten Bewerber wie auch Selbstkontrolle des Entscheidungsorgans sowie die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung für ein Gericht nicht erfüllen. Aber: Der Bewerbungsverfahrensanspruch des antragstellenden Konkurrenten werde dadurch nicht verletzt. Denn die Hochschule habe in diesem Fall, wie sich aus den nachgeschobenen Auswahlerwägungen ergebe, den Leistungsgrundsatz bei der Bewertung der Bewerbung des Konkurrenten im Vergleich zum beigeladenen Bewerber beachtet. Die Bewerbung des Konkurrenten sei gegenüber der des beigeladenen Bewerbers als offensichtlich chancenlos zu bewerten, da bei einer erneuten Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der nachgeschobenen Begründung eine Auswahl zugunsten des Konkurrenten ausgeschlossen erscheine. Damit sei der Fehler des Nachschiebens von Gründen für die Auswahlentscheidung nicht kausal gewesen.

Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen – Grundsatzentscheidung II, 20. Dezember 2022

In einer weiteren Entscheidung (vgl. auch die erste Grundsatzentscheidung, ebenfalls abrufbar in dieser Rubrik) hat das Bundesarbeitsgericht ausgeurteilt, dass der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten verfällt, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies folge aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19). 

Sachverhalt (die folgenden Ausführungen sind im Wesentlichen der entsprechenden Pressemitteilung des Gerichts entnommen):

Der als schwerbehinderter Mensch anerkannte klagende Arbeitnehmer ist bei der beklagten Flughafengesellschaft beschäftigt. In der Zeit vom 1. Dezember 2014 bis mindestens August 2019 konnte er wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen und deshalb seinen Urlaub nicht nehmen. Mit seiner Klage machte er u. a. Resturlaub aus dem Jahr 2014 geltend. Dieser sei nicht verfallen, weil der Arbeitgeber seinen Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei.

Verfahrensgang: 

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Arbeitnehmers hatte hinsichtlich des Resturlaubs aus dem Jahr 2014 überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers verfiel der im Jahr 2014 nicht genommene Urlaub des Klägers nicht allein aus gesundheitlichen Gründen.

Das Bundesarbeitsgericht argumentiert, dass Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz, kurz BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. 
Besonderheiten bestehen, so das Gericht, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundearbeitsgericht gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist“). Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nun in Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (Az. C-518/20 und C-727/20) jedoch weiterentwickelt. 

Der Urlaubsanspruch verfalle daher weiterhin der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Anders verhalte es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer – wie vorliegend der Kläger – im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet habe, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden sei. In dieser Fallkonstellation setze die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Der für das Jahr 2014 im Umfang von 24 Arbeitstagen noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch konnte danach, so das Gericht, nicht allein deshalb mit Ablauf des 31. März 2016 erlöschen, weil der Kläger nach Eintritt seiner vollen Erwerbsminderung mindestens bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, seinen Urlaub anzutreten. Der Resturlaub bleibe ihm für dieses Jahr vielmehr erhalten, weil der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten bis zum 1. Dezember 2014 nicht erfüllt habe.
 

Verjährung von Urlaubsansprüchen - Grundsatzentscheidung I, 20. Dezember 2022

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Resturlaub nur unter besonderen Bedingungen verjährt, wenn nämlich der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher aufgefordert hat, den Resturlaub zu nehmen, ihm die Möglichkeit dazu eingeräumt und ihn auf die drohende Verjährung ihres Urlaubsanspruchs hingewiesen hat. Hat der Arbeitgeber diese Anforderungen nicht erfüllt, verjährt Resturlaub nicht, eine Auszahlung von altem Resturlaub ist insofern möglich (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 266/20).

Selbstverständlich unterliegt der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub weiterhin der gesetzlichen Verjährung. Was ist also an der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts neu? Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt nach dem Richterspruch des Bundesarbeitsgerichts erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist, kann er sich auf die regelmäßige dreijährige Verjährung (§§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) in diesem Fall nicht berufen.

Sachverhalt: Der beklagte Arbeitgeber beschäftigte die klagende Arbeitnehmerin vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber an die Arbeitnehmerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen rund 3.200,- Euro brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Arbeitgeber nicht nach. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin zunächst vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht. Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, sprach das Landesarbeitsgericht der Klägerin gut 17.000,- Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des beklagten Arbeitgebers, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend. Daraufhin ging der Arbeitgeber in die Revision vor das Bundesarbeitsgericht.

Das Bundesarbeitsgericht ersuchte im Zuge dessen den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 29. September 2020, Az. 9 AZR 266/20 (A), vorab gemäß Art. 267 AEUV über die Frage zu entscheiden, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist gestatte, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch auszuüben. Der EuGH hob in seiner Entscheidung hervor, dass Urlaub nur unter bestimmten Bedingungen verfallen könne. Angestellte befänden sich gegenüber Arbeitgebern ohnehin in der schwächeren Position. Arbeitgeber dürften daher nicht belohnt werden, wenn sie ihre Informationspflichten verletzen oder Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzen, ihren Urlaub tatsächlich zu nehmen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Das Bundesarbeitsgericht musste daher nunmehr unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des EuGH vom 22. September 2022  (Az. C-120/21) über die Revision des Beklagten entscheiden.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Einzelnen:

Die Revision des beklagten Arbeitgebers hatte vor dem Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar fänden, so das Gericht, die Vorschriften über die Verjährung auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB, die das Gericht nun aufgrund der Entscheidung des EuGH vorgenommen hat, aber erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe. Danach beginnt die Verjährung gerade nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres. In dem konkreten Fall hatte der beklagte Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb, so das Bundearbeitsgericht, weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz, kurz BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 BUrlG) noch könne der Arbeitgeber mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt.

Anrechnung einer Vorlesung bei Ausbleiben von Vorlesungsteilnehmern II, 20. Dezember 2022

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg  (VGH Baden-Württemberg) hat hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Lehrveranstaltungen entschieden, dass die inhaltlich, zeitlich und örtlich konkretisierte Dienstpflicht zur Lehre schon erfüllt wird, wenn sich die dienstverpflichtete Hochschullehrerin oder der dienstverpflichtete Hochschullehrer zum richtigen Zeitpunkt am dafür vorgesehenen Ort eingefunden hat und bereit war, zu lehren. Damit hat er die Vorinstanz, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg (VG Freiburg) vom 8. Oktober 2021, Az. 1 K 2327/19, bestätigt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 S 3751/21, juris - Sie finden auch die Entscheidung des VG Freiburg in aufgearbeiteter Form in dieser Rubrik). 

Der VGH argumentiert dabei ähnlich wie das VG Freiburg: Weder § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 des Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg noch die Lehrverpflichtungsverordnung Baden-Württemberg treffen, so der VGH, eine Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen die für das jeweilige Semester zeitlich und inhaltlich durch die zuständigen Hochschulgremien konkretisierte Lehrverpflichtung als erfüllt gilt. In Ermangelung spezieller gesetzlicher bzw. verordnungsrechtlicher Regelungen seien die Voraussetzungen für die Erfüllung einer auf eine bestimmte Vorlesung oder Übung konkretisierten Lehrverpflichtung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Die inhaltlich, zeitlich und örtlich konkretisierte Dienstpflicht zur Lehre werde daher erfüllt, wenn sich die dienstverpflichtete Hochschullehrerin oder der dienstverpflichtete Hochschullehrer zum richtigen Zeitpunkt am dafür vorgesehenen Ort eingefunden hat und bereit war, zu lehren.

Eingriff in die Arbeitszeitanordnung eines Professors an dessen Mitarbeiter durch die Hochschulleitung, 16. November 2022

In dem Fall hatte der Präsident einer Hochschule in Bayern die Anordnung von Überstunden, die ein Professor seinen Mitarbeitern gegenüber ausgesprochen hatte, von seiner Zustimmung abhängig gemacht. Das Gericht sah darin keinen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, weil es bei der Zustimmung ausschließlich darum gehe, die gesetzlichen Reglungen, insbesondere des Arbeitszeitgesetzes, einzuhalten (Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 16. November 2022, Az. AN 2 E 22.02063, juris). 

Konkret ging es um die Anordnung von Überstunden im Zeitraum zwischen 20 Uhr und 6 Uhr sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen. 

Anhaltspunkte dafür, dass der Professor als Lehrstuhlinhaber infolge der Weisung durch die Hochschulleitung seine Kernaufgaben Forschung und Lehre nicht mehr wahrnehmen könnte, bestünden nicht, so das Gericht, daher sei die Wissenschaftsfreiheit nicht verletzt. Selbst wenn man mit den Weisungen des Präsidenten der Hochschule von einem Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Professors ausginge, wäre dieser jedenfalls gerechtfertigt. Denn die streitgegenständlichen Weisungen an den Professor führten lediglich dazu, dass dieser nicht ohne Zustimmung des Präsidenten und vorherige Einbindung des Personalrats Überstunden und Mehrarbeit sowie Forschungstätigkeiten seiner Mitarbeiter im Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen anordnen könne. Die Weisung sei schließlich auch verhältnismäßig, weil es um die Einhaltung verbindlicher arbeitsrechtlicher Regelungen gehe, insofern scheide ein milderes Mittel zur Durchsetzung dieser Regelungen aus. 
 

(Potenzielle) Auftraggeber im Rahmen der Nebentätigkeit müssen nicht einzeln benannt werden, 14. November 2022

Im Rahmen der Nebentätigkeit müssen nicht von vornherein alle einzelnen Auftraggeber namentlich benannt werden, so entschieden vom Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin, Urteil vom 14. November 2022, Az. 26 K 246/22).

Die klagende Hochschullehrerin ist seit gut 20 Jahren als Professorin bei der beklagten Hochschule tätig. Bislang erhielt sie im Falle einer Antragstellung stets eine Nebentätigkeitsgenehmigung seitens der Hochschule. Diese Genehmigungen waren, wie üblich, befristet. Daher stellte sie Anfang 2022 erneut einen Nebentätigkeitsantrag für Wirtschaftsmediation und Business-Coaching. Dieser wurde jedoch seitens der Hochschule abgelehnt. Die Hochschule machte die Genehmigung von der exakten Vorabbenennung der  – potenziellen – Auftraggeber abhängig und verlangte eine genaue namentliche Benennung derselben. Die Verweigerung von Auskünften über die Auftraggeber stehe, so die Hochschule, einer Genehmigung derzeit entgegen. Dagegen erhob die Hochschullehrerin erfolglos Widerspruch, reichte sodann Klage beim Verwaltungsgericht ein. Die Klärung dieser Frage wurde vom hlb  in jeder Hinsicht unterstützt.

Das Verwaltungsgericht argumentierte, dass die klagende Hochschullehrerin wegen § 5 Abs. 1 Satz 1 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung Berlin (HNtVO) und § 62 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes (LBG) die hier in Rede stehende vorherige Genehmigung benötige. Dieser Genehmigung bedürfe sie eben nicht erst, wenn sie für konkrete Auftraggeber als Mediator/Coach tätig werde. Denn zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung gehöre auch die vorbereitende, insbesondere werbende Tätigkeit. Das verdeutliche § 5 Abs. 1 Satz 2 HNtVO, der bereits den Abschluss von Verträgen als ständige Mitarbeiter (und nicht erst die ständige Mitarbeit) der Genehmigungspflicht unterwerfe. Auch § 62 Abs. 1 Satz 2 LBG bekräftige dieses Verständnis, wenn er in der Nr. 1 schon die reine Übernahme eines Nebenamtes für genehmigungsbedürftig erklärt.

Es liege auch kein Versagungsgrund vor: In Bezug auf Art, Inhalt und Umfang der Tätigkeit und die daraus in etwa zu erwartenden Vergütungen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBG) seien die Angaben der Klägerin ausreichend konkret. Die klagende Hochschullehrerin müsse insbesondere nicht jeden ihrer Auftraggeber nennen. Mit der Berufung der beklagten Hochschule auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Juli 1997, Az. 2 A 12987/96, stehe vielmehr gerade fest, dass keine Notwendigkeit dafür bestehe. Denn der dortige Fall weise die Besonderheit auf, dass sich die Tätigkeit als Zwangsverwalter einer Diskothek, in der Polizeikontrollen stattfanden, und die als Kriminalhauptmeister berührten, weil das Interesse des Zwangsverwalters an einer ungestörten Fortführung des Gewerbes mit der polizeilichen Aufgabe, Gefahren abzuwehren und gegen Rechtsverstöße konsequent einzuschreiten, in Widerstreit geraten konnte. 

Die beklagte Hochschule wurde folgerichtig vom Verwaltungsgericht verpflichtet, der klagenden Hochschullehrerin eine befristete Nebentätigkeitsgenehmigung für eine entgeltlich von Berlin aus auszuübende Nebenbeschäftigung als Mediatorin/Coach außerhalb des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 10 Abs. 1 HNtVO im maximalen zeitlichen Umfang ihrer dienstlichen Aufgaben an durchschnittlich einem Arbeitstag in der Woche (§ 7 Abs. 1HNtVO) zu erteilen.

 

Verwaltungsrechtsweg unzulässig, 14. November 2022

In dem Rechtsstreit ging es um das Prüfungsverhältnis zwischen der antragstellenden Studierenden und der Antragsgegnerin, einer privaten Hochschule. Diese Rechtsstreitigkeit sei zivilrechtlicher Natur, so das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin, Beschluss vom 14. November 2022, Az. 12 L 229/22, juris). 

Das Gericht argumentierte, dass das Prüfungsrechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur sei. Die Antragsgegnerin sei nämlich eigenständige Rechtsträgerin der Hochschule Fresenius gemeinnützige GmbH Idstein zur Durchführung der Hochschulangebote innerhalb der Hochschulorganisation der Hochschule Fresenius gemeinnützige GmbH Idstein.

Diesem privatrechtlichen Studien- und Prüfungsbetrieb sei auch der von der Antragstellerin hier geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Begutachtung und Bewertung ihrer Bachelorarbeit zuzurechnen. Innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit sei somit für die hier zu entscheidende Rechtsstreitigkeit das Landgericht Berlin zuständig. Das Gericht verwies den Rechtsstreit daher an das Landgericht Berlin.
 

Beihilfe: Behandlungen müssen nach wissenschaftlich anerkannten Methoden erfolgen, 2. November 2022

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Aufwendungen für medizinische Behandlungen sind nur beihilfefähig, wenn sie nach wissenschaftlich anerkannten Methoden erfolgen. Dabei kommt es auch darauf an, dass die wissenschaftliche Anerkennung bereits zum Zeitpunkt der Behandlung bestand (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02. November 2022, Az. 5 A 1.21).

Eine Behandlungsmethode ist danach wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Ob eine bestimmte Methode zur Behandlung von Krankheiten von der jedenfalls überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft als wirksam und geeignet angesehen wird, betrifft den Bereich der Tatsachen, nicht die rechtliche Würdigung, so das Gericht.

Daneben muss selbstverständlich die medizinische Notwendigkeit gegeben sein. Die medizinische Notwendigkeit als Voraussetzung für die Beihilfegewährung ist ein der gerichtlichen Überprüfung voll zugänglicher, unbestimmter Rechtsbegriff. Aufwendungen in Krankheitsfällen sind danach dem Grunde nach notwendig, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden, der Beseitigung oder dem Ausgleich körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen dient.

 

 

Gewährung von Leistungsbezügen für besondere Leistungen, 25. Oktober 2022

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat in einer Entscheidung aus Oktober 2022 einige wichtige Grundsätze hinsichtlich der Gewährung von besonderen Leistungsbezügen festgehalten (Oberverwaltungsgericht Magdeburg, Urteil vom 25. Oktober 2022, Az. 1 L 97/21, juris).

Hinsichtlich des Zeitpunkts der rechtlichen Beurteilung gilt Folgendes: Bei monatlich begehrten Zulagen – in dem Fall ging es um besondere Leistungsbezüge als laufende monatliche Zahlungen – komme es auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitraum an, für den der Anspruch geltend gemacht wird. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Beamten, deren Festsetzung und gegebenenfalls Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und bei denen infolgedessen eine vorgängige behördliche Prüfung über Grund und Umfang des Anspruchs geboten ist, grundsätzlich nur Bedeutung für die Zeit ab dem Folgemonat hat. Auch bei den vom klagenden Hochschullehrer als monatliche Zulagen in Höhe von 700 Euro beantragten Leistungsbezügen komme es mithin auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitraum an, für den der Anspruch geltend gemacht wird. Dass die Gewährung der (laufenden) besonderen Leistungsbezüge nach dem Landesbesoldungsgesetz Sachsen-Anhalt im Fall des erheblichen Leistungsabfalls für die Zukunft widerrufen werden kann, ändere an diesem zeitlichen Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung nichts.

Die Hochschule darf danach eigene Regelungen treffen: Der Landesverordnungsgeber darf, so das Oberverwaltungsgericht, angesichts der ihm in § 35 Landesbesoldungsgesetz Sachsen-Anhalt übertragenen Rechtssetzungsbefugnisse den Hochschulen einräumen, Regelungen zum Verfahren und zur Vergabe von Leistungsbezügen zu treffen sowie Kriterien zur Leistungsbewertung festzulegen. Die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung, deren wesentliches Element das Satzungsrecht ist, umfasse auch die grundsätzliche Befugnis der Hochschulen, innerhalb der formell-gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Grenzen Leistungsbezügeordnungen zu erlassen, in denen insbesondere das Verfahren und die Bewertungskriterien - unter Berücksichtigung des Profils und der Entwicklungsziele der Hochschule - für die Gewährung von besonderen Leistungsbezügen bestimmt werden. Ebenso vom Satzungsrecht der Hochschulen abgedeckt sei die Regelung der Frage, ob die Gewährung laufender Leistungsbezüge besondere Leistungen in mehr als einem Tätigkeitsbereich erfordert und auch die Festlegung von monatlichen Stufenbeträgen.

Es besteht ein Beurteilungsspielraum der Hochschule: Bei der Feststellung besonderer Leistungen im Verfahren der Vergabe besonderer Leistungsbezüge an Hochschulprofessorinnen und –professoren sei, so das Oberverwaltungsgericht, dem dafür zuständigen Hochschulorgan ein Beurteilungsspielraum zugewiesen. Habe die Hochschule eine Ordnung (Satzung) oder Richtlinien für das Verfahren und die Voraussetzungen der Gewährung von besonderen Leistungsbezügen erlassen, so sei sie (aufgrund des Gleichheitssatzes) an diese Bestimmungen hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe gebunden; das Gericht habe deshalb auch zu kontrollieren, ob jene Regelungen eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und auch mit den sonstigen gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen.

Die konkrete Ordnung der Hochschule verbindet mehrere Tätigkeitsbereiche als Voraussetzung für die Gewährung: Die Hochschule ist nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht gehindert, die Gewährung von besonderen Leistungsbezügen, die als monatliche Zulagen ausgereicht werden, im Rahmen ihres Ermessens davon abhängig zu machen, dass die besonderen Leistungen in mehr als einem Tätigkeitsbereich erbracht werden. Zwar seien im Landesbesoldungsgesetz die dort aufgeführten Tätigkeitsbereiche - anders als in der Aufzählung der Leistungsbezügeverordnung des Landes („und“) - durch die Konjunktion „oder“ verbunden. Daraus folge, dass es der Landesgesetzgeber den Hochschulen zwar ermögliche, besondere Leistungsbezüge bereits dann zu vergeben, wenn lediglich in einem Bereich - etwa in der Forschung - besondere Leistungen festzustellen sind. Der Gesetzgeber verpflichte die Hochschulen in einem solchen Fall aber nicht, einer Professorin oder einem Professor Leistungsbezüge zu gewähren, erst recht nicht in Form laufender monatlicher Zahlungen. Dem Zweck der besonderen Leistungsbezüge, besondere individuelle Leistungen der Professorinnen und Professoren zu honorieren und entsprechende Leistungsanreize zu setzen, werde auch dann entsprochen, wenn die Hochschule verlangt, dass sich die besonderen Leistungen nicht nur auf ein Tätigkeitsfeld beziehen, sondern auf mindestens zwei Tätigkeitsfelder - etwa Forschung und Lehre - erstrecken. Aus diesem Grund sei es auch nicht zu beanstanden, die Gewährung von laufenden besonderen Leistungsbezügen weiter daran zu knüpfen, dass sich die Leistungen in sämtlichen Bereichen nicht in der „bloßen“ Erfüllung der Dienstpflichten erschöpfen. Eine unzumutbare Hürde für die Erlangung besonderer Leistungsbezüge werde durch diese Regelungen nicht errichtet. 

Pauschale Höhe der Leistungsbezüge: Die als monatliche Zulagen gewährten besonderen Leistungsbezüge dürfen nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in „pauschaler“ Höhe nach von der Hochschule gebildeten Leistungsstufen vergeben werden. Auch bei der höhenmäßigen Bemessung der besonderen Leistungsbezüge handele es sich um eine Ermessensentscheidung, die einfachgesetzlich nur an wenige Vorgaben gebunden sei.

Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Prüfungsunfähigkeit, 14. Oktober 2022

Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster bedarf es im ärztlichen Attest genauer Angaben zu den Krankheitssymptomen sowie deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Ein nicht näher ausgeführter Hinweis, der Prüfungskandidat sei prüfungsunfähig, genügt danach nicht den Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Prüfungsunfähigkeit (OVG Münster, Beschluss vom 14. Oktober 2022, Az. 6 B 810/22, juris).

Der das gesamte Prüfungsrecht beherrschende, verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Chancengleichheit mache es, so das OVG, erforderlich, den Rücktritt von einer Prüfung mit der Folge einer Wiederholung der Prüfung nur dann zu gestatten, wenn die Gründe dafür dem Prüfungsamt nachvollziehbar offenbart worden sind und so dem in diesem Zusammenhang nicht selten praktizierten Missbrauch wirksam vorgebeugt werden kann.

Nach dem OVG muss daher ein zur Darlegung der Gründe für eine Prüfungsfähigkeit vorgelegtes ärztliches Attest (ohne dass dies ausdrücklich in der Prüfungsordnung geregelt sein müsste) die Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigung und die Angabe der sich daraus ergebenden Verminderung des Leistungsvermögens in der Prüfung speziell durch die Störung bestimmter körperlicher oder geistiger Funktionen enthalten. Es sei, so das Gericht, darin die Diagnose einer konkreten Krankheit zu stellen und nachvollziehbar darzulegen, auf welcher Grundlage die ärztliche Diagnose gestellt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt, insbesondere inwieweit sie die Leistungsfähigkeit - d. h. an dem oder den in Rede stehenden Prüfungstag(en) – beeinträchtigt.

Diese Voraussetzungen waren nach der Beurteilung des Gerichts in dem konkret zugrunde liegenden Fall nicht erfüllt. Aus den verschiedenen Bescheinigungen ging nach Ansicht des Gerichts nur hervor, dass beim Prüfling ein Abszess am Gesäß ausgeschnitten worden sei. Welche Auswirkungen auf die physische Leistungsfähigkeit des Antragstellers hiervon konkret ausgingen, sei diesem und auch den anderen vorgelegten Schreiben nicht zu entnehmen. Auch der in einer späteren Bescheinigung ärztlicherseits niedergelegten Diagnose „persistierende Restwunde nach einer Wundheilungsstörung“ könne keine für die Bewertung der Frage der Prüfungsfähigkeit an den Prüfungstagen erhebliche Tatsachensubstanz entnommen werden, zumal ärztlich weiterhin nicht belegt worden sei, wann die Wundheilungsstörung eingetreten sei, so das OVG.

Rechtmäßigkeit der Auswahl eines Professors für die Stelle des Rektors einer Hochschule, 22. September 2022

In einem neuen Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz geht es um die Rechtmäßigkeit der Auswahl eines Professors für die Stelle des Rektors einer Hochschule. Im Detail hat sich das Gericht zum konstitutiven Anforderungsprofil, zur Aufstellung des Wahlvorschlags und zu der notwendigen Dokumentation sowie zu dem auch hier geltenden Grundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG verhalten (VG Chemnitz, Beschluss vom 22. September 2022, Az. 3 L 231/22, juris).

Aus den Leitsätzen:

1. Sucht eine Hochschule im Rahmen der Ausschreibung einer Rektorenstelle eine führungsstarke Persönlichkeit mit hoher Sozialkompetenz, die sich einen exzellenten Ruf in Lehre und Forschung erworben hat, stellt sie insoweit kein konstitutives Anforderungsprofil auf. Dasselbe gilt, soweit sie ausschreibt, dass zur Verstetigung und zum Ausbau der internationalen Kooperation verhandlungssicheres Englisch "erwartet" wird.

2. Das statusrechtliche Amt des Rektors einer Hochschule erfordert nach sächsischem Landesrecht nicht zwingend einen "exzellenten Ruf in Lehre und Forschung". Er kann daher im Regelfall auch nicht als zwingende Vorgabe eines Anforderungsprofils bestimmt werden.

3. Der Hochschulrat kann mangels einer Rechtsgrundlage dafür seinen Wahlvorschlag nicht durch eine Wahl im Gremium aufstellen. Die Auswahl der vorzuschlagenden Kandidaten hat im Hochschulrat und Senat streng am Maßstab von Art. 33 Abs. 2 GG zu erfolgen. Für die notwendige Dokumentation der Auswahlentscheidung gelten die zu den beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren entwickelten Grundsätze, insbesondere die schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen.

4. Der Hochschulrat hat bei der Aufstellung des Wahlvorschlages im Benehmen mit dem Senat der Hochschule regelmäßig den durch das Sächsische Hochschulgesetz [Anm.: § 82 Abs. 6 Satz 3] bestimmten Vorschlagsrahmen auszuschöpfen, soweit drei oder mehr Bewerber zur Verfügung stehen, die die zwingenden Voraussetzungen des Anforderungsprofils erfüllen. Ein Ausnahmefall kommt nur in Betracht, wenn am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG gemessen, eine Wahl der ausgeschiedenen Bewerber durch den Erweiterten Senat offensichtlich und evident ausgeschlossen erscheint, was vom Hochschulrat nachvollziehbar zu begründen ist.

Gang zum Supermarkt ist kein Dienstunfall, 8. September 2022

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass, wenn eine Beamtin oder ein Beamter das Dienstgebäude und –gelände verlässt, um sich im Supermarkt mit Essen zu versorgen und dabei im Supermarkt stürzt, es sich dabei nicht um einen Dienstunfall handelt (VG Berlin, Urteil vom 8. September 2022, Az. 26 K 39/22, juris).

In dem Fall ging es um Folgendes: Im Herbst 2021 verließ die Klägerin nach einer Vernehmung ihr Dienstgebäude, in dem sich keine Kantine befand, um sich in einem nahegelegenen Supermarkt etwas zum Mittagessen zu kaufen. In dem Supermarkt rutschte sie auf einer Wasserlache aus und verletzte sich. Auf ihre Dienstunfallanzeige hin wurde der Unfall nicht als Dienstunfall anerkannt, auch nicht nach erfolgtem Widerspruch, weswegen sich nach Klage der Beamtin das erkennende VG Berlin mit der Sache auseinanderzusetzen hatte.

Das VG Berlin ging in seiner Argumentation von der Bestimmung des Berliner LBeamtVG zum Dienstunfall aus. Bestimmungen zum Dienstunfall trifft der dortige § 31 LBeamtVG. Den Grundsatz regelt § 31 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG dahin, dass Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis ist, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Hier ging es um die Anwendung des zweiten Halbsatzes, dessen Vorliegen das VG Berlin konkret jedoch hier verneinte.

Das VG Berlin argumentierte in diesem Zusammenhang, dass die die Klägerin in dem Supermarkt keinen Dienst ausgeübt habe. Insbesondere habe sie sie dort niemand vernommen – in dem Fall handelt es sich um eine Kriminalbeamtin – und sie habe dort auch keine Ermittlungen aufgenommen. Vielmehr befand sie sich, so das VG Berlin, in der Mittagspause und erwarb für sich Lebensmittel zum Verzehr. Das geschah nach Ansicht des Gerichts nicht infolge des Dienstes, auch wenn Arbeit hungrig mache. Denn, so das VG: Hunger trete eben auch ohne Arbeit auf.

Zugegebenermaßen sei zwar der Dienstunfallschutz nicht auf Tätigkeiten beschränkt, die nur im Interesse des Dienstherrn liegen bzw. die kein privates Eigeninteresse des Beamten oder eines Dritten befriedigen. Dann hänge der Dienstunfallschutz aber davon ab, ob sich der Unfall in Diensträumen zutrug. Aber auch diese Überlegung nütze der klagenden Beamtin jedoch nichts, weil der Supermarkt kein Dienstgebäude sei.

Insbesondere sei bei dem Gang zum Supermarkt auch nicht von einem Dienstgang auszugehen. Denn dazu hätte der Weg der Erledigung eines Dienstgeschäfts außerhalb der Dienststätte dienen müssen. Bei dem Lebensmitteleinkauf habe es sich indes nicht um ein Dienstgeschäft gehandelt.

Schließlich stelle der Gang zum Supermarkt auch keinen Wegeunfall im Sinne des § 31 Abs. 2 LBeamtVG dar. Denn die Klägerin sei, so das VG, nicht auf dem Weg von ihrem Wohnort zur Dienststelle oder umgekehrt gewesen.

Anm.: Ähnliche Rechtsprechung findet sich zuhauf: Das VG Ansbach wies beispielsweise die Klage eines Beamten ab, der sich gut drei km von seiner Dienststelle entfernt ein Essen organisieren wollte, da seiner Auffassung nach die Kantine der Dienststelle „nichts tauge“ (VG Ansbach, Urteil vom 23. August 2005, Az. AN 05.01283).

Rückforderung von unbefristeten Berufungs-Leistungsbezügen, 9. August 2022

In dem vom Verwaltungsgericht München (VG München) entschiedenen Fall ging es um die Rückforderung eines unbefristeten Berufungs-Leistungsbezugs. Der Klage der von der Rückforderung durch die Hochschule betroffenen Professorin gab das VG München statt (VG München, Urteil vom 9. August 2022, Az. M 5 K 21.6497, juris).

Die betroffene Professorin wurde als Professorin der Besoldungsstufe W 3 an einer Hochschule in Bayern im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ernannt (zuvor war sie auf sechs Jahre als Beamtin auf Zeit auf einer W 2-Professur für sechs Jahre an der gleichen Hochschule tätig).

Der Professorin wurde seitens der Hochschule ein Angebot für die Berufung in das Beamtenverhältnis der Besoldungsstufe W 3 unterbreitet, das u.a. lautete: „Darüber hinaus erhalten Sie einen Leistungsbezug (in Form eines Berufungs-Leistungsbezugs) in Höhe von 2.400 EUR/Monat. Dieser Leistungsbezug wird unbefristet gewährt.“ Weiter ist in diesem Schreiben unter der Überschrift „VI. Wichtige Hinweise“ aufgeführt: „Bitte beachten Sie, dass die gewährten unbefristeten und befristeten Leistungsbezüge in voller Höhe zurückzuzahlen sind, wenn innerhalb von drei Jahren seit Gewährung ein Wechsel an eine andere Hochschule erfolgt; diese Rückzahlungsverpflichtung besteht auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 Satz 3 der Vergabegrundsätze der Universität“. Dieses Angebot nahm die Professorin an.

Im März 2021 wurde sie auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen und nahm den Ruf an eine andere Hochschule (Hochschule A., außerhalb des Freistaats Bayern) an. Noch in demselben Monat stellte die abgebende Hochschule fest, dass die Professorin verpflichtet sei, die bisher gewährten Berufungsleistungsbezüge zurückzuzahlen. Denn es seien im Zeitpunkt des Ausscheidens weniger als drei Jahre seit ihrer Berufung auf die W 3-Professur vergangen. Das Landesamt für Finanzen werde die Berufungsleistungsbezüge zurückfordern.

Hiergegen erhob die Professorin fristgemäß Widerspruch und dann auch Klage vor dem zuständigen VG München.

Das VG München gab der Klage statt. Der Rückforderungsbescheid und auch der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten die klagende Professorin in ihren Rechten.

Letztlich geht es in der Entscheidung vor allem um § 70 Abs. 3 S. 2 BayBesG. Dort heißt es: „Es kann ferner festgelegt werden, dass die Berufungs- und Bleibe-Leistungsbezüge nach Abs. 2 Satz 1 und 2 zurückzuzahlen sind, wenn der Professor oder die Professorin innerhalb von drei Jahren seit Gewährung dieser Leistungsbezüge an eine andere Hochschule wechselt“.

Das VG argumentierte dabei: Es müsse im Einzelfall geklärt werden, ob den Berufungs-/Bleibe-Leistungsbezügen der Charakter einer Gegenleistung zukomme. Im vorliegenden Fall komme den Berufungs-Leistungsbezügen gerade kein Entgeltcharakter zu: Zwar sei im Vorfeld der Ernennung – im Berufungsangebot – ausdrücklich davon die Rede, dass aufgrund der von der Klägerin bislang gezeigten Leistungen das finanzielle Berufungsangebot unterbreitet werde. Andererseits habe vor der Berufung der Klägerin auf die W 3-Professur auch ein externes Angebot vorgelegen. Damit haben, so das VG München, die Berufungs-Leistungsbezüge eine wesentliche Prägung in dem Sinn erhalten, dass diese nicht ohne weiteres als Gegenleistung für geleistete Dienste anzusehen sein würden, sondern dazu dienen, die Klägerin als Professorin auf eine W 3-Stelle zu gewinnen bzw. an der Hochschule zu halten.

Die Feststellung der Verpflichtung zur Rückzahlung der gesamten an die Klägerin bezahlten unbefristeten Berufungs-Leistungsbezüge im Zeitraum von April 2020 bis März 2021 stelle sich jedoch deshalb als rechtswidrig dar, da jegliche konkrete Auseinandersetzung mit der Frage fehlten, ob die Rückzahlungsverpflichtung der in dem Tätigkeitszeitraum an der Hochschule an die Klägerin gezahlten Berufungs-Leistungsbezüge in vollständiger Höhe verhältnismäßig sein konnte. Weder Art. 70 BayBesG noch § 3 BayHLeistBV oder die Vergabegrundsätze für die Leistungsbezüge enthielten eine Vorgabe zur Klärung der Verhältnismäßigkeit eines Rückzahlungsverlangens der vollen gewährten Leistungsbezüge. Auch der Bescheid der Hochschule aus März 2021 wie auch deren Widerspruchsbescheid aus Ende 2021 setzten sich mit dieser Problematik nicht ansatzweise auseinander.

Dabei dränge sich, so das VG München, gerade die Frage auf, ob und wie der tatsächlich abgeleistete Anteil des Dreijahreszeitraums die volle Rückzahlungspflicht beeinflusst. Denn je länger ein Hochschullehrer bzw. eine Hochschullehrerin an der Hochschule tätig war, desto mehr stelle sich die Frage der Angemessenheit in Bezug auf die Rückforderung der vollen gewährten Berufungs-Leistungsbezüge. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage fehle aber, zumal die Professorin Mittel für Forschungsprojekte eingeworben habe. Auch diesbezüglich fehle die Auseinandersetzung, wie sich das Einwerben von Mitteln auf die Rückzahlungsverpflichtung auswirke.

Da die Klägerin einen Zeitraum von einem Jahr an der Hochschule tätig gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es unverhältnismäßig war, die vollen Berufungs-Leistungsbezüge zurückzufordern, da die Professorin immerhin ein Drittel des von Hochschule bezweckten Zeitraums abgeleistet habe.

Fazit:

Wichtig ist in diesen Fällen der (vermeintlichen) Rückzahlungsverpflichtung, genau hinzuschauen. Die Klägerin hatte im Rahmen ihres Vortrags auf eine ähnliche Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) aus 2017 verwiesen (BayVGH, Urteil vom 18. August 2017, Az. 3 BV 16.132, juris).

Dort ging es um die Frage, ob die beklagte Hochschule die befristet gewährten Berufungs-Leistungsbezüge auf Basis des Art. 70 Abs. 3 S. 2 BayBesG zurückverlangen konnte. Der BayVGH entschied damals: Art. 70 Abs. 3 S. 2 BayBesG auf alle Fälle anzuwenden, in denen ein Professor oder eine Professorin inner- halb von drei Jahren seit Gewährung der Berufungs- Leistungsbezüge an eine andere Hochschule wechselt, sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, weshalb die Vorschrift einer verfassungskonformen Auslegung bedürfe. Jedenfalls dann, wenn Berufungsleistungsbezüge für eine nach Ernennung im Dienstverhältnis erbrachte Leistung gezahlt worden seien, bestehe für eine Rückzahlungspflicht bei einem Verlassen der Hochschule kein Raum.

Auf diese Rechtsprechung hatte sich auch die Klägerin in dem aktuellen Fall aus 2022 berufen. Unterschied zu dem aktuellen Fall war eben aber, dass es sich um befristete Zulagen handelte und diese – im Gegensatz zu dem aktuellen Fall – vor allem aus Leistungsgesichtspunkten gewährt wurden.

Konkurrentenstreitverfahren im Hochschulbereich, 27. Juli 2022

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat einige grundsätzliche Aussagen zum Konkurrentenstreitverfahren im Hochschulbereich getätigt, hier speziell zu den Themen Beurteilungsspielraum, Berufungsliste, Hausberufung und Befangenheit (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juli 2022, Az. 4 S 713/22, juris). 

Der Verfahrensgang gestaltete sich wie folgt: Der Konkurrent hatte zunächst im Eilverfahren das Verwaltungsgericht Karlsruhe bemüht. Das Gericht lehnte jedoch seinen Antrag ab (VG Karlsruhe, Beschluss vom 1. März 2022, Az. 11 K 5029/20). Dagegen erhob der antragstellende Konkurrent Beschwerde beim VGH. Die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers (im Folgenden: Antragsteller bzw. Konkurrent) wies der VGH jedoch ebenfalls zurück.

Im Wesentlichen ging es um folgende Punkte:

1. Einer der zahlreichen Rügen des Antragstellers betraf die Berufungsliste. Der Antragsteller brachte in der Beschwerde vor, dass die Berufungsliste nur zwei statt drei Personen – so, wie es § 48 Abs. 3 S. 6 des Landeshochschulgesetzes Bade-Württemberg (LHG) vorsieht – umfasst habe. Diese sei damit allein schon aus diesem Grund fehlerhaft gewesen.  Der VGH erkannte diesen Einwand indes nicht an, weil der Konkurrent einer der beiden von der Berufungskommission als listenfähig angesehenen Bewerber war. Daher könne der Umstand, dass die Kommission keinen dritten Bewerber gelistet hatte, ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Etwas anderes ergibt sich nach dem VGH insbesondere nicht daraus, dass die beigeladene Erstplatzierte sich infolge der Zweierliste „nur noch gegen einen Bewerber und nicht gegen zwei andere Bewerber durchsetzen“ musste. Denn selbst wenn die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG erfolgt sein sollte, weil es einer „Dreierliste“ bedurft hätte und weil in diesem Fall eine nach Bestenauslesegesichtspunkten erfolgte Auswahlentscheidung mutmaßlich auf den drittgelisteten Bewerber gefallen wäre, könnte dieser Umstand, so das Gericht, unter keinem Blickwinkel eine subjektive Rechtsposition des Antragstellers berühren. Der Bewerbungsverfahrensanspruch sichere allein das Recht eines Bewerbers, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind. Darüber hinaus verleihe sie ihm jedoch keinen Anspruch darauf, die Auswahl eines vermeintlich nicht bestgeeigneten Bewerbers zu verhindern.

2. Weiterhin rügte der Antragsteller, dass in der Berufung der beigeladenen Erstplatzierten eine von § 48 Abs. 2 S. 4-6 LHG untersagte Hausberufung liege, weil sie im Wintersemester 2019/2020 eine Vertretungsprofessur bei der Antragsgegnerin - der Hochschule – wahrgenommen habe. Der VGH argumentierte, dass dieser Einwand bereits aus Rechtsgründen nicht verfange. Selbst wenn man einen Regelungsverstoß unter dem Gesichtspunkt des „Standortvorteils“ grundsätzlich annehmen wollte, sei hier zu berücksichtigen, dass die eingeschränkte Zulässigkeit von Hausberufungen nach § 48 Abs. 2 Satz 6 LHG lediglich aktuelle Mitglieder der Hochschule erfasse. Professurvertreter/innen, deren Tätigkeit auf höchstens sechs Monate angelegt ist, seien jedoch, wie sich aus dem Umkehrschluss in § 9 Abs. 1 Satz 4 LHG ergebe, keine Mitglieder der Hochschule, sondern allein deren Angehörige.

3. Weiterhin erhob der antragstellende Konkurrent einen Einwand gegen die Zusammensetzung der Berufungskommission, weil Kommissionsmitglieder aus seiner Sicht nicht hinreichend qualifiziert gewesen sein. Dieser Einwand genügte dem VGH jedoch per se nicht, um die ordnungsgemäße Besetzung der Berufungskommission substantiiert in Zweifel zu ziehen.

4. Auch das Argument der Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich einiger Mitglieder Berufungskommission verfange nicht. Konkret ging es dem Konkurrenten darum, dass eine andere Mitbewerberin sich beim - nicht stimmberechtigten, aber beratend tätigen - Kommissionsmitglied Prof. Dr. P. habilitiert hatte. Das Verwaltungsgericht hatte in seiner Entscheidung insoweit ausgeführt, dass eine beratende Mitarbeit von Prof. Dr. P. in der Berufungskommission den Konkurrenten bereits deshalb nicht in eigenen Rechten verletzt haben könne, weil die Mitbewerberin, aufgrund derer die Berufungskommission von einer Besorgnis der Befangenheit ausgegangen sei, bereits in der Sitzung vom 19.06.2019 der Kategorie C zugeordnet worden und
damit aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschieden sei, womit der Grund für die Besorgnis der Befangenheit von Prof. Dr. P. entfallen sei. Dieser Einschätzung stimmte der VGH in seiner Entscheidung ausdrücklich zu.

5. Schließlich sei auch kein Überschreiten des Beurteilungsspielraums anzunehmen. Unter anderem hatte der Konkurrent vorgebracht, dass es eine Diskriminierung darstelle, wenn die Beigeladene als französische Muttersprachlerin besser bewertet werde als der Konkurrent, zumal die Eigenschaft als Muttersprachler nicht in den Ausschreibungstext aufgenommen worden sei. Dass die Hochschule maßgeblich hierauf abstelle, stelle eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums dar. Bereits das VG Karlsruhe hatte dazu entschieden, dass keine Diskriminierung vorliege, weil Herkunft im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG die soziale und nicht die örtliche Herkunft meine. Die Bewertung der Sprachkompetenz der Bewerber - um eine solche handele es sich bei der Bezeichnung der Beigeladenen als „Muttersprachlerin“ - sei ein zulässiges Auswahlkriterium für die ausgeschriebene Professur. Dem stimmte der VGH in seiner Entscheidung zu und hob ergänzend auf Folgendes ab: In dem Fall, dass mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, bedürfe es im Gegenteil naturgemäß weiterer Differenzierungskriterien, um zwischen ihnen eine Auswahlentscheidung treffen zu können. Die Erfüllung der (Mindest-)Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle besage zwar, dass die Bewerber für diese Stelle grundsätzlich geeignet sind, mitnichten aber, dass alle Bewerber hierfür auch gleich geeignet wären. Daher erlangten in diesem Fall , so der VGH, Abstufungen in der Qualifikation anhand leistungsbezogener Kriterien Bedeutung und verwies dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (etwa BVerwG, Urteil vom 16. August 2001, Az. 2 A 3.00 -, juris Rn. 32). Angesichts dessen begegne es auch nach Auffassung des VGH keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Antragsgegnerin die Güte der Sprachkenntnisse, die sich in der Eigenschaft als Muttersprachler ausdrücken kann, als ein im Rahmen der Auswahlentscheidung relevantes Kriterium für die Besetzung eines Lehrstuhls für Romanistik und ihre Didaktik angesehen hat.

 

 

Abgelehnte Gewährung von Beihilfe für stationäre Behandlung in einer privaten Fachklinik, 8. Juli 2022

In dem in zweiter Instanz von dem Oberverwaltungsgericht Münster zu entscheidenden Fall ging es um die Ablehnung der Gewährung von Beihilfe einer Krankenhausbehandlung, und zwar in einer privaten Fachklinik (hier soziale Phobieen sowie Angststörungen und Depressionen). Zuvor hatte bereits das örtlich zuständige Verwaltungsgericht die Klage des Beihilfeberechtigten abgewiesen.

Folgende Leitlinien hält das OVG im Rahmen seiner Entscheidung fest:

Hinsichtlich der Behandlung in einer privaten Fachklink gebiete es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht, einer Beamtin oder einem Beamten als Krankenhausversorgung mehr zu gewährleisten als das, was nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung als medizinisch gebotene Behandlung garantiert werde. Daraus folge, dass nicht in jedem Fall die Kosten der unter medizinischen Gesichtspunkten „besten“ Behandlungsmethode von der Beihilfe voll erstattet werden müssten. Die Gleichwertigkeit der medizinisch notwendigen Therapie reiche insoweit aus.

Die begehrte Beihilfe (für die übersteigenden Kosten der Privatklinik im Vergleich zum Universitätsklinikum) sei gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn abzulehnen, jedenfalls dann, wenn kein medizinischer Notfall anzunehmen ist. Dieser sei nur dann anzunehmen, wenn sich ein akuter, lebensbedrohlicher klinischer Zustand durch Störung der Vitalfunktion einstelle oder die Gefahr plötzlich eintretender, irreversibler Organschädigung infolge Trauma, akuter Erkrankung oder Intoxikation bestehe. Ein Notfall stelle daher ein akutes, unvorhersehbares, unerwartet auftretendes Ereignis, das aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten notwendig macht. Dies sei in dem konkreten Fall mangels erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung nicht anzunehmen gewesen (OVG Münster, Beschluss vom 8. Juli 2022, Az. 1 A 3849/19).

Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden einer Berufungskommission, 10. Juni 2022

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entschieden, dass es für die Frage, ob in einem Verstoß der Berufungskommission gegen hochschulinterne Richtlinien betreffend den Umgang mit möglichen Befangenheiten ihrer Mitglieder im Rahmen eines Berufungsverfahrens ein die Rechtswidrigkeit der Berufungsentscheidung herbeiführender Verfahrensfehler liegt, darauf ankommt, ob eine begründete Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf das betreffende Mitglied tatsächlich besteht (OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Juni 2022, Az. 5 ME 4/22, juris).

In der ersten Instanz hatte der Antragsteller (der Konkurrent) beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hatte der Antragsgegnerin (d.h. der Hochschule) daraufhin mit Beschluss aus Dezember 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die in Rede stehende Professur endgültig zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers erneut bestandskräftig entschieden wurde.

Nach Beschwerde durch die Hochschule hatte in zweiter Instanz nun das OVG Lüneburg zu entscheiden. Hinsichtlich der Frage der Befangenheit argumentierte das OVG wie folgt: Die Frage, ob Mitglieder der Berufungskommission einer Hochschule an der Mitwirkung in diesem Gremium gehindert sind, richte sich letzten Endes nach den Regelungen der §§ 20, 21 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und nach den Regeln, welche sich die Hochschule in dem konkreten Fall selbst auferlegt hat. An diese sei die Berufungskommission gebunden ist [Anm.: Verweis auf OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.6.2021, Az. 5 ME 50/21, juris Rn. 30].

Ausschussmitglieder könnten daher in Anwendung des § 21 Abs. 1, Abs. 2, § 20 Abs. 4 VwVfG (Besorgnis der Befangenheit) durch eine gesonderte Entscheidung von der Mitwirkung ausgeschlossen werden, wenn ein Grund vorliege, der geeignet sei, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit liege wiederum dann vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen nach den Gesamtumständen aus der Sicht eines vernünftigen Beteiligten des Verfahrens die Besorgnis nicht auszuschließen sei, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden.

In dem konkreten Fall lag nach Feststellung des vorerkennenden Verwaltungsgerichts, die vom OVG insofern bestätigt wurde, ein Verstoß gegen die in Rede stehende Handreichung der Hochschule zum Thema Befangenheit vor. Denn die Vorsitzende der Berufungskommission gehörte während des Berufungsverfahrens ebenso wie die Beigeladene (d.h. die Person, die im Berufungsverfahren zunächst zum Zuge gekommen war) einem bestimmten Institut der Hochschule an und leitete das Institut zwischenzeitlich sogar als Direktorin. Dementsprechend wäre sie, so das OVG, verpflichtet gewesen, diesen Umstand anzuzeigen.

Entgegen der Annahme des folge die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung jedoch nicht bereits allein aus dem Verstoß gegen die Handreichung, denn nicht jede Verletzung der Offenbarungspflicht stelle ohne Weiteres zugleich einen selbstständigen weiteren Befangenheitsgrund dar. Die relativen Ausschlussgründe des § 21 VwVfG unterschieden sich nämlich, so das OVG, von den absoluten Ausschlussgründen des § 20 VwVfG dadurch, dass das Mitwirkungsverbot nicht schon kraft Gesetzes eintrete, sondern es hierfür zunächst einer konstitutiven Entscheidung des Behördenleiters bzw. Ausschusses bedürfe. Sobald ein Ausschuss - hier die Berufungskommission - Kenntnis von objektiven Umständen erhalte, die potentiell geeignet erscheinen, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, habe er über die Frage eines Ausschlusses des Betroffenen zu beraten und zu entscheiden. Im Rahmen dessen habe er zu prüfen, ob die Besorgnis der Befangenheit tatsächlich begründet ist.

Diese Entscheidung sei gerichtlich voll überprüfbar; ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestehe insoweit nicht. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens und der getroffenen Endentscheidung hänge somit letztlich nicht von  dem Beschluss des Ausschusses ab, sondern davon, ob tatsächlich eine (begründete) Besorgnis der Befangenheit bestand. Eine tatsächliche Befangenheit sei hierfür nicht erforderlich. Es genüge bereits der „böse Schein“.

Dies sei etwa gegeben bei einer besonderen persönlichen Beziehung ergeben; Bekanntschaft, berufliche oder fachliche Zusammenarbeit oder auch ein kollegiales Verhältnis reichten als solche indes nicht aus, um die Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Dementsprechend könne etwa allein die Zugehörigkeit zu ein und derselben Dienststelle die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Auch gelegentliche private Kontakte seien insoweit unschädlich. In diesem Sinne gelte für akademische Berufungsverfahren, dass nicht jede Form von wissenschaftlicher Zusammenarbeit oder jede (frühere) berufliche oder akademische Verbundenheit eines Mitglieds der Berufungskommission mit einem Bewerber gleichsam automatisch die Annahme der Befangenheit begründet, weil ein gewisser wissenschaftlicher oder beruflicher Kontakt im wissenschaftlichen und universitären Bereich üblich sei. Etwas anderes könne aber dann gelten, wenn sich aus dem beruflichen bzw. fachlichen Zusammenwirken eine besondere kollegiale Nähe, ein besonderes kollegiales Näheverhältnis entwickelt habe.

Maskenpflicht in der Hochschule II, 16. Mai 2022

In dem soeben geschilderten Fall – in dem das Verwaltungsgericht Gießen am 2. Mai 2022 die Maskenpflicht einer Hessischen Hochschule mangels geeigneter Rechtsgrundlage für rechtswidrig erklärte – erließ die Hochschule in der Folgezeit nach der ersten Entscheidung des Verwaltungsgerichts zügig eine neue Maskenpflicht, dieses Mal auf Grundlage des Hausrechts der Hochschule. Diese Rechtsgrundlage reicht dem Verwaltungsgericht in einer neuerlichen Entscheidung ausdrücklich aus (VG Gießen, Beschluss vom 16. Mai 2022, Az. 3 L 998/22.GI).

Gegen die neuerliche Maskenpflicht klagte eine Studierende im Wege des Eilrechtsschutzes. Sie fühlte sich in ihren Grundrechten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, körperliche Unversehrtheit und Unverletzlichkeit der Freiheit der Person verletzt.

Das Verwaltungsgericht lehnte jedoch den Antrag der Studierenden ab. Denn das Hausrecht des Präsidenten der Hochschule sei im Hochschulgesetz vorgesehen und verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Damit liege eine gesetzlich verankerte Grundlage für den Erlass einer Maskenpflicht vor. Außerdem sei die Maskenpflicht befristet ausgestaltet und enthalte auch Ausnahmen. So müsse beispielsweise auf Sitzplätzen, die den Mindestabstand wahren, keine Maske getragen werden, weshalb die Regelung auch als verhältnismäßig zu erachten sei.

Pflicht zur Nutzung eines De-Mail-Kontos auch für Hochschullehrer als Verteidiger, 11. Mai 2022

Nach mehreren Entscheidungen des Kammergerichts Berlin gilt die besondere Formvorschrift des § 32d StPO (Strafprozessordnung) für Verteidiger und Rechtsanwälte auch für Hochschulprofessoren, die Verteidiger sind (Kammergericht Berlin, Beschlüsse vom 11. Mai 2022, Az. 3 Ws (B) 88/22, 162 Ss 47/22 und vom 25. März 2022, Az. 3 Ws (B) 71/22, 162 Ss 38/22). Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, die als Verteidiger auftreten, sollten sich daher um die Anschaffung eines entsprechenden De-Mail-Kontos kümmern. 

In § 32 StPO heißt es u. a.: „Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln.“ 

Die Argumentation des Kammergerichts hierzu: Der eindeutige Wortlaut von § 32d StPO sehe die entsprechende Verpflichtung gerade nicht nur für Rechtsanwälte, sondern für „Verteidiger und Rechtsanwälte“ vor. Zu Verteidigern könnten nach § 138 Abs. 1 StPO Rechtsanwälte sowie die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen im Sinne des Hochschulrahmengesetztes mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden. Rechtslehrer an Hochschulen seien wiederum als ordentliche und außerordentliche – auch emeritierte – Professoren, Privatdozenten und Lehrbeauftragte, welche die Befähigung haben, ein Rechtsgebiet an einer deutschen Universität oder gleichrangigen Hochschule selbständig zu lehren, zu charakterisieren. 

Raum für eine teleologische Reduktion von § 32d Satz 1 StPO, durch die Verteidiger, die nicht Rechtsanwälte sind, vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen werden, bestehe nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser Personenkreis von der Norm nicht erfasst werden sollte. In der Gesetzesbegründung werde zudem deutlich gemacht, dass dieses besondere Formerfordernis nicht für Beschuldigte, nicht vertretene Nebenkläger und sonstige Verfahrensbeteiligte gelten soll. Ausgenommen werden sollte also, so das Gericht, vor allem der „einfache“ Bürger in seinem Kontakt mit der Strafjustiz, dessen Zugang nicht erschwert werden sollte. Daraus könne im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die am Verfahren beteiligten Beistände von Beschuldigten und Nebenklägern vollständig erfasst werden sollten. 

Dafür spreche schließlich auch der Sinn und Zweck der Norm, denn eine elektronische Aktenführung könne nur dann die damit verbundenen Vorteile voll umfänglich entfalten, wenn möglichst alle Prozessbeteiligten ihre Beiträge systemgerecht einreichen. Folglich sollte, so das Kammergericht, der davon ausgenommene Personenkreis möglichst klein bleiben. Soweit der konkret betroffene Verteidiger meine, für ihn könne die Vorschrift nicht gelten, da er als Hochschullehrer kein besonderes elektronisches Anwaltspostfach erhalten könne, führe dies zu keiner anderen Bewertung. Denn nach § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 StPO stehe als möglicher sicherer Übermittlungsweg im Sinne von § 32a StPO der Versand mittels eines De-Mail-Kontos jedem offen.

 

Maskenpflicht in der Hochschule I, 2. Mai 2022

An einer Hochschule in Hessen galt seit April 2022 eine Allgemeinverfügung, nach der in Gebäuden der Hochschule Maskenpflicht vorgeschrieben war. Die Hochschule stützte die Maskenpflicht u. a. auf die Unfallsverhütungsvorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB VII). Ein Studierender klagte gegen die Regelung und bekam im Eilverfahren Recht. (VG Gießen, Beschluss vom 2. Mai 2022, Az. 3 L 793/22.GI).

Das Verwaltungsgericht erklärte die Maskenpflicht der Hochschule deswegen für rechtswidrig, weil eine geeignete Rechtsgrundlage fehle. Die Hochschule stützte ihre Allgemeinverfügung auf Normen des Infektionsschutzgesetzes sowie des 7. Sozialgesetzbuches (SGB VII), dabei insbesondere auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VII. Das Verwaltungsgericht argumentierte, dass diese Norm Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsverfahren beinhalte und daher nur den Unfallversicherungsträger berechtige. Dieser stelle im Verhältnis zu den Studierenden aber die Unfallkasse Hessen dar und nicht die Hochschule selbst.

Auch die Normen des Infektionsschutzgesetzes stellten keine taugliche Rechtsgrundlage dar, weil dort eine Beschränkung der Maskenpflicht auf bestimmte Bereiche vorgesehen sei, zu denen die Gebäude der Hochschule gerade nicht zählten.

Ausdrückich offen ließ indes das Gericht, ob die Hochschule die Maskenpflicht auf das Hausrecht des Präsidenten der Hochschule hätte stützen können.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Entlassung einer Professorin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mangels Bewährung, 22. April 2022

In einem Verfahren in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof München, in dem es um die Entlassung einer Professorin im Beamtenverhältnis auf Probe mangels charakterlicher Eignung ging, hat das Gericht hervorgehoben, dass die Beurteilung, ob sich die Beamtin oder der Beamte auf Probe bewährt hat, in der prognostischen Einschätzung besteht, ob sie oder er den Anforderungen, die mit der Wahrnehmung der Ämter seiner Laufbahn verbunden sind, voraussichtlich gerecht wird.

Die Rechtsgrundlage für die Entlassung der in Rede stehenden Professorin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe stelle § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG dar. Danach könne eine Beamtin oder ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat. Der Entlassungstatbestand steht, so das Geicht, im Zusammenhang mit § 10 Satz 1 BeamtStG, wonach in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nur berufen werden darf, wer sich in der Probezeit hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat. Stehe die fehlende Bewährung fest, sei die Beamtin oder der Beamte zu entlassen. Mangelnde Bewährung liege dabei bereits dann vor, wenn begründete Zweifel bestünden, dass die Beamtin oder der Beamte diese Anforderungen erfüllen kann (VGH München, Beschluss vom 22. April 2022, Az. 3 CS 21.3245).

Studierender darf Klausur nach Täuschung nicht wiederholen, 12. April 2022

Ein Studierender, der einen Täuschungsversuch unternommen hat, hat keinen Anspruch auf die Wiederholung einer Klausur aus der aufgrund der COVID-19-Pandemie eingeführten Sonderregelung zur Wiederholung nicht bestandener Prüfungen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden und die Klage des Studierenden abgewiesen (VG Berlin, Urteil vom 12. April 2022, Az. VG 3 K 489/20)

Der klagende Studierende hatte eine bestimmte Prüfung zwei Mal nicht bestanden, war dann schließlich im letzten vorgesehenen Prüfungsversuch. Nach Angaben des Gerichts  bearbeitete er in diesem Prüfungsversuch eine Aufgabe mit identischen Fehlern wie ein weiterer Prüfling, dessen Verfahren ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht anhängig ist. Die Berliner Hochschule stellte einen Täuschungsversuch fest, bewertete die Prüfungsleistung als „nicht bestanden“ und exmatrikulierte den klagenden Studierenden. Hiergegen wandte sich der Studierende mit seiner Klage.

Das Verwaltungsgericht wies jedoch die Klage ab. Die Täuschung über die Eigenständigkeit der Bearbeitung durch den Studierenden sei als erwiesen anzusehen. Die Bewertung der Prüfung als „nicht bestanden“ sei nicht zu beanstanden. Dem Studierenden komme auch nicht die Regelung des § 126b Abs. 1 des Berliner Hochschulgesetzes zugute. Dort heißt es: „Prüfungen, die im Sommersemester 2020, im Wintersemester 2020/2021, im Sommersemester 2021 oder im Wintersemester 2021/2022 abgelegt und nichtbestanden werden, gelten als nicht unternommen“. Das Gericht argumentierte in diesem Zusammenhang wie folgt: Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber, wie die Entstehungsgeschichte zeige, lediglich solche Nachteile der Studierenden kompensieren wollen, die diese durch die pandemiebedingten Einschränkungen des Hochschulbetriebs erlitten hätten. An einem solchen Zweckzusammenhang fehle es bei Täuschungsversuchen.

Klageerzwingungsantrag im Strafprozessrecht, 29. März 2022

Ein Hochschullehrer, der nicht zugleich Rechtsanwalt ist, ist gemäß § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 StPO (Strafprozessordnung) zur Stellung eines Klageerzwingungsantrages nicht befugt (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29. März 2022, Az. 1 Ws 36/22, juris).

Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 StPO müsse, so das Gericht, der Antrag von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Im vorliegenden Fall stamme der Antrag indes von einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit der Befähigung zum Richteramt. Der Rechtslehrer stehe jedoch nicht generell einem Rechtsanwalt gleich. § 138 Abs. 1 StPO bestimme lediglich, dass Rechtslehrer zu Verteidigern gewählt werden können. Der Verfahrensvertreter des Antragstellers im Klageerzwingungsverfahren sei jedoch kein Verteidiger. Der Auffassung, dass der genannten Vorschrift der Rechtsgedanke zu entnehmen sei, der Rechtslehrer stehe in der Strafprozessordnung generell dem Rechtsanwalt gleich, schließe sich der Senat nicht an.

Doktoranden haben Anspruch auf Rückzahlung von Vergütung für Promotionsbetreuung, 22. Februar 2022

In den den Urteilen des Oberlandesgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Fällen hatte ein außerplanmäßiger Professor einer baden-württembergischen Hochschule seinen zwei Doktoranden über die Event-Agentur seiner Ehefrau jeweils Rechnungen für die Betreuung der nebenberuflichen Promotionen gestellt. Dies war Gegenstand verschiedener Strafverfahren, in denen der beklagte Professor rechtskräftig wegen Vorteilsannahme, der klagende Zahnarzt (Doktorand) - noch nicht rechtskräftig - wegen Vorteilsgewährung und die klagende Doktorandin - ebenfalls noch nicht rechtskräftig - wegen Bestechung verurteilt wurden. Hier ging es nun um zivilrechtliche Ansprüche. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte den Professor und seine Ehefrau zur Rückzahlung von Vergütungen für die Promotionsbetreuung in Höhe von jeweils rund 18.000,- Euro an die klagenden Doktoranden (OLG Stuttgart, Urteile vom 22. Februar 2022, Az. 10 U 120/21 und 10 U 121/21, noch nicht bei juris veröffentlicht).

Vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts hatte das Landgericht Tübingen zunächst die zivilrechtlichen Rückzahlungsansprüche der Doktoranden zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht nahm jedoch in der Berufungsinstanz einen Rückzahlungsanspruch der klagenden Doktoranden deswegen an, weil deren Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt seien. Die Vereinbarungen über die Promotionsvergütung seien jeweils wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche Verbotsvorschriften, wie etwa das Verbot der Vorteilsannahme, nichtig. Die Rückforderungen seien auch nicht gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Klägerin und der Kläger nicht leichtfertig den Gesetzesverstoß verkannt hätten.

§ 817 BGB lautet:

„War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.“

Nach den Umständen hätte es, so das Gericht, den Doktoranden nämlich gerade nicht klar sein müssen, dass der beklagte Professor für seine Betreuung während der Promotion dienstrechtlich keine Vergütung hätte verlangen können. Unter anderem sei angesichts vermeintlich vergütungspflichtiger Hospitationen der Eindruck einer erlaubten Nebentätigkeit des beklagten Professors erweckt worden. Für einen fachfremden Laien sei dieser Eindruck auch durch die konkrete Gestaltung der Kontaktaufnahme mit dem Professor noch verstärkt worden, mit der die Grenzen zwischen privater Hochschullehrertätigkeit für das S.-Institut und der öffentlich-rechtlichen Professorenstellung an einer baden-württembergischen Hochschule verwischt worden seien. Für die klagende Doktorandin wurde neben dem Rückzahlungsanspruch auch ein Schadensersatzanspruch gegen die Ehefrau des Professors wegen Betrugs festgestellt.

Die Revision gegen beide Urteile wurde jeweils nicht zugelassen, damit sind die Urteile rechtskräftig.

Keine Benachteiligung schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber bei der Stellenvergabe, 28. Januar 2022

Das Verwaltungsgericht Mainz hat entschieden, dass einer schwerbehinderten Bewerberin, der die fachliche Eignung für eine von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht evident fehlt, in der Regel eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu zahlen ist, wenn sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist (VG Mainz, Urteil vom 28. Januar 2022, Az. 4 K 1036/20.MZ).

 

Verfassungswidrigkeit der Professorenbesoldung in Hessen, 27. Januar 2022

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss von Ende Januar 2022 festgestellt, dass die Besoldung der Beamtinnen und Beamten in Hessen nach der Besoldungsordnung A in den Jahren 2014, 2015 und 2016 bis in die Besoldungsgruppe A 9 und in den Jahren 2013, 2017, 2018, 2019 und 2020 bis in die Besoldungsgruppe A 10 nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau wahrte. Es handele sich um einen sehr deutlichen Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot. Dieser bewirke auch die Verfassungswidrigkeit der höheren Besoldungsgruppen der A-Besoldung. Die Verfassungswidrigkeit der A-Besoldung schlage zudem auch auf die für Professorinnen und Professoren geltende W-Besoldung durch, die sich an der A 15- bzw. der A 16-Besoldung von Beamtinnen und Beamten orientiert.

Das Gericht hat daher das konkrete Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Insbesondere geht es zusammengefasst um die Frage, ob die hessischen Regelungen zur Professorenbesoldung mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sind, soweit sie die Besoldungsgruppe W 2 in den Jahren 2013 bis einschließlich 2020 betreffen.

Konkurrentenstreitverfahren, 17. Januar 2022

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) hat in einer Entscheidung vom 17. Januar 2022 nochmals ausdrücklich hervorgehoben, dass der Hochschule hinsichtlich der Auswahlentscheidung eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation einer Bewerberin oder eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zusteht. Den an der Erstellung des Berufungsvorschlags beteiligten Hochschulgremien, insbesondere der Berufungskommission, kommt demnach ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (OVG Münster, Beschluss vom 17. Januar 2022, Az. 6 B 1512/21, juris).

Die Auswahlentscheidung könne gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten ist. Die sei etwa dann der Fall, wenn die Entscheidung erkennbar auf sachfremden Erwägungen oder auf der Verkennung von Tatsachen beruhe. Die Bewertung, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber besser geeignet ist als ein anderer, habe das erkennende Gericht generell nicht vorzunehmen. Dies gelte in besonderer Weise für die Feststellung und Beurteilung der wissenschaftlichen Eignung und der notwendigen Lehrbefähigung der Bewerber. Es bleibe der Entscheidung der Hochschule überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umständen sie das größere Gewicht beimisst (aus dem Orientierungssatz des Gerichts entnommen).

Zugang zu Bayerischen Hochschulen nur für Geimpfte oder Genesene, 27. Dezember 2021

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat Ende Dezember 2021 entschieden, dass die Begrenzung des Zugangs zu Hochschulen auf Geimpfte oder Genesene – womit allein diese am Präsenzunterricht teilnehmen können – im Einklang mit der infektionsschutzgesetzlichen Rechtsgrundlage stehe. Insbesondere verstoße die Regelung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht als offensichtlich unverhältnismäßig zu bewerten (VGH München, Beschluss vom 27. Dezember 2021, Az. 20 NE 21.2977, juris).

Im Wege des Eilrechtsschutz wandten sich die Antragsteller, die in Bayern eine Hochschule für Musik besuchen und das Berufsziel Orchestermusiker haben, mit ihrem Antrag gegen § 5 Abs. 1 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 23. November 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 816) i.d.F. des § 1 Nr. 3 der Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 949) und beantragten deren Außervollzugsetzung. Sie argumentierten, dass die Hochschule über 480 Studierende verfüge, von denen immerhin etwa 30 nicht geimpft seien.

Die angegriffene Norm hat folgenden Wortlaut:

„§ 5 Geimpft oder genesen (2G)

(1) Im Hinblick auf geschlossene Räume darf der Zugang zu 1. (…) den Hochschulen, Bibliotheken (…) vorbehaltlich speziellerer Regelungen dieser Verordnung nur durch Besucher erfolgen, soweit diese (…) geimpft oder genesen oder unter 14 Jahre alt sind.“

Die Antragsteller erstrebten als gegen die Coronavirus-Krankheit nicht immunisierte bzw. von dieser Krankheit nicht genesene Personen Zugang zu ihrer Hochschule und ein Studium im Präsenzunterricht.

Der BayVGH entschied indes, dass die §§ 32 Satz 1, 28a Abs. 7 Nr. 14, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der seit dem 23. November 2021 geltenden Fassung des Infektionsschutzgesetzes jedenfalls nach summarischer Prüfung eine ausreichende Rechtsgrundlage für die angegriffene Regelung des § 5 Abs. 1 15. BayIfSMV darstellen. Gerade vor dem Hintergrund der angespannten pandemischen Situation, auf die das Gericht in seiner Entscheidung intensiv eingeht, stehe die von den Antragstellern angegriffene Bestimmung mit der infektionsschutzgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Einklang. Insbesondere erweise sich die Regelung bei summarischer Prüfung auch im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG derzeit gerade nicht als offensichtlich unverhältnismäßig.

Mehrlehre, 27. Oktober 2021

Das Verwaltungsgericht Bremen hat zu der Problematik der Mehrarbeitsvergütung von Hochschullehrerenden entschieden und damit die bislang geltenden Grundsätze noch einmal nachschärfend verdeutlicht (VG Bremen, Urteil vom 27. Oktober 2021, Az. 6 K 1464/20, juris). Die Entscheidung ist vor folgendem Hintergrund interessant: Bei dem Thema Mehrlehre ist zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um „freiwillige Mehrarbeit“ oder „Mehrlehre im eigentlichen Sinne“ handelt. Eigenmächtig geleistete Mehrarbeit führt regelmäßig nicht zu einem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch, so die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urteil 20. September 2018, 2 C 45.17, juris). Der Unterschied zwischen freiwilliger Mehrarbeit und Mehrlehre an sich liegt darin, dass im letzteren Fall eine Anordnung vorliegt. Für die Geltendmachung eines Ausgleichs müssen zusätzliche Lehrveranstaltungsstunden angeordnet worden sein – ansonsten liegt ein Fall freiwilliger Mehrarbeit vor. Professorinnen und Professoren haben stets die Freiheit, zusätzliche Lehrveranstaltungen anzubieten, jedoch nur im Fall der Anordnung, z. B. durch den Dekan, liegt „Mehrlehre“ im eigentlichen Sinne vor. Erst wenn feststeht, dass es sich tatsächlich um Mehrlehre im eigentlichen Sinne handelt, kommt ein Ausgleich in Betracht. Gerade hinsichtlich der vorauszusetzenden Anordnung verhält sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen.

Das Verwaltungsgericht Bremen hält seine Entscheidung in den Leitsätzen wie folgt fest:

1. Eine konkludente Einigung über zusätzliche Besoldung aufgrund von Mehrarbeit zwischen einem Beamten und seinem Dienstherrn ist unwirksam aufgrund der fehlenden Schriftform gem. § 57 BremVwVfG. Darüber hinaus kann die Besoldung kein Ausgleichssurrogat für geleistete Mehrarbeit darstellen.

2. Eine Mehrarbeitsvergütung kann nur dann gewährt werden, wenn die Mehrarbeit zuvor schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde. Die Festlegung einer Überschreitung der Lehrverpflichtung durch den Rektor oder die Rektorin der Hochschule stellt grundsätzlich keine solche dienstliche Anordnung dar. Eine Abrechnung des Lehrdeputats durch die Fachhochschule ist keine nachträgliche Genehmigung, da es sich lediglich um eine innerdienstliche Organisationsmaßnahme handelt.

3. Im Rahmen eines Anspruchs nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf zeitlichen bzw. hilfsweise finanziellen Ausgleich für rechtswidrig zu hoch festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit bedarf es einer vorherigen Antragstellung durch den Beamten. Erklärungen eines Hochschullehrers gegenüber der Hochschule über Art und Umfang der Lehrtätigkeit für die jeweiligen Semester stellen keine solche Geltendmachung der Zuvielarbeit dar, denn sie dienen lediglich zur Erfassung der bereits durchgeführten Lehrveranstaltungen und zum vorgesehenen Ausgleich dieser in den folgenden Semestern.

 

Corona-Selbsttests reichen für Hochschulbesuch nicht aus, 22. Oktober 2021

Das Verwaltungsgericht Mainz hat im Beschlusswege entschieden, dass Studierende, wenn sie an Präsenzveranstaltungen der Hochschule teilnehmen möchten, weiterhin der Pflicht zur Vorlage eines negativen, durch geschulte Personen abgenommenen Coronatests nachkommen müssen und lehnte den entsprechenden Eilantrag eines Studierenden ab (VG Mainz, Beschluss vom 22. Oktober 2021, Az. 1 L 787/21.MZ).

I. Problemaufriss

§ 16 Absatz 1 Satz 1 der 26. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz setzt für die Teilnahme an der Präsenzlehre der Hochschule für (weder geimpfte noch genesene) Studierende und Lehrende einen tagesaktuellen oder vom Vortag stammenden Nachweis über eine Testung durch einen von geschultem Personal durchgeführten Antigen-Tests voraus. Ein Studierender wandte sich mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Mainz mit der Argumentation, dass diese Regelung ihn als Studierenden unverhältnismäßig in seinen Grundrechten beeinträchtige. Insbesondere führe die Regelung in zeitlicher und finanzieller Hinsicht zu unzumutbaren Belastungen, sodass er zur Aufgabe seines Studiums gezwungen sein könne.

II. Die Argumentation des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Mainz argumentiert in seiner ablehnenden Entscheidung, dass die Testnachweispflicht angesichts des immer noch dynamischen Infektionsgeschehens nach der Auffassung des Verordnungsgebers einen wesentlichen Baustein einer komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie darstelle. Der Verordnungsgeber verfolge ungeachtet des Fortschritts der Impfkampagne das Ziel, eine weitere Verbreitung von Covid-19 und seiner Virusvarianten zu verhindern. Nicht zuletzt gehe es auch darum, schwere und lebensbedrohliche Krankheitsverläufe sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Diese Gefährdungsprognose erweise sich mit Blick auf die staatlichen Behörden obliegende Schutzpflicht aus dem grundgesetzlich geschützten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bei der hier im Eilrechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung nicht als eindeutig fehlerhaft. Die Beeinträchtigungen grundrechtlicher Freiheiten des studierenden Antragstellers überwögen in einer Gesamtabwägung nicht in der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit.

Außerdem läge die auf den Bürger übergegangene Kostentragungspflicht für Coronatests im Bereich des weiten Spielraums, dem der Gesetzgeber grundsätzlich jederzeit zukomme. Der Gesetzgeber stelle mit dem kostenfreien Impfangebot eine Alternative zu kostenpflichtigen Tests zur Verfügung, deren Inanspruchnahme nicht grundsätzlich unzumutbar sei. Auch Studierenden müsse nicht von vornherein die kostengünstigere Möglichkeit von selbst durchgeführten Selbsttests eröffnet werden, zumal dies ansonsten zu einem erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Hochschulen, die die Selbsttestungen der Studierenden zu überwachen hätten, führe.

Auch der Hinweis auf eine etwaige Ungleichbehandlung gegenüber Besuchern anderer Einrichtungen wie Geschäfte oder Schulen verfange nicht, so das Verwaltungsgericht. Es handele sich dabei um nicht mit dem Besuch der Hochschule vergleichbare Sachverhalte. Würden Studierende vorläufig von einer kontrollierten Selbsttestung ausgeschlossen, bliebe zudem eine Möglichkeit zur Pandemiebekämpfung in einem in großer Anzahl zusammenkommenden Personenkreis bei einem immer noch dynamischen Infektionsgeschehen unwiederbringlich ungenutzt.

Mit der Erfüllung der Testnachweispflicht an maximal drei Tagen in der Woche seien für den Antragsteller auch keine unzumutbaren Hindernisse verbunden, denn konkret sei die Teststation nur wenige hundert Meter von der Wohnanschrift des Studierenden entfernt. Schließlich sei davon auszugehen, dass dem Studierenden bei einem Testpreis von 10 Euro je Test monatliche Kosten von maximal 150 Euro entstünden. Dass der Studierende dadurch in eine wirtschaftliche Notlage gerate, habe dieser nicht glaubhaft machen können.

Anrechnung einer Vorlesung bei Ausbleiben von Vorlesungsteilnehmern, 8. Oktober 2021

Das Verwaltungsgericht Freiburg (VG Freiburg) hat entschieden, dass sich erstens die Anrechnung einer Vorlesung auf die Lehrverpflichtung eines Hochschullehrers im Regelfall von selbst vollzieht, also ohne konstitutive Entscheidung des Dekans. Zweitens gilt nach dem VG Freiburg: Hat die oder der Hochschullehrende eine mit den maßgeblichen Gremien abgestimmte Vorlesung angeboten, die sich innerhalb der Bandbreite des zur Erfüllung des Ausbildungsauftrags der Hochschule typischerweise erforderlichen Lehrangebots hält, sich also zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgefunden, zu lehren, hat sie oder er ihre bzw. seine Lehrverpflichtung in zeitlicher Hinsicht mit der Folge der Anrechnung erbracht. Drittens gilt nach der Entscheidung, dass dann, wenn in einer regelmäßig wiederkehrend angebotenen Vorlesung keine Teilnehmer mehr erscheinen, die oder der Hochschullehrende nicht verpflichtet ist, sich während der gesamten Vorlesungszeit im Hörsaal aufzuhalten. In dem konkreten Fall habe der Hochschullehrer hinsichtlich der von ihm lehrplanmäßig angebotenen, in das Modulhandbuch der Hochschule aufgenommenen Vorlesung alles Erforderliche getan, um mit dieser seine Lehrverpflichtung in zeitlicher Hinsicht zu erfüllen. Nichts Anderes folge daraus, dass der Hochschullehrer womöglich gehalten gewesen wäre, den (Studien-)Dekan von sich aus ins Bild zu setzen. Denn selbst wenn der Hochschullehrer von sich aus die geringen Teilnehmerzahlen und später das Ausbleiben von Teilnehmern noch während des laufenden Semesters unverzüglich mitgeteilt hätte, hätte dies nach Ansicht des VG Freiburg mangels dahingehender Regelung in der Lehrverpflichtungsverordnung keine Nichtanrechnung der Vorlesung nach sich gezogen (VG Freiburg, Urteil vom 8. Oktober 2021, Az. 1 K 2327/19, juris).

Anm.: Auch unabhängig von diesen Aussagen erscheint die Entscheidung des VG Freiburg für absolut beachtenswert, wenn das VG in Rn. 24 seines Urteils formuliert: „Dieser [der Verordnungsgeber] wollte durch die LVVO das Verhältnis der beiden Dienstplichten [Forschung und Lehre] in dem Sinne justieren, dass auch bei Hochschullehrern an Hochschulen für angewandte Wissenschaften – trotz des im Vergleich zu den an Universitäten tätigen Professoren doppelt so hohen Lehrdeputats – ein hinreichender Zeitraum für die selbstbestimmte Forschung (vgl. § 46 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LHG) verbleibt.“

Ruhegehaltsfähigkeit von Funktionsleistungsbezügen eines Rektors einer Studienakademie der DHBW, 28. September 2021

In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg) verpflichtete dieser mit seiner Berufungsentscheidung das Land, bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge des klagenden Hochschullehrers alle Funktionsleistungsbezüge vollumfänglich als ruhegehaltsfähig nach § 38 Abs. 7 Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg (LBesG) zu berücksichtigen. Zuvor hatte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg bei der Berechnung der Versorgungsbezüge des betroffenen Hochschullehrers seine Funktionsleistungsbezüge nur zu einem Viertel berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab (VG Stuttgart, Urteil vom 8. Juni 2020, Az. 1 K 4169/18), woraufhin die Sache nach Einlegung der Berufung vom VGH Baden-Württemberg zu entscheiden war (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2021, Az. 4 S 282/21, juris).

I. Hintergrund

Funktionsleistungsbezüge im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 38 Abs. 1 Nr. 3 LBesG werden für hauptberufliche Leiter von Hochschulen und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen gewährt. Ein Rektor einer Studienakademie der DHBW ist nach der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg trotz der Neuregelung von Leitung und Vertretung der Studienakademien im Jahr 2014 hauptberuflicher bzw. hauptamtlicher Leiter einer Hochschule im Sinne der besoldungsrechtlichen Regelungen. Dies ist von besonderer Bedeutung in Bezug auf die Ruhegehaltsfähigkeit von Funktionsleistungsbezügen, denn diese sind (nur) dann vollumfänglich zu berücksichtigen. Genau darum ging es bei dem folgenden Fall.

II. Die Argumentation des VGH Baden-Württemberg

Der VGH Baden-Württemberg gab der Berufung unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts statt, womit das Land verpflichtet wurde, bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge des klagenden Hochschullehrers alle Funktionsleistungsbezüge - die er vom 01.03.2011 bis 28.02.2017 (in Höhe von 832,29 Euro) und vom 01.01.2015 bis 28.02.2017 (in Höhe von 667,71 Euro) erhalten hat – vollumfänglich als ruhegehaltsfähig nach § 38 Abs. 7 Satz 1 LBesG zu berücksichtigen.

Gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 3 LBesG werden, so der VGH Baden-Württemberg, in den Besoldungsgruppen W 2 und W 3 neben dem als Mindestbezug gewährten Grundgehalt variable Leistungsbezüge für die Wahrnehmung von Funktionen oder besonderen Aufgaben im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung, der Hochschulleitung oder der Leitung des KIT - sogenannte Funktionsleistungsbezüge - vergeben. Sie werden danach für die Dauer der Wahrnehmung der Funktion oder Aufgabe gewährt. Weiter regele § 38 Abs. 5 LBesG durch Satz 2 und 3, dass diese Funktionsleistungsbezüge „… an den regelmäßigen Besoldungsanpassungen teil[nehmen], wenn sie für die Wahrnehmung der Funktionen der hauptberuflichen Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen sowie am KIT gewährt werden. Andere Leistungsbezüge nach Absatz 1 Nr. 3 nehmen daran nicht teil.“

Diese Unterscheidung nehme, so der VGH Baden-Württemberg, § 38 Abs. 7 LBesG betreffend die Ruhegehaltsfähigkeit der Funktionsleistungsbezüge auf.

§ 38 Abs. 7 LBesG lautet wie folgt:

„Leistungsbezüge nach Absatz 1 Nr. 3 an hauptamtliche Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen sowie am KIT sind ruhegehaltsfähig, soweit sie diese Bezüge mindestens zwei Jahre bezogen haben, sofern sie aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit in den Ruhestand treten oder in den Ruhestand versetzt werden. In anderen Fällen erhöhen Leistungsbezüge nach Absatz 1 Nr. 3 die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge aus einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Die Leistungsbezüge nach Absatz 1 Nr. 3 erhöhen in den Fällen des Satzes 2 die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit um ein Viertel des Leistungsbezugs, soweit dieser mindestens fünf Jahre bezogen worden ist, oder um die Hälfte des Leistungsbezugs, soweit dieser mindestens zehn Jahre bezogen worden ist.“

Dies zugrunde gelegt, ergebe sich der Anspruch des klagenden Hochschullehrers auf vollumfängliche Berücksichtigung der während seiner Tätigkeit als Rektor der Studienakademie erhaltenen streitgegenständlichen Funktionsleistungsbezüge. Diesem Anspruch stehe insbesondere nicht entgegen, dass die im Streit stehenden Funktionsleistungsbezüge unstreitig zu keinem Zeitpunkt an den regelmäßigen Besoldungsanpassungen teilgenommen haben. Denn § 38 Abs. 7 Satz 1 LBesG verweise nicht auf § 38 Abs. 5 Satz 2 LBesG, sondern erkläre Leistungsbezüge nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 LBesG bereits dann für ruhegehaltsfähig, wenn sie hauptamtlichen Leitern und Mitgliedern von Leitungsgremien an Hochschulen sowie am KIT gewährt werden. Die Frage, ob die Funktionsleistungsbezüge zuvor an Besoldungsanpassungen im Sinne von Absatz 5 teilgenommen haben, spiele für ihre Ruhegehaltsfähigkeit nach Absatz 7 mithin unmittelbar keine Rolle.

Außerdem falle der Hochschullehrer während seiner Zeit als Rektor der Studienakademie X in die Kategorie der hauptamtlichen Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen, die ihm gewährten Leistungsbezüge waren solche nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 LBesG und seien von ihm mindestens zwei Jahre bezogen worden, bevor dieser aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit in den Ruhestand getreten ist.

Sinn und Zweck von § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 38 LBesG sprächen für eine Auslegung dahingehend, dass Leiter von Hochschulen als solche zulagenberechtigt sein sollen unabhängig davon, ob sie (auch) einem Leitungsgremium der Hochschule vorstehen. Denn Funktionsleistungsbezüge sollen, so der VGH Baden-Württemberg, sicherstellen, dass Leitungskräfte einer Hochschule, die hauptamtlich mit Managertätigkeiten befasst sind, attraktiv besoldet werden, damit die Hochschulen bei ihrer Suche nach fähigen Personen für derartige Ämter mit den Managergehältern in der freien Wirtschaft konkurrieren können; Professoren sollen durch besondere finanzielle Anreize ermutigt werden, solche zeit- und kraftraubenden Funktionen zu übernehmen.

Deshalb begründe bereits die Wahrnehmung der entsprechenden Funktion einen Anspruch auf Funktionsleistungsbezüge; besonderer diesbezüglicher Leistungen bedürfe es in diesem Fall gerade nicht. Denn Leitungskräfte einer Hochschule nähmen umfangreiche Managementaufgaben unabhängig davon wahr, ob die Organisationsstrukturen - wie üblicherweise der Fall - (auch) die Übernahme der Leitung eines universitären Leitungsgremiums vorsehen oder die Leitung der Hochschule nicht gremiengebunden erfolgt. Ein Rektor einer Studienakademie der DHBW falle auch unter den Begriff der hauptamtlichen Leiter im Sinne von § 38 Abs. 7 Satz 1 LBesG.

Zwar seien Studienakademien keine eigenständigen Hochschulen, sondern räumlich über Baden-Württemberg verteilte, rechtlich unselbständige Untereinheiten unter dem Dach der DHBW; der Leiter einer Studienakademie sei nicht Leiter einer Hochschule, sondern steht einer ihrer Untergliederungen vor.

Trotz organisatorischer und funktionaler Unterschiede zwischen herkömmlichen Hochschulen und der DHBW und in der Folge zwischen Fakultäten und Studienakademien ließen sich die dezentralen Studienakademien etwa mit Fakultäten oder Sektionen und die Funktionen des Rektors einer Studienakademie zumindest mit der eines Dekans einer herkömmlichen Hochschule vergleichen. Denn dem Rektor der Studienakademie oblägen regelmäßig umfangreiche und wesentliche Aufgaben im Bereich von Lehre und dualem Ausbildungsauftrag sowie betreffend Haushalt und Personal auf örtlicher Ebene, wenn auch nur nach widerruflicher Übertragung durch das Präsidium der DHBW, wie es das Dritte Hochschulrechtsänderungsgesetz vorgebe. Entscheidend sei aber, dass es sich um wesentliche Aufgaben handele, wie etwa die Bestimmung der Lehraufgaben der zur Lehre verpflichteten Mitglieder der Hochschule, das Aufsichts- und Weisungsrecht für die Erfüllung der Lehr- und Prüfungsverpflichtung, die Dienst- und Fachaufsicht für Forschung und Lehre der Professorinnen und Professoren und der akademischen Mitarbeitenden und der Mitarbeitenden im nichtwissenschaftlichen Bereich, die Aufstellung des auf die Studienakademie entfallenden Teils des Struktur- und Entwicklungsplans und des Haushaltsvoranschlags oder des Wirtschaftsplans, die Entscheidung über die Verwendung der vom Präsidium der DHBW der Studienakademie zugewiesenen Stellen und Mittel, den Vorschlag zur Funktionsbeschreibung von Stellen für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sowie den Erlass der Dienstaufgabenbeschreibungen für Akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Anrechnung der Leistungsbezüge auf das erhöhte Grundgehalt (Konsumtion), 20. September 2021

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat in einem Verfahren gegen die vollständige Konsumtion (Leistungsbezüge, die vor 2013 gewährt wurden, vermindern sich nach der entsprechenden gesetzlichen Regelung in Schleswig-Holstein um den Gesamtbetrag der Erhöhung der Grundgehälter) mit einem erst kürzlich zugestellten Urteil die Berufung des klagenden Hochschullehrers im Wesentlichen abgewiesen, nur soweit eine den Hochschullehrer benachteiligende falsche Berechnung vorgenommen wurde, wurde er klaglos gestellt (Az. 2 LB 10/19). Zuvor hatte bereits das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht mit Urteil aus Mai 2019 die vorhergehende Klage abgewiesen (Az. 12 A 15/18).

Die Argumentation des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts gleicht der schon bekannten Argumentation der Rechtsprechung. Unter umfangreicher Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung stellte das Gericht fest, dass aus seiner Sicht die Konsumtionsregelung als Bestandteil der mit Wirkung vom 1. Januar 2013 neu geregelten Professorenbesoldung in Schleswig-Holstein einer verfassungsrechtlichen Prüfung in Bezug auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG, das Leistungsprinzip aus Art. 33 Abs. 2 GG, das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG, den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und den rechtsstaatlich (Art. 20 Abs. 3 GG) gebotenen Vertrauensschutz standhält.

Immerhin: Vor dem Hintergrund, dass bisher nur zu der Frage der teilweisen Konsumtion und nicht zu der Problematik der hier vorliegenden vollständigen Konsumtion höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, wurde die Revision zugelassen.

Eilantrag auf Fortsetzung eines ablaufenden Beamtenverhältnisses auf Zeit, 30. Juli 2021

Für den Antrag eines zum Beamten auf Zeit ernannten Hochschullehrers auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes, der kurz vor Ablauf der höchstzulässigen Amtszeit beantragt, das Beamtenverhältnis vorläufig fortzusetzen, bis die Hochschule über die Umwandlung des befristeten Beamtenverhältnisses in ein unbefristetes Beamtenverhältnis erneut entschieden hat, fehlt es jedenfalls dann an einem Anordnungsanspruch, wenn die höchstmögliche Amtszeit für ein befristetes Beamtenverhältnis ausgeschöpft ist (Thür. OVG, Beschluss vom 30.07.2021, Az. 2 EO 445/21).

In dem in Thüringen beheimateten Fall hatte der Hochschullehrer beantragt, das Beamtenverhältnis vorläufig über den 31.07.2021 hinaus bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache fortzusetzen. Das zuvor damit befasste Verwaltungsgericht verneinte jedoch den Anspruch, ebenso das nunmehr damit befasste Oberverwaltungsgericht, mit der Argumentation, dass es dafür an einer rechtlichen Grundlage fehle.

Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 3 ThürHG können zwar, so das Gericht, Professoren auch als Beamte auf Zeit befristet beschäftigt werden. Das Beamtenverhältnis auf Zeit nach § 4 Abs. 2 BeamtStG ende aber grundsätzlich mit Ablauf der in der Ernennungsurkunde festgesetzten Amtszeit. Hochschullehrer und wissenschaftliche sowie künstlerische Mitarbeiter im Beamtenverhältnis auf Zeit seien daher mit Ablauf ihrer Dienstzeit entlassen, das Ende des Beamtenverhältnisses trete kraft Gesetzes ein. Nach den hier anzuwendenden hochschulrechtlichen Vorschriften betrage die Dauer des Beamtenverhältnisses auf Zeit höchstens sechs Jahre; nach Ablauf einer befristeten Beschäftigung sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 86 Abs. 1 Satz 5 ThürHG eine erneute befristete Beschäftigung als Professor nicht zulässig. Im Falle des antragstellenden Hochschullehrers sei die höchstmögliche Amtszeit für ein befristetes Beamtenverhältnis damit ausgeschöpft, weshalb auch keine Verlängerung beansprucht werden könne.

 

Lehrdeputatsregelung an der Hochschule des Bundes II, 2. Juli 2021

In dem einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münsters im Wege der Beschwerde zugrundeliegenden Fall ging es um den Umfang und die Regelung des Lehrdeputats der hauptamtlich lehrenden beamteten Professoren des Zentralen Lehrbereichs der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung an sich (im Folgenden: HS Bund). Das zuvor damit befasste Verwaltungsgericht Köln hatte den Antrag auf Eilrechtsschutz abgelehnt (VG Köln, Beschluss vom 10. März 2021, Az. 15 L 1792/20). Die Beschwerde zum OVG Münster war ebenfalls zu Teilen erfolglos (OVG Münster, Beschluss vom 2. Juli 2021, Az. 1 B 433/21 ).

Zwar dürfte, so das OVG, die Festlegung von Lehrdeputaten der Fachhochschullehrenden des Bundes durch Rechtsverordnung aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zu regeln sein; ein Erlass genüge insofern nicht. Der derzeitige Rechtszustand sei aber noch für eine Übergangszeit hinzunehmen, um einen „regellosen und damit noch verfassungsfernerer Zustand“ zu vermeiden. Dem Verordnungsgeber müsse Zeit gegeben werden, um sich auf die Lage einzustellen.

Hinsichtlich des Umfanges von wöchentlich 18 Lehrveranstaltungsstunden in 44 Wochen Vorlesungszeit in Form von 684 Lehrkontaktstunden sowie 108 Stunden für sonstige Leistungen je Studienjahr und den vorgesehenen Ermäßigungsmöglichkeiten der Lehrverpflichtung gehe das Gericht jedoch im Rahmen der summarischen Prüfung nicht von einer unzumutbaren Belastung aus, die dem Antragsteller keinerlei Möglichkeit zu Forschung belasse. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verbleibe bei einer regelmäßigen Lehrverpflichtung für Hochschullehrer an Fachhochschulen im Umfang von 18 Lehrveranstaltungsstunden wöchentlich ein nach Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses angemessener Zeitanteil für eigene Forschung.

Es sei nicht ersichtlich, dass dies vorliegend allein aufgrund der Ausweitung auf 44 Wochen anders sein sollte. Anders als nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz seien auf die Lehrverpflichtung des Antragstellers nämlich auch Prüfungs- und Korrekturleistungen anrechenbar. Die reine Lehrverpflichtung in Form von Lehrkontaktstunden lasse sich, so das OVG, dadurch verringern. Bei 18 Lehrveranstaltungsstunden jeweils in Form von 45 Minuten sei bei summarischer Prüfung auch bei Annahme eines angemessenen Aufwandes für Vor- und Nachbereitung und unter Berücksichtigung des Auftrags der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an der HS Bund noch von einem ausreichenden Freiraum für Forschung auszugehen.

 

Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens wegen Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der Berufungskommission, 28. Juni 2021

Eine Hochschule kann ein Stellenbesetzungsverfahrens wegen eines Verfahrensfehlers abbrechen, etwas dann, wenn die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden einer Berufungskommission in Bezug auf eine Bewerberin aufgrund der gemeinsamen Tätigkeit in einem Graduiertenkolleg und aufgrund der aus Handlungsbeiträgen für das Graduiertenkolleg resultierenden wechselseitigen beruflichen bzw. finanziellen Vorteile gegeben ist. So hat es das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Juni 2021, Az. 5 ME 50/21).

In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich die Erstplatzierte (im Folgenden: Antragstellerin) des abgebrochenen Verfahren gegen den Verfahrensabbruch des Berufungsverfahrens seitens der Hochschule gewandt und das zuständige Verwaltungsgericht um Eilrechtsschutz ersucht. Während das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragstellerin noch stattgegeben hatte, entschied das OVG nun, dass die Hochschule das Berufungsverfahren zu Recht abgebrochen habe.

Konkret habe sich hier aus der langjährigen gemeinsamen Tätigkeit der Antragstellerin und der Vorsitzenden der Berufungskommission in dem Graduiertenkolleg „G.“ ein besonderes kollegiales Näheverhältnis entwickelt, welches im konkreten Berufungsverfahren die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der Berufungskommission in Bezug auf die Antragstellerin als Bewerberin um die in Rede stehende Professur ausgelöst habe. Ein solches besonderes Näheverhältnis ergebe sich, so das OVG, im vorliegenden Einzelfall aus dem Wesen des Graduiertenkollegs als einem von Wissenschaftlern getragenen und durch öffentliche Mittel gesondert geförderten Gebilde, in dem Forschung und darauf bezogene Nachwuchsförderung eine Einheit bilden, sowie der besonderen Rolle, welche die Antragstellerin in Bezug auf die Bewilligung dieses - mit erheblichen Fördermitteln verbundenen - Kollegs inne gehabt habe, welches wiederum die Vorsitzende der Berufungskommission ermöglicht habe, als dessen stellvertretende Sprecherin zu wirken und für dieses Wirken im Rahmen des Kollegs einen leistungsbezogenen Besoldungsbezug zu erhalten.

Bestehe aber, so wie hier, ein Näheverhältnis eines Bewerbers zu einzelnen Berufungskommissionsmitgliedern, begründe dieses in Bezug auf die Mitwirkung dieser Mitglieder in der Berufungskommission die Besorgnis der Befangenheit. Unterbleibe dann eine entsprechende Beschlussfassung der Berufungskommission und wirkten diese Mitglieder am Berufungsverfahren mit, stelle dies einen Verfahrensfehler dar, der einen Verstoß gegen Art 33 Abs. 2 GG zur Folge habe.

Dem sei die Hochschule mit dem Abbruch zuvorgekommen, damit sei der zu fordernde sachliche Grund für den Abbruch der Stellenbesetzungsverfahrens seitens der Hochschule gegeben.

Hochschule darf Maskenpflicht bei Klausuren vorschreiben, 20. Mai 2021

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entschieden, dass eine Hochschule Maskenpflicht bei Klausuren anordnen darf (OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.05.2021, Az. 2 ME 105/21).

Der antragstellende Studierende begehrte die Verpflichtung der Hochschule, ihm die Teilnahme an einer Klausur zu ermöglichen, ohne am Sitzplatz eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung tragen zu müssen. Er beabsichtigte, Ende Mai 2021 an einer Klausur teilzunehmen. In ihren Hinweisen zur Durchführung von Prüfungen und Lehrveranstaltungen in Präsenz während der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ - COVID-19, Stand 10. Mai 2021, regelt die Hochschule u. a.: „Der medizinische MNS ist bei Klausuren verpflichtend die gesamte Zeit zu tragen.“

Bezogen auf die Klausur macht der Studierende zunächst vor dem örtlichen Verwaltungsgericht geltend, er rechne in der Drucksituation der Prüfung mit erheblichen Konzentrationsschwierigkeiten, wenn er eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung tragen müsse. Das Verwaltungsgericht lehnte indes den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss ab und führte aus, die Niedersächsische Corona-Verordnung enthalte keine Bestimmung, die speziell die Frage einer Maskenpflicht für Studierende während einer Lehrveranstaltung oder Prüfung regelt. Rechtliche Grundlage für die streitige Anordnung einer Maskenpflicht während der Teilnahme an Klausuren in den Räumen der Antragsgegnerin sei deren öffentlich-rechtliches Hausrecht. Ihre Vorgaben zur Durchführung von Prüfungen und Lehrveranstaltungen innerhalb ihrer Räumlichkeiten während der Corona-Pandemie verfolgten von dem Hausrecht umfasste Handlungszwecke. Namentlich gehe es erkennbar darum, das Risiko eines Eintrags des SARS-CoV-2-Virus in das Klinikum und damit eine Verbreitung der COVID-19-Erkrankung unter den Prüflingen sowie Klinikmitarbeitern und/oder Patienten zu reduzieren sowie dadurch einen funktionsfähigen Studien- und Klinikbetrieb aufrechtzuerhalten. Die derzeitige Handhabung der Maskenpflicht entspreche voraussichtlich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Hiergegen wandte sich der Studierende mit seiner Beschwerde zum OVG Lüneburg.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied nun wie das Verwaltungsgericht, dass es keiner Vorschrift bedürfe, die die Befugnis zu einer solchen Anordnung ausdrücklich regele, und dass der Antragsgegnerin im Rahmen ihres Hausrechts die Kompetenz zukomme, den Zugang zu und den Aufenthalt in ihren Gebäuden unter Berücksichtigung infektionsschutzrechtlicher Belange zu regeln. Dabei habe die Hochschule im Rahmen ihrer Organisationsgewalt auch die Befugnis, die Gestaltung der Prüfungen an die Erfordernisse des Infektionsschutzes anzupassen. Nichts anderes hat die Antragsgegnerin mit ihren „Hinweisen zur Durchführung von Prüfungen und Lehrveranstaltungen in Präsenz während der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ gemacht.

Die weitere Behauptung des Antragstellers, dass sich Aerosole nicht weiter als 1,50 Meter ausbreiten, sei in dieser Allgemeinheit schlichtweg unzutreffend. Schließlich bestünden Zweifel an der Erforderlichkeit der Maßnahme auch nicht mit Blick darauf, dass die Prüflinge einen negativen Corona-Test vorweisen müssen, um Zugang zum Prüfungsraum zu erhalten. Denn durch die Vorlage dieses Tests werde das Risiko, als mit COVID-19 Infizierte Zugang zur Prüfung zu erhalten, zwar erheblich verringert aber keinesfalls gänzlich ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin auch in Ansehung der Testpflicht an der Verpflichtung festhält, am Sitzplatz während der Klausur eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Auf diese Weise könne sie nämlich das Risiko einer Ansteckung der Prüfungsteilnehmer mit COVID-19 noch weiter im beachtlichen Maße verringern. Die Verpflichtung, während der Klausur am Sitzplatz eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, stelle eine verhältnismäßig geringfügige Beeinträchtigung dar. Eine Beeinträchtigung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit stelle die Verpflichtung zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung gerade nicht dar.

 

Klausuren müssen durch Hochschullehrende bewertet werden, 19. April 2021

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) hat entscheiden, dass eine Prüfungsentscheidung im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung in Rechtswissenschaften (erstes juristisches Staatsexamen) dann nicht rechtmäßig ist, wenn die Bewertung der Klausur nicht auch durch eine Hochschullehrende oder einen Hochschullehrenden erfolgt ist (OVG Münster, Urteil vom 19. April 2021, Az. 14 A 1082/20).

Aus der Pressemitteilung des Gerichts:

„Das Oberverwaltungsgericht hat heute in einer Grundsatzentscheidung der Klage einer Jurastudentin stattgegeben, die die staatliche Pflichtfachprüfung als Teil der ersten Prüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen) beim Justizprüfungsamt Hamm nicht bestanden hatte. Entgegen den rechtlichen Vorgaben, von denen seit Jahren regelmäßig abgewichen werde, seien ihre Klausuren nicht auch durch einen Hochschullehrer korrigiert worden.

Die Klägerin aus Steinhagen wehrte sich gegen das endgültige Nichtbestehen der staatlichen juristischen Pflichtfachprüfung. Im Rahmen dieser Prüfung sind sechs Klausuren zu fertigen, die jeweils von zwei Prüfern selbständig begutachtet und bewertet werden. § 14 Abs. 2 des Juristenausbildungsgesetzes (JAG NRW) regelt dazu, dass einer der beiden Prüfer Hochschullehrer sein soll. Hintergrund ist, dass die erste Prüfung den Abschluss des juristischen Hochschulstudiums darstellt und daher die Hochschullehrer auch an den Abschlussprüfungen beteiligt werden sollen. Im Falle der Klägerin wurde jedoch von den sechs Klausuren nur eine unter Beteiligung eines Hochschullehrers benotet.

Der Senat hat den Bescheid über das Nichtbestehen der Prüfung aufgehoben und das Land Nordrhein-Westfalen verurteilt, die von der Klägerin (lediglich) beanstandeten zwei Aufsichtsarbeiten unter Beachtung der Vorgaben des § 14 Abs. 2 JAG neu bewerten zu lassen. Zur Begründung seines Urteils hat er ausgeführt: Die Sollvorschrift des § 14 Abs. 2 JAG gibt eine bestimmte Zusammensetzung des Prüfungsgremiums vor, die im Regelfall zu erreichen ist. Das heißt, das Gesetz fordert - wie es allgemein für Sollvorschriften im öffentlichen Recht gilt -, dass das Prüfungsgremium nur im Ausnahmefall, wenn besondere Umstände des Einzelfalls es erfordern, auch ohne Hochschullehrer besetzt werden darf. Wie der Senat im Rahmen dieses Verfahrens jedoch festgestellt hat, wird die Regelbesetzung im Bereich des Justizprüfungsamts Hamm schon seit Jahren deutlich verfehlt. Durchschnittlich ist allenfalls bei jeder dritten oder vierten statt bei jeder Klausurbewertung, wie es die Regel zu sein hat, ein Hochschullehrer beteiligt. Vom gesetzlich geforderten Regelzustand wird also nicht im Ausnahmefall, sondern regelmäßig abgewichen. Daher reicht es, so der Senat, nicht mehr aus, dass das Prüfungsamt es bei seiner bisherigen Anstrengung zur Gewinnung von Prüfern aus dem Kreis der Hochschullehrer belässt.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann das beklagte Land Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.“

 

Lehrdeputatsregelung an der Hochschule des Bundes, 15. April 2021

In dem Fall, den das Verwaltungsgericht Münster (VG Münster) zu entscheiden hatte, legte ein Hochschullehrer der Hochschule des Bundes Klage gegen seine Arbeitszeitberechnung auf Grundlage der Lehrdeputatsregelung für den Fachbereich Finanzen der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (LDR-FBFIN) für das Studienjahr 2017 ein und beantragte u. a., festzustellen, dass in der Deputatsberechnung für das Jahr 2017 seine geleistete Arbeitszeit in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen ist. Der Hochschullehrer argumentierte, dass die Abrechnung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, da sie das Beamtenverhältnis wesentlich ausgestaltete. Ferner liege ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht vor, weil keine nachvollziehbare Anrechnung lehrimmanenter Nebenpflichten erfolgt sei. Außerdem werde gegen die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG verstoßen, da die Abrechnung auf Grundlage der LDR-FBFIN jegliche Forschungsaktivität verhindere. Schließlich liege mit Blick auf andere Hochschulen ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor.

Das VG Münster wies indes seine Klage als unbegründet zurück.

Das Gericht argumentiert wie folgt: Zwar sei es erforderlich, dass das Lehrdeputat von Hochschullehrenden aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage durch Rechtsverordnung geregelt wird. Denn bei der abstrakten Festlegung des Lehrdeputats dürfte es sich, so das Gericht, bereits um eine Festlegung der Arbeitszeit und nicht lediglich um eine Organisationsmaßnahme handeln. Auf Grundlage der Erwägung, dass es sich bei der Festsetzung des Lehrdeputats um eine Arbeitszeitregelung handele, müsse die regelmäßige Lehrverpflichtung der Hochschullehrenden indes durch Rechtsverordnung aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung geregelt werden.

Selbst dann, wenn die Festlegung der Regellehrverpflichtung von Hochschullehrenden keine Festsetzung der Arbeitszeit, sondern vielmehr eine bloße Organisationsmaßnahme des Dienstherrn darstellen würde, sei sie ebenfalls durch Rechtsverordnung auf gesetzlicher Grundlage festzulegen, da sie in das Grundverhältnis des Hochschullehrers eingreife. Denn der Gesetzgeber habe die wesentlichen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Beamtenpflichten zu treffen. Auch die besondere Bedeutung der Regellehrverpflichtung für die Kapazitätsermittlung spreche für die Notwendigkeit einer normativen Regelung. Schließlich ergebe sich auch in rechtsvergleichender Hinsicht, dass die Lehrdeputate von Hochschullehrenden regelmäßig durch Rechtsverordnung festzusetzen sind. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Umsetzung der in der Kultusministerkonferenz (KMK) vereinbarten Lehrverpflichtungen in den Ländern durchweg mit Hilfe von Rechtsverordnungen erfolgte.

Diese Frage könne letzten Endes im konkreten Fall jedoch offenbleiben, da selbst für den Fall eines Verstoßes gegen den Parlamentsvorbehalt bzw. den Vorbehalt des Gesetzes die derzeitige Regelung noch für eine Übergangszeit - jedenfalls für das Jahr 2017 - hinzuzunehmen sei und die Anwendung der Regelung in dieser Zeit den Kläger nicht in seinen Rechten verletze: Die LDR-FBFIN genüge bezogen auf die Belange des Klägers im Jahr 2017 insbesondere den Vorgaben des Art. 33 Ans. 5 GG. Zwar sei von der Fürsorge auch mitumfasst, dass der Dienstherr bei der Bestimmung der Arbeitszeit seiner Beamten dafür Sorge trägt, diese nicht zu überlasten. Die LDR-FBFIN lehne sich indes ersichtlich an die Regelungen der KMK an, die wiederum eine umfassende Zusammenstellung bisher gewonnener Erfahrungswerte beinhalte und sich auch für das vorliegende Verfahren als Orientierungsmaßstab anböte, weil die KMK als Expertengremium der Wissenschaftsverwaltung am ehesten die dienstrechtlichen Konsequenzen des Gebots erschöpfender Kapazitätsausnutzung und der Wissenschaftsfreiheit abschätzen könne.  Ein krasses Missverhältnis zwischen der Belastung des klagenden Hochschullehrers (792 LVS, multipliziert mit dem Faktor 2,28 – siehe LDR-FBFIN – , also 1.805 Stunden p.a.) durch die ihm auferlegte Lehrverpflichtung und der Jahresarbeitszeit der Beamten (41 Zeitstunden x 44 Arbeitswochen = 1.804 Stunden p.a.) bestehe in Anbetracht der rechnerisch der LDR-FBFIN zugrunde gelegten Jahresarbeitszeit des Klägers nicht. Auch die Verteilung der zu erbringenden Lehrverpflichtungen sei aus Sicht des Gerichts nicht fürsorgepflichtwidrig. Gleiches gelte für die Zeitansätze für die Erfüllung von lehrimmanenten Nebenpflichten, die nicht zu beanstanden seien.

Schließlich bestünden auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte, dass hier ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 GG vorliege. Dem Kläger sei 2017 durch die LDR-FBFIN kein unvertretbares Maß an Lehrverpflichtungen mit der Folge, dass ihm keine nennenswerte Zeit mehr für seine Forschung geblieben wäre, zugemutet worden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei ebenso wenig erkennbar.

Anm.: Obwohl die Klage abgewiesen wurde, sind zwei positive Aspekte hervorzuheben. Erstens ist es als positiv zu bewerten, dass das Verwaltungsgericht unproblematisch angenommen hat, dass sich auch die Hochschullehrenden an der Hochschule des Bundes auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen können. Zweitens ist zu begrüßen, dass bestätigt wurde, dass eine Regelung der Lehrverpflichtung nicht durch Erlass der Exekutive möglich ist, sondern wegen des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) mindestens einer Verordnung bedarf, die ihrerseits auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden muss.

Videoüberwachte Prüfung rechtmäßig, 4. März 2021

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) hat entschieden, dass die coronabedingte Videoüberwachung und Aufzeichnung von häuslichen Prüfungen durch die Fernuniversität Hagen zulässig ist. Es hat den Normenkontroll-Eilantrag eines Studierenden abgelehnt, der sich gegen die Corona-Prüfungsordnung der Fernuniversität Hagen gewandt hatte. Der Beschluss ist unanfechtbar (OVG Münster, Beschluss vom 4. März 2021, Az. 14 B 278/21.NE).

Aus der Pressemitteilung des Gerichts:

Die Fernuniversität sieht in ihrer Corona-Prüfungsordnung als alternative Möglichkeit neben Präsenzprüfungen, die zurzeit nicht durchgeführt werden, videobeaufsichtigte häusliche Klausurprüfungen vor. Danach werden die Prüflinge durch prüfungsaufsichtsführende Personen über eine Video- und Tonverbindung während der Prüfung beaufsichtigt. Die Video- und Tonverbindung sowie die Bildschirmansicht des Monitors werden vom Beginn bis zum Ende der Prüfung aufgezeichnet und gespeichert. Die Prüfungsaufzeichnung wird nach dem Ende der Prüfung gelöscht. Dies gilt nicht, wenn die Aufsicht Unregelmäßigkeiten im Prüfungsprotokoll vermerkt hat oder die oder der Studierende eine Sichtung der Aufnahme durch den Prüfungsausschuss beantragt. In diesem Fall erfolgt die Löschung der Aufzeichnung erst nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens.

Mit dem Eilantrag begehrte ein Studierender, der an einer solchen Prüfung am 8. März 2021 teilnehmen wollte, die vorläufige Untersagung der Aufzeichnung und Speicherung der Daten, nicht aber des Filmens an sich. Er machte geltend, das Vorgehen verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung und Speicherung könne im Eilverfahren nicht geklärt werden. Allerdings erlaube die Datenschutz-Grundverordnung die Datenverarbeitung, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich sei, die im öffentlichen Interesse liege oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge, die dem Verantwortlichen übertragen worden sei. Hochschulen seien zur Durchführung von Prüfungen verpflichtet. In Wahrnehmung dieser Aufgabe habe die Fernuniversität dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit Geltung zu verschaffen. Dieser verlange, dass für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen gälten, um allen Teilnehmern gleiche Erfolgschancen zu bieten. Insbesondere sei zu verhindern, dass einzelne Prüflinge sich durch eine Täuschung über Prüfungsleistungen einen Chancenvorteil gegenüber den rechtstreuen Prüflingen verschafften. Die Aufzeichnung und vorübergehende Speicherung dürfte sich im Ergebnis im Hinblick darauf, die teilnehmenden Prüflinge von Täuschungsversuchen abzuhalten, und im Hinblick auf ein sich im Verlauf der Prüfung ergebendes Bedürfnis nach Beweissicherung in der Sphäre des Prüflings, auch für eine vom Prüfling geltend gemachte Störung des ordnungsgemäßen Prüfungsablaufs, als geeignet und erforderlich erweisen. Die wegen der verbleibenden Rechtmäßigkeitszweifel erforderliche ergänzende Folgenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus, da die durch die Aufzeichnung und Speicherung der Daten eintretenden Belastungen zumutbar seien.
 

Betroffenheit der Lehrfreiheit von Hochschullehrenden durch die Ersetzung von Klausuren durch sogenannte Ersatzleistungskontrollen, 4. Februar 2021

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen (OVG Bautzen) hatte sich in dem zugrundeliegenden Fall mit der Frage zu beschäftigen, ob durch Fakultätsratsbeschluss alle Klausuren für den Erwerb eines Grundlagenscheins durch sogenannte Ersatzleistungskontrollen ersetzt werden konnten oder ob vielmehr dem betroffenen Hochschullehrenden die Durchführung der Aufsichtsklausur in dem von ihm vertretenen Grundlagenfach gewährleistet werden musste. Das Gericht entschied indes, dass kein Anspruch eines Hochschullehrers gegenüber der Hochschule auf Gewährleistung der Durchführung einer vorgesehenen Klausur als Präsenzklausur bestehe (OVG Bautzen, Beschluss vom 4. Februar 2021, Az. 2 B 27/21).

Das Gericht argumentierte, dass sich ein Anordnungsanspruch nicht aus § 4 SächsHSFG ergebe. Hiernach gewährleisten der Freistaat Sachsen und die Hochschulen im Rahmen ihrer Aufgaben, dass die Freiheit von Kunst und Wissenschaft sowie von Forschung und Lehre nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 21 Satz 1 SächsVerf sowie die Freiheit des Studiums für die Mitglieder und Angehörigen der Hochschule gewährt werden. Die Freiheit der Lehre nach Satz 3 umfasse im Rahmen der Lehraufgaben insbesondere die Abhaltung von Lehrveranstaltungen und deren inhaltliche und methodische Gestaltung sowie das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrmeinungen. § 4 SächsHSFG lege damit seiner Definition den Begriff der Lehrfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG zugrunde. Diese schütze, so das Gericht, als selbständige Teilgarantie den Inhalt, den Ablauf und die freie Wahl der methodischen Ansätze in den Lehrveranstaltungen. Von der Lehrfreiheit der Lehrenden zu unterscheiden sei indes die Lehrfreiheit der Hochschule selbst und ihrer organisatorischen Gliederungen - Fakultäten und Fachbereiche. Diese seien ihrerseits Träger des Grundrechts aus Art 5. Abs. 3 GG.

Unter Zugrundelegung der Unterscheidung der Gegenstände der Lehrfreiheit nach den verschiedenen Grundrechtsträgern handele es sich bei der Vorgabe einer Fakultät, Klausuren für den Erwerb eines Grundlagenscheins im Wintersemester 2020/2021 durch sogenannte Ersatzleistungskontrollen zu ersetzen, um eine von der Hochschule bzw. der zuständigen Fakultät im Rahmen ihrer Satzungsautonomie erlassene Regelung.

Eingriff in den Aufgabenbereich einer Hochschullehrerin, 3. Februar 2021

Die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG schützt eine Hochschullehrerin, die neben ihren Aufgaben in Forschung und Lehre laut ihrer ursprünglich vereinbarten Funktionsbeschreibung Leitungsfunktionen im Bereich der Krankenversorgung des Universitätsklinikum übernommen hatte, nicht davor, dass diese Funktionsbeschreibung geändert wird. Das gilt nach einer neuen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls solange, wie der Anteil der Betätigung – hier im Bereich der Krankenversorgung – erhalten bleibt, der für die Erfüllung der Aufgaben in Forschung und Lehre notwendig sei (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 2021, Az. 2 C 4.19).

I. Sachverhalt

Die klagende Hochschullehrerin ist als habilitierte Humanmedizinerin mit der Lehrbefugnis für „Innere Medizin“ im hessischen Landesdienst an einer Universität und an einem Universitätsklinikum tätig. Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung, die auf die Ausschreibung der Stelle Bezug nimmt, beinhaltete auch Leitungsfunktionen in der Kranken­versorgung des Universitätsklinikums.

Im Februar 2011 beschloss die mittlerweile privatisierte Klinik eine Umstrukturierung, die unter anderem den von der Hochschullehrerin geleiteten Bereich betraf. Nach der Umstrukturierung sollte der klinische Bereich in zwei Schwerpunkte aufgeteilt werden. Die Hochschullehrerin sollte dabei die Leitung des Bereichs Hepatologie und Gastroenterologie übernehmen, nicht aber den Bereich Zentrale Interdisziplinäre Viszeralmedizinische Endoskopie. Nur im letzteren Bereich sollte indes die Mehrzahl der endoskopischen Eingriffe durchgeführt werden. Der Präsident teilte der Hochschullehrerin in der Folgezeit mit, dass im Hinblick auf die Neustrukturierung Art und Umfang der Dienstaufgaben überprüft und „soweit erforderlich unter ausdrücklicher Anpassung der ursprünglichen Funktionsbeschreibung“ geändert würden; dadurch entfiel für sie ein Teil der zuvor bestimmten Verantwortlichkeiten in der Krankenversorgung.

Die Hochschullehrerin wandte sich gegen diese Entscheidung mit einem Widerspruch, denn damit verblieb ihr nach ihrem Dafürhalten nur noch eine minimale Leitungsfunktion in der Krankenversorgung, die keinen einer Humanmedizinprofessorin angemessenen Anteil darstelle.

Nach erfolglosem Widerspruch und erfolgloser Klage in erster Instanz hatte der VGH Kassel (Urteil vom 21. Februar 2019, Az. 1 A 710/17) der Klage der Hochschullehrerin in zweiter Instanz stattgegeben. Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig. Insbesondere stelle die ursprüngliche Funktionsbeschreibung einen Verwaltungsakt dar, weil der Hochschullehrerin mit den darin zugewiesenen Leitungsaufgaben eine subjektive Rechtsposition zugewiesen worden sei. Die darin eingreifende Änderung ihres Tätigkeitsbereichs durch die neue Funktionsbeschreibung sei formell rechtswidrig, weil hierfür nicht der Präsident der Universität, sondern das Präsidium der Universität zuständig sei. Der VGH Kassel hielt die Änderung der Funktionsbeschreibung damit letztlich für eine hochschulrechtliche und nicht für eine beamtenrechtliche Angelegenheit.

II. Die Entscheidung des BVerwG

Anders das BVerwG: Es hat das Urteil des VGH aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Klage sei gerade nicht als Anfechtungsklage zulässig, weil die Funktionsbeschreibung keinen Verwaltungsakt darstelle. Zwar gehöre das Hochschulrecht grundsätzlich zum vom Revisionsgericht nicht überprüfbaren Landesrecht. Doch liege dem Berufungsurteil eine nach allgemeinen revisionsrechtlichen Grundsätzen zu beanstandende Auslegung des Inhalts der Funktionsbeschreibung zugrunde; zudem werde der Gewährleistungsgehalt der bundes-(verfassungs-) rechtlich garantierten und damit revisionsgerichtlicher Beurteilung unterliegenden Wissenschaftsfreiheit verkannt.

Die Tätigkeit eines Hochschullehrers an einer Universitätsklinik sei regelmäßig - wie auch bei anderen Ärzten ohne Wissenschaftsauftrag - in die Krankenversorgung und deren Organisationsstruktur eingeordnet; diese sei nicht unabänderlich. Das bedeutet: Danach ist die Änderung einer Funktionsbeschreibung u. a. dann möglich, wenn sich die der Beschreibung zugrunde liegenden Verhältnisse geändert haben.

Soweit ein Hochschullehrer im Bereich der Krankenversorgung tätig sei, so das BVerwG, garantiere ihm die Wissenschaftsfreiheit lediglich einen angemessenen Tätigkeitsbereich, der nach Umfang und Inhalt eine hinreichende Grundlage an medizinischen Erkenntnissen dafür bietet, dass der Hochschullehrer sein Fach in Forschung und Lehre vertreten kann. Das BVerwG ist also der Auffassung, dass die Wissenschaftsfreiheit die Tätigkeit von Hochschullehrenden an einer Hochschule nur insoweit schützt, wie es für die Vertretung des Fachs in Forschung und Lehre notwendig ist.

Das Berufungsurteil enthalte keine Tatsachenfeststellungen dazu, ob der Tätigkeitsbereich, der der Hochschullehrerin aufgrund der geänderten Funktionsbeschreibung verbleibt, nach Umfang und Inhalt so gestaltet ist, dass sie ihr Fach in Forschung und Lehre angemessen vertreten kann. Daher sei die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Disziplinarverfügung wegen Verwendung der Fachhochschuladresse als Sitz- und Korrespondenzanschrift einer GmbH im Rahmen der Nebentätigkeit, 25. Januar 2021

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) hat entschieden, dass die Verhängung einer Geldbuße gegenüber einem Hochschullehrer, der fortgesetzt die Fachhochschuladresse als Sitz- und Korrespondenzanschrift einer GmbH im Rahmen seiner Nebentätigkeit verwendet hat - trotz wiederholten Aufforderungen des Dienstherrn, dies zu unterlassen – rechtmäßig ist (Urteil vom 25. Januar 2021, Az. 3d A 4887/18.O, juris).

I. Sachverhalt

Der in Rede stehende, disziplinarisch bereits vorbelastete Hochschullehrer sah sich mehreren Vorwürfen seiner Hochschule ausgesetzt. Erstens sei er neben seiner Aufgabe als Professor für eine aus mehreren juristischen Personen bestehende Organisation, u. a. als deren Geschäftsführer tätig, ohne diese Tätigkeit(en) und daraus erzielte Nebeneinnahmen hinreichend gemeldet zu haben, vgl. § 52 Abs. 4 LBG NRW. Es sei, so die Hochschule, anzunehmen, dass er entgegen seiner Angaben sehr wohl Tätigkeiten als Geschäftsführer der GmbH, als Leiter/Ansprechpartner des Instituts und/oder der Stiftung sowie eine außerhalb des übertragenen Amtes liegende wissenschaftliche oder gutachterliche Tätigkeit ausübe, die mithin eine Prüfung der Genehmigungspflicht der Neben-tätigkeit erforderten.

Zweitens sei darüber hinaus davon auszugehen, dass der Hochschullehrer Lehrveranstaltungen außerhalb der Fachhochschule durchführe. Er habe es trotz mehrfacher Aufforderungen des Rektors unterlassen, ergänzende, nachvollziehbare Angaben zu den von ihm zugestandenen Lehrtätigkeiten "an verschiedenen nationalen und internationalen Hochschulen" zu machen.

Drittens sei der Hochschullehrer mit mehreren Schreiben aufgefordert worden, an die (…) GmbH gerichtete Korrespondenz nicht mehr an die Adresse der Fachhochschule schicken zu lassen. Dieser habe jedoch nichts veranlasst, um dies zu verhindern.

Nach entsprechendem Disziplinarverfahren wurde schließlich eine Disziplinarverfügung erlassen, in der als Disziplinarmaßnahme eine Kürzung der Dienstbezüge um 1/10 für die Dauer von zwei Jahren ausgesprochen wurde. Im Detail wurden dem Hochschullehrer folgende Dienstpflichtverstöße als Dienstvergehen vorgeworfen:

1. Die Nichtbeachtung des Auskunftsanspruchs der Behörde bezüglich einer Tätigkeit als Geschäftsführer beim "(..) Institut für Marketing"

Der Hochschullehrer habe gegen seine Dienstpflichten aus § 52 Abs. 4 LBG (Verletzung der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten) sowie aus §§ 34 (Allgemeine Wohlverhaltenspflicht), 35 S. 2 (Missachtung der Gehorsamspflicht) BeamtStG verstoßen, indem er sich auf wiederholtes Nachfragen der Dienststelle geweigert habe, Auskünfte im Zusammenhang mit einer Nebentätigkeit bei dem erwähnten Institut zu erteilen.

2. Die Nichtbeachtung des Auskunftsanspruchs der Behörde bezüglich auswärtiger Lehrtätigkeiten

Er habe darüber hinaus gegen seine Pflichten aus § 52 Abs. 4 LBG sowie aus §§ 34, 35 S. 2 BeamtStG verstoßen, indem er sich auf wiederholtes Nachfragen der Dienststelle geweigert habe, Auskünfte im Zusammenhang mit extern wahrgenommenen Lehrveranstaltungen zu erteilen. Aufgrund des vorausgegangenen Disziplinarverfahrens habe der Hochschullehrer gewusst, dass es für externe Lehrveranstaltungen einer Nebentätigkeitsgenehmigung bedürfe. Somit sei hier von einer vorsätzlichen Nichtbeachtung bzw. Verweigerung der eingeforderten Auskünfte auszugehen.

3. Die nachhaltige Missachtung der Gehorsamspflicht

Schließlich habe er seine Gehorsamspflicht verletzt, indem er entgegen den mehrfachen Aufforderungen des Dienstherrn die Fachhochschuladresse als Sitz- und Korrespondenzanschrift einer GmbH verwendet habe; er habe den eng begrenzten Kreis wiederkehrender Absender nicht über eine andere Anschrift informiert.

Der Hochschullehrer hat daraufhin gegen die Disziplinarverfügung Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben. Er habe nicht seine Auskunftspflichten verletzt, zumal seine Aktivitäten als Geschäftsführer für die (…) GmbH bekannt gewesen seien. Darüber hinaus stelle die Verwendung der Korrespondenzanschrift für die GmbH trotz entsprechender Aufforderung, dies zu unterlassen, keine Missachtung der Gehorsamspflicht dar. Die vorliegende Art der Briefzusendung sei seit 15 Jahren geduldet worden und werde auch weiterhin bei jedem anderen Professor geduldet.

II. Die Entscheidung des OVG Münster

Nachdem das zunächst mit der Sache befasst Verwaltungsgericht Münster der Klage des Hochschullehrers gegen die Disziplinarverfügung vollumfänglich stattgegeben hatte (VG Münster, Urteil vom 18. November 2018, Az. 13 K 2254/17.O, juris), hat das OVG in der Berufungsinstanz die Entscheidung teilweise aufgehoben, soweit es um die Disziplinarverfügung wegen Verwendung der Fachhochschuladresse als Sitz- und Korrespondenzanschrift einer GmbH im Rahmen der Nebentätigkeit ging.

Allerdings erweise sich die angefochtene Disziplinarverfügung insoweit als rechtswidrig, als dem Hochschullehrer vorgeworfen werde, durch die Verletzung von Auskunftspflichten im Zusammenhang mit Nebentätigkeiten ein Dienstvergehen begangen zu haben – in diesem Punkt bestätigte das OVG die vorangegangene Entscheidung des VG.

Das OVG argumentiert dabei im Einzelnen wie folgt:

1. Auskunftspflichten des Hochschullehrers

Dem Hochschullehrer sei nicht nachzuweisen, dass er Auskunftspflichten, gestützt auf § 52 Abs. 4 LBG NRW, oder die ihm nach § 35 Satz 2 BeamtStG obliegende Gehorsamspflicht verletzt hat, indem er auf die Schreiben des Rektors, die dieser in den Jahren 2015 und 2016 an ihn gerichtet hat, nicht mit der Übersendung von Informationen zu seiner Tätigkeit für das Institut und im Rahmen auswärtiger Lehraufträge reagiert hat.

Die Auskunftspflicht beziehe sich grundsätzlich zwar auf jegliche Art von Nebentätigkeiten unabhängig von der Genehmigungspflicht. Sie diene der Abklärung, ob die Ausübung der Nebentätigkeit möglicherweise dienstliche Interessen beeinträchtigt. Der Dienstherr könne indes die Auskunft nur aus einem begründeten Anlass heraus verlangen. Es sei zwar hier ein solcher Anlass gegeben – denn es bestanden, so das OVG, im konkreten Fall Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit im Rahmen des Instituts eine Nebentätigkeit darstellte, die dienstliche Interessen beeinträchtigen könnte und auch Anhaltspunkte dafür, dass die externe Lehrtätigkeit über die privilegierten vier SWS hinausgehen könnte.

Ein förmliches Auskunftsverlangen im Sinne des § 52 Abs. 4 LBG sei indes den Schreiben, die der Rektor an den Hochschullehrer richtete, aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht hinreichend deutlich zu entnehmen gewesen. Hintergrund: Eine Auskunftspflicht des Beamten nach § 52 Abs. 4 LBG NRW ergebe sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern setze eine wirksame und bestandskräftige (oder sofort vollziehbare) entsprechende Verpflichtung durch einen an den Beamten gerichteten Verwaltungsakt voraus. Gemessen an den Voraussetzungen, die nach § 52 Abs. 4 LBG NRW erfüllt sein müssen, damit ein Beamter aufgrund eines schriftlichen Auskunftsverlangens verpflichtet sei, der dienstvorgesetzten Stelle Informationen über seine Nebentätigkeiten zu geben, fehle es bei den Schreiben der Hochschule an einer hinreichend deutlichen Aufforderung, um eine solche Verpflichtung zu begründen. Ein Verwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Adressat müsse ohne weiteres erkennen können, was genau von ihm gefordert wird.

Nach diesen Maßstäben ergebe sich aus dem Inhalt weder der einzelnen Schreiben, die der Hochschullehrer zwischen Februar 2015 und Januar 2016 erhalten hat, noch aus ihrer Zusammenschau hinreichend deutlich, dass der Rektor den Kläger auf der Grundlage von § 52 Abs. 4 LBG NRW verpflichten wollte, unabhängig von einem Genehmigungsantrag oder einer Anzeige über seine Tätigkeit für das Institut und über Lehraufträge an auswärtigen Hochschulen Auskunft zu geben.

Dieses Verhalten stelle auch keine Verletzung der Gehorsamspflicht bezogen auf eine dienstliche Weisung dar. Eine Aufforderung, Informationen zu bestimmten Tätigkeiten zu übermitteln, könne zwar nach § 52 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW Bestandteil einer Weisung sein, einen Genehmigungsantrag zu stellen oder eine Nebentätigkeit anzuzeigen. Aus den Schreiben des Rektors ergebe sich aber wie gezeigt noch nicht einmal mit hinreichender Deutlichkeit eine Aufforderung, Informationen an die Hochschule weiterzugeben, sodass erst recht keine Verletzung der Gehorsamspflicht vorliege.

2. Verwendung der Fachhochschuladresse als Sitz- und Korrespondenzanschrift einer GmbH im Rahmen der Nebentätigkeit

Der Hochschullehrer habe jedoch dadurch gegen seine Gehorsamspflicht verstoßen, dass er wiederholte Weisungen, seine dienstliche Anschrift nicht für Postsendungen an die (…) GmbH zu verwenden, nicht befolgt hat [Anm. des Verfassers: Die Trennung der Nebentätigkeiten von der Haupttätigkeit als Hochschullehrender – auch in räumlicher Hinsicht! – ist wesentliche Säule des Nebentätigkeitenrechts]

Gegen diese Weisung habe der Hochschullehrer vorsätzlich und wiederholt verstoßen. Er habe die Anschrift der Fachhochschule bewusst sowohl vor als auch nach den Aufforderungen im Jahr 2016 als Sitz- und Korrespondenzanschrift der (…) GmbH verwendet. So habe er selbst zum Beispiel das ihm dienstlich zur Verfügung gestellte Arbeitszimmer in der Fachhochschule unter Bezeichnung des Raumes (…) gegenüber dem Registergericht als den Ort angegeben, an dem sich die Geschäftsleitung bzw. Verwaltung der (…) GmbH befinde.

Sein Vorbringen, vergeblich eine Verlegung des Sitzes der (…) GmbH nach (…) beantragt zu haben, entbehre jeder Grundlage. Er habe vielmehr im Gegenteil bis zur Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister im Jahr 2020 gegenüber dem Registergericht angegeben, dass sich der Sitz der (…) GmbH seit 2001 in seinem dienstlichen Büro im Gebäude der Fachhochschule E. befinde und nicht nach (…) verlegt werden solle bzw. könne.

Der Hochschullehrer habe damit vorsätzlich der wiederholten Weisung, für private Postsendungen an die (…) GmbH nicht die Anschrift der Fachhochschule zu verwenden, zuwidergehandelt. Der festgestellte Verstoß gegen die Gehorsamspflicht überschreite auch die Schwelle der disziplinarrechtlichen Erheblichkeit. Allerdings sei die von der Hochschule ausgesprochene Gehaltskürzung mit Rücksicht darauf, dass dem Hochschullehrer im Ergebnis lediglich ein weisungswidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Nutzung der Anschrift der Fachhochschule für postalische Sendungen an die (…) GmbH als Dienstvergehen vorgeworfen werden könne, nicht geboten. Mit Hinblick auf die Schwere dieses innerdienstlichen Dienstvergehens und des Verschuldens des Hochschullehrers sei unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes und des Umfangs der Vertrauensbeeinträchtigung eine Geldbuße in Höhe von 4.500,00 Euro erforderlich, aber auch ausreichend. Die Disziplinarmaßnahme trage schließlich auch dem Grundsatz der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen Rechnung – denn der Grundsatz der stufenweisen Steigerung besage gerade nicht, dass jede weitere Disziplinarmaßnahme gegen einen Beamten zwangsläufig und unbedingt höher als die zuvor gegen ihn verhängte ausfallen müsse. Sie stehe schließlich auch mit dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang.

Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung, 16. Dezember 2020

Der Bundesgerichtshof hat Ende 2020 entschieden, dass eine der größten privaten Krankenversicherungen in Deutschland wegen unzureichender Begründung von Beitragserhöhungen den  Kunden zu viel gezahlte Beiträge zu erstatten hat (BGH, Urteile vom 16. Dezember 2020, Az. Az.: IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19, juris).

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erfordere die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Keine Mitteilungspflicht bestehe indes in Bezug darauf, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat.

Weitere Details sind der entsprechenden Pressemitteilung des BGH zu entnehmen, abrufbar im Internet unter Der Bundesgerichtshof - Presse : Pressemitteilungen aus dem Jahr 2020 - Begründung einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung.

Kein Nachholen von Lehrveranstaltungen im Fall einer Erkrankung, 14. Dezember 2020

In einem kürzlich zugunsten eines Hochschullehrers vom Verwaltungsgericht Karlsruhe entschiedenen Fall, den der hlb finanziell unterstützt hat, war der betroffene Hochschullehrer im Wintersemester 2015/2016 nachweislich dienstunfähig erkrankt. An der Hochschule existierte zu der Frage der Erkrankung eine von der Hochschulleitung verfasste „Handreichung“ zum Ausfüllen der Lehrverpflichtungsabrechnungsbögen mit folgender Regelung: „Fällt ein/e Professor/in für mehr als vier Wochen ohne Unterbrechung aus berechtigten Gründen aus (Elternzeit, Krankheit; Nachweise müssen eingereicht werden), wird die zu erbringende Lehrverpflichtung anteilsmäßig reduziert. Dabei ist es unerheblich, ob die Fehlzeiten innerhalb oder außerhalb der Vorlesungszeit liegen.“

Die Hochschulleitung errechnete unter Anwendung der Handreichung ein „Nachholdeputat“ von sechs SWS. Nach Widerspruch des Hochschullehrers reduzierte sie die Festsetzung des nicht erfüllten Lehrdeputats auf zwei SWS. Nachdem der Hochschullehrer den Lehrverpflichtungsabrechnungsbogen - zu Recht - auch nicht um zwei SWS nach unten korrigieren wollte, änderte ihn schließlich die Hochschule im Wege der Selbstvornahme ab, mit der Folge, dass der Hochschullehrer sein Lehrdeputat für das Wintersemester 2015/2016 in Höhe von zwei SWS nicht erfüllt hatte. Diesen Bescheid hat nun das Verwaltungsgericht Karlsruhe nach Klage des Hochschullehrers aufgehoben (VG Karlsruhe, Urteil vom 14. Dezember 2020, Az. 11 K 1503/19).

Das Verwaltungsgericht argumentierte wie folgt: Wenn die Hochschule in Ausführung der dienst- und beamtenrechtlichen Vorgaben für das beklagte Land tätig werde und eine Regelung in Bezug auf die einem Hochschullehrer gegenüber dem Land obliegende Dienstverpflichtung treffe, bedürfe die erfolgte Feststellung eines unerfüllten Lehrdeputats zu ihrer Rechtmäßigkeit einer normativen Grundlage, der sich hinreichend bestimmt Umfang und Grenzen der sich aus ihr ergebenden Befugnis entnehmen lasse. Eine solche Ermächtigungsgrundlage existiere jedoch nicht, hier liege lediglich die interne „Handreichung“ der Hochschule vor. Diese sei als Ermächtigungsgrundlage unzulänglich, weil ihr keine Rechtsqualität zukomme.

Auch die übrigen Vorschriften der Lehrverpflichtungsverordnung enthielten zu einer Festsetzung eines krankheitsbedingten Nachholdeputats keine Ermächtigungsgrundlage, auf die die vorliegende Entscheidung gestützt werden könne. Die Lehrverpflichtungsverordnung ermächtige die Hochschule für den hier vorliegenden Fall der Erkrankung von Lehrpersonen weder dazu, das sich aus ihr ergebende Lehrdeputat für Lehrpersonen zu reduzieren, noch dazu, ein unerfülltes Lehrdeputat wegen infolge der Erkrankung nicht erbrachter Lehrveranstaltungen festzusetzen. Anhaltspunkte dafür, wie eine krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit in Bezug auf das Lehrdeputat zu behandeln sind, ließen sich aber weder dem Wortlaut der Definition der Semesterwochenstunde noch der Zwecksetzung der Verordnung – den allgemeinen Umfang der Lehrverpflichtung, in Bezug auf die die Erkrankung als ein Sonderfall anzusehen sei, festzulegen – entnehmen. Vielmehr spreche der Umstand, dass sich die Lehrverpflichtung systematisch unter anderem in die Abschnitte „Lehrverpflichtung“, „Erfüllung der Lehrverpflichtung“ und „Abweichungen von der Lehrverpflichtung“ gliedert, gleichzeitig aber in keinem dieser Abschnitte die krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit erwähnt werde, dafür, dass mit den dortigen Regelungen die Auswirkung einer Erkrankung auf den Umfang der Lehrverpflichtung nicht normiert werden sollte.

Eine Ermächtigungsgrundlage lasse sich auch nicht aus dem der Lehrverpflichtungsverordnung zugrundeliegenden Regelungskonzept, nach dem die Arbeitszeit für Professorinnen und Professoren nach der von der Hochschule in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung vergleichbar mit Arbeitszeitkonten ausgestaltet sein soll, entnehmen. Der Lehrverpflichtungsverordnung liege in Bezug auf Erkrankungen kein Regelungskonzept zugrunde, nach dem sich eine länger andauernde krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit im Hinblick auf deswegen nicht erbrachte Lehrveranstaltungen dergestalt auf das für einen Hochschullehrer allgemein geltende Lehrdeputat auswirkt, dass sich dieses anteilig reduziert und ein gegebenenfalls danach noch verbleibendes Restdeputat als in dem betroffenen Semester unerfüllt anzusehen ist.

Etwas anderes lasse sich schließlich auch nicht aus dem Regelungszusammenhang zwischen der Lehrverpflichtungsverordnung und dem Landeshochschulgesetz ableiten, insbesondere auch nicht aus dem im Landeshochschulgesetz normierten Organisations- bzw. Weisungsrecht der Hochschulen hinsichtlich Lehrveranstaltungen. Die entsprechenden Weisungsregelungen könnten ebenfalls nicht als Ermächtigungsgrundlage dienen. Denn sie beziehen sich, so das Gericht, gerade nicht auf den vorliegenden Sonderfall der Dienstunfähigkeit, dass Lehrveranstaltungen aufgrund einer Erkrankung des Hochschullehrenden nicht erbracht werden konnten.

Die Berufung wurde nicht zugelassen.

Geeignete Auswahlkriterien in Berufungsverfahren, 8. Dezember 2020

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH Mannheim) hat sich zu geeigneten Auswahlkriterien im Berufungsverfahren geäußert. Danach darf eine Hochschule grundsätzlich in einem mehrstufigen Berufungsverfahren die Auswahlkriterien „qualitativ hochwertige Promotion“ und „hinreichende Lehrerfahrung im Fachgebiet der ausgeschriebenen Professur“ heranziehen, um aus einem größeren Bewerberfeld diejenigen Kandidaten auszuwählen, die zu Probevorlesungen eingeladen werden (VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Dezember 2020, Az. 4 S 2583/20, juris).

1. Eine Einengung der gesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 LHG BW im Anforderungsprofil einer Stellenausschreibung unterliege dagegen rechtlichen Zweifeln. Denn bei der Bestimmung des Anforderungsprofils einer ausgeschriebenen Stelle sei die öffentliche Verwaltung an die gesetzlichen Vorgaben gebunden; eine Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt könne nur aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgen.

Ein (Vor-)Auswahlkriterium der qualitativ hochwertigen Dissertation dürfte daher nach Ansicht des VGH dann rechtlichen Bedenken ausgesetzt sein, sofern offensichtlich wäre, dass die wissenschaftliche Leistung eines Bewerbers einer hochwertigen Promotion gleichwertig ist, wie dies etwa bei einer Autorenschaft in „dem“ Standardkommentar des Rechtsgebiets der ausgeschriebenen Professur oder einer einschlägigen umfangreichen Monographie der Fall sein könnte. In diesem Fall handele es sich um ein konstitutives Kriterium einer Promotion im Anforderungsprofil, das entgegen den großzügigeren gesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen Ausschlusskriterien für die Berufungsfähigkeit der Bewerber vorgesehen hätte.

Im konkreten Fall sei dies aber nicht anzunehmen, denn das konkrete Anforderungsprofil der Hochschule gebe das gesetzliche Leitbild, dass die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit grundsätzlich auch ohne Promotion nachgewiesen werden kann, zutreffend wieder.

                                                                                 * * *

2. In einem weiteren Verfahren, das dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (OVG Schleswig-Holstein) am gleichen Tage zur Entscheidung vorlag, ging es ebenfalls um geeignete Auswahlkriterien in Berufungsverfahren (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8. Dezember 2020, Az. 2 MB 28/20, juris). 

Das OVG Schleswig-Holstein hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob es zulässig ist, den maßgeblichen Eignungsvorsprung eines Bewerbenden anhand nur einer Probevorlesung festzumachen. Die Zulässigkeit dieses Vorgehens hat das OVG indes in seinem Beschluss bestätigt und argumentiert dabei, dass bei Ersteinstellungen neben sonstigen Eignungs- und Befähigungsnachweisen singuläre Auswahlgrundlagen wie Gespräche, Assessmentcenter oder auch Probevorlesungen immanent seien. Es widerspreche auch nicht dem Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 GG, wenn bei der Ersteinstellung auf bloß eine einmalige Auswahlgrundlage maßgeblich abgestellt werde. Der Bewerber müsse seine Eignung eben auf den Punkt präsentieren.

Dass stets zwei Probevorlesungen als Mindeststandard anzusehen sind, folge insbesondere auch nicht aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Juni 2011, Az. Au 2 E 11.617. Vielmehr gehe das Verwaltungsgericht Augsburg davon aus, dass die Auswahlentscheidung maßgeblich auf Probevorlesungen an sich gestützt werden darf, ohne dass eine Mindestanzahl genannt werde. Ebenso gehe auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 14. Juni 2019, Az. 1 B 347/19, Rn. 26 und 9, juris) davon aus, dass Auswahlentscheidungen zulässigerweise anhand von Probevorlesungen getroffen werden können, ohne jedoch eine Mindestanzahl zu problematisieren; auch in dem dort zu beurteilenden Sachverhalt habe nur eine einzige Probevorlesung stattgefunden.

 

 

Zwangsgeld nach nicht beachteter Untersagungsverfügung hinsichtlich einer unzulässigen Hochschultätigkeitsbezeichnung, 9. November 2020

Der Tatbestand des Führens einer Hochschultätigkeitsbezeichnung im Sinne des Hochschulgesetzes Nordrhein-Westfalen (§ 69 Abs. 7) ist erfüllt, wenn der Betreiber einer Website die Bezeichnung auf Veranlassung des Betroffenen verwendet und damit den Anschein erweckt, dieser sei aktuell berechtigt, die Bezeichnung zu führen. Damit bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) Anfang November 2020 die vorhergehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2020, Az. 15 L 757/2 (OVG Münster, Beschluss vom 9. November 2020, Az. 19 B 920/20, juris).

Der Betroffene (im Folgenden: „Antragsteller“) hatte die Verwendung der abgekürzten Bezeichnung „Prof. (OUQ)“ auf der Website einer GmbH veranlasst, indem er auf Bitte seines Sohnes und seines Neffen zugestimmt hatte, seinen Namen mit der Bezeichnung „Prof. (OUQ)“ zu Werbezwecken als Referenz aufzuführen. In dem Beschwerdeverfahren vor dem OVG Münster ging er in zweiter Instanz gegen den Zwangsgeldbescheid des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen vor. Das Wissenschaftsministerium hatte indes dem Betroffenen schon mit Verfügung von Februar 2017 ohne inhaltliche Einschränkung untersagt, anstelle der zulässigen Bezeichnung „kezuo jiaoshou (Meeresuniversität Qingdao) (Gastprofessor)“ die Bezeichnung „Prof. (OUQ)“ zu führen, und mit Verfügung aus dem Herbst 2019 für jeden Einzelfall, in dem er die genannte Bezeichnung führt, ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 Euro angedroht.

Die Vorschrift des § 69 Abs. 7 Hochschulgesetzes Nordrhein-Westfalen des Hochschulgesetzes Nordrhein-Westfalen lautet auszugsweise: „Von den Absätzen 2 bis 6 abweichende Grade, Titel, Ehrengrade, Hochschultitel oder Hochschultätigkeitsbezeichnungen dürfen nicht geführt werden; das Gleiche gilt, soweit solche Bezeichnungen durch Titelkauf erworben worden sind (…). Eine von den Absätzen 2 bis 6 abweichende Führung eines Grades, eines Ehrengrades, eines Hochschultitels oder einer Hochschultätigkeitsbezeichnung kann vom Ministerium oder einer von ihm beauftragten Behörde untersagt werden. Wer vorsätzlich gegen Satz 1 oder eine Anordnung nach Satz 2 bis 5 verstößt, handelt ordnungswidrig.“

Vor diesem Hintergrund urteilte das OVG Münster: Wenn der Antragsteller einer GmbH ohne zeitliche Befristung gestatte, ihn zu Werbezwecken mit der Bezeichnung „Prof. (OUQ)“ als Referenz aufzuführen, sei er mit anderen Worten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Bezeichnung von den Internetseiten der GmbH entfernt werde. Dieser Verpflichtung sei er aber nicht nachgekommen. Dabei sei es unerheblich, ob er vorsätzlich gehandelt oder sich schlicht nicht mehr an die frühere Vereinbarung erinnert habe. Denn die Zwangsgeldfestsetzung erfülle vorliegend auch unabhängig davon, ob dem Antragsteller die weitere Verwendung der Bezeichnung „Prof. (OUQ)“ bewusst war, eine Beugefunktion. Sie solle auf den Antragsteller einwirken, die sich aus der Untersagungsverfügung vom ergebenden Verpflichtungen in Zukunft zu erfüllen. Die Zwangsgeldfestsetzung setze als Beugemittel keinen vorsätzlichen oder schuldhaften Verstoß gegen das zugrundeliegende Handlungs- oder Unterlassungsgebot voraus.

Sie sei im Übrigen auch nicht unverhältnismäßig. Dies könne höchstens dann der Fall sein, wenn der Betroffene zuvor alles ihm Zumutbare unternommen habe, um die untersagte Führung der Hochschultätigkeitsbezeichnung auf den betroffenen Internetseiten zu beenden. Gerade dies habe der Antragsteller nach den vorliegenden Erkenntnissen jedoch nicht getan.

Einholung von auswärtigen, vergleichenden Gutachten und Einsatz einer externen Personalberatungsfirma in der Vorbereitung eines Berufungsvorschlags für die Besetzung einer Hochschulprofessur, 11. November 2020

In einem Konkurrentenstreitverfahren um eine W2-Professur hat das Verwaltungsgericht München entschieden, dass es im Ermessen des Berufungsausschusses stehe, im Berufungsverfahren zur Vorbereitung des Berufungsvorschlags zunächst einige Kandidaten als „vorläufig nicht listenfähig“ zu bestimmen, diese Kandidaten aber trotzdem noch auswärtig und vergleichend begutachten zu lassen. Der Berufungsausschuss dürfe darüber hinaus auch eine externe Personalberatungsfirma zur Vorbereitung des Berufungsvorschlags heranziehen (VG München, Beschluss vom 11. November 2020, Az. M5 E 20/2270, juris).

In dem Verfahren wehrte sich ein nicht für die Berufungsliste berücksichtigter Bewerber (Konkurrent) mit dem Hinweis, dass in Vorbereitung des Berufungsvorschlags auswärtige, vergleichende Gutachten auch für solche Bewerber eingeholt worden waren, die bereits wie der Konkurrent durch den Berufungsausschuss als „vorläufig nicht listenfähig“ eingestuft worden waren. Außerdem hätte keine externe Personalberatungsfirma in die Entscheidung einbezogen werden dürfen. Die externen Gutachter hatten den Konkurrenten als „nicht geeignet“ eingestuft, in der Gesamteinschätzung der Personalberatungsfirma hatte er unter allen Bewerbern den letzten Platz belegt, war gleichwohl aber noch als „geeignet“ bewertet worden.

Das VG München wies indes seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück. Die Auswahlentscheidung der Berufungskommission sei verfahrensfehlerfrei im mehrstufigen Berufungsverfahren nach Art. 18 BayHSchPG zustande gekommen. Auch und gerade die Einholung auswärtiger, vergleichender Gutachten auch zu den als nicht listenfähig eingeschätzten Bewerbern sei nicht zu beanstanden. Dies ergebe sich aus folgenden Überlegungen: Nach Art. 18 Abs. 4 S. 5 BayHSchPG stelle der Berufungsausschuss unter Einholung auswärtiger und vergleichender Gutachten einen Berufungsvorschlag auf, der drei Namen enthalten solle. Dem Wortlaut dieser Regelung könne jedoch nicht entnommen werden, dass diese Gutachten nur für listenfähige Kandidaten eingeholt werden dürften. Zwar werde es in der Regel weniger sinnvoll sein, ein Gutachten für einen Bewerber erstellen zu lassen, der bereits als nicht listenfähig eingeordnet worden sei. Grundsätzlich stehe es jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsausschusses, zu entscheiden, welche Quellen er benötige, um sich ein umfassendes Bild über den Bewerberkreis zu machen. Vorliegend habe der Berufungsausschuss nur vorläufig über die Listenfähigkeit der Bewerber entschieden und sich eine abschließende Entscheidung nach Vorliegen der Gutachten oder Stellungnahmen vorbehalten. Dagegen sei rechtlich nichts einzuwenden.

Entgegen der Ansicht des Konkurrenten hätten die auswärtigen Gutachten die Bewerber auch miteinander vergleichen sollen. Nach dem Gesetz sollen nämlich, so das Gericht, „auswärtige vergleichende Gutachten“ eingeholt werden. Die Einholung „vergleichender“ Gutachten meine, dass das jeweilige Gutachten zunächst jeden Kandidaten anhand der Beurteilungskriterien begutachten müsse und sodann die Kandidaten untereinander.

Auch das Argument, dass es für die Durchführung von Personalgesprächen mit den Bewerbern durch von der Hochschule beauftragte Personalberater keine rechtliche Grundlage gebe, konnte das Gericht nicht überzeugen, denn Art. 18 Abs. 4 S. 5 BayHSchPG enthalte mit Ausnahme der in S. 5 normierten Verpflichtung, auswärtige und vergleichende Gutachten einzuholen, keine weiteren Vorgaben, welche Erkenntnisquellen der Berufungsausschuss seiner Entscheidung zugrunde zu legen habe. Es sei deshalb in das pflichtgemäße Ermessen des Berufungsausschusses gestellt, zu entscheiden, welche Quellen er benötige, um sich ein umfassendes Bild über den Bewerberkreis zu machen. So könnten beispielsweise psychologische Gutachten oder Persönlichkeitstestests mit den Bewerbern durchgeführt werden.

Die Entscheidung betrifft z. B. auch NRW, da auch hier die Einholung auswärtiger und/oder vergleichender Gutachten zum Berufungsverfahren gehört (vgl. § 38 Abs. 3 S. 2 HG NRW).

 

Anrechnung der Leistungsbezüge auf das erhöhte Grundgehalt (Konsumtion), 28. Oktober 2020

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat in einem Verfahren gegen die Anrechnung der Leistungsbezüge auf das erhöhte Grundgehalt (Konsumtion) mit Urteil vom 28.10.2020 die Berufung des klagenden Hochschullehrers im Wesentlichen abgewiesen (Az. 1 A 238/18). Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht des Saarlandes die vorhergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Juni 2018, Az. 2 K 1049/16).

Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass die durch § 12a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Saarländischen Besoldungsgesetzes (SBesG) bewirkte Anrechnung der Erhöhung des Grundgehalts in der W-Besoldung auf Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge sowie besondere Leistungsbezüge im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BesG SL mit Art. 33 Abs. 5 GG sowie mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sei. Insbesondere werde mit der Anrechnung nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und nicht gegen das Leistungsprinzip verstoßen und keine systematische Schlechterstellung älterer Professoren bewirkt.

Allerdings sei der Hilfsantrag der Berufung begründet. Zu Recht beanstande der betroffene Hochschullehrer, dass die Anrechnungsregelung in § 12a SBesG rechtsfehlerhaft angewandt wurde, indem der in Absatz 1 der Vorschrift für Leistungsbezüge, die am 1. Januar 2013 zugestanden haben, vorgesehene maximale Kürzungsbetrag von 450,00 Euro für die Zeit ab September 2013 dynamisiert zur Anwendung gebracht wurde. Denn § 12a Abs. 4 Satz 1 SBesG sei nicht dahin zu verstehen, dass die Verminderungsbeträge des § 12a Abs. 1 Satz 1 SBesG bezogen auf alle zur Zeit der Besoldungserhöhungen in September 2013 bzw. September 2014 bezogenen Leistungszulagen im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SBesG dynamisiert zur Anwendung kommen; insbesondere werden, so das Oberverwaltungsgericht, durch die Formulierung in § 12a Abs. 4 Satz 1 „die in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 26. Februar 2015 erstmalig oder erneut gewährt worden sind“ nicht auch die Leistungsbezüge erfasst, die in dem genannten Zeitraum fortlaufend (weiter-)gewährt werden.

Online-Prüfung oder Präsenzprüfung, 2. September 2020

Ob eine schriftliche Prüfung im Rahmen eines Hochschulstudiums im Grundsatz als Online- Prüfung oder als Präsenzprüfung angeboten wird, obliegt - im Rahmen der bestehenden rechtlichen Vorgaben - auch in Zeiten der Corona-Pandemie dem Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der Prüfer. Danach hat der jeweilige Prüfer die geeignete Prüfungsform auszuwählen und darüber zu entscheiden, ob eine etwaige alternative Prüfungsform in Betracht kommt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 02. September 2020, Az. 2 ME 349/20, juris).

Eine Ermessensreduzierung auf Null in dem konkreten Fall dahingehend, dass nur die vom Antragsteller begehrte Form der Onlineklausur zulässig wäre, war nach Einschätzung des Gerichts auch in Ansehung der verfügbaren Räumlichkeiten und des vorgesehenen Hygienekonzepts nicht gegeben. Damit bestätigte das Oberverwaltungsgericht die vorhergehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg (VG Lüneburg, Beschluss vom 24. August 2020, Az. 6 B 102/20).

Kein Nachteilsausgleich wegen Prüfungsangst in Gruppenprüfungen, 29. Juli 2020

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich in einem Eilverfahren erneut mit den Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs beschäftigt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juli 2020, Az.: 2 ME 312/20, juris) und dabei festgestellt, dass die Regelungen des Nachteilsaugleichs allein dem Ausgleich der durch die Benachteiligung bedingten Einschränkung der Fähigkeit der Darstellung der tatsächlich vorhandenen Leistungsfähigkeit des Prüflings dienen.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich in einem Eilverfahren erneut mit den Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs beschäftigt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juli 2020, Az.: 2 ME 312/20, juris) und dabei festgestellt, dass die Regelungen des Nachteilsaugleichs allein dem Ausgleich der durch die Benachteiligung bedingten Einschränkung der Fähigkeit der Darstellung der tatsächlich vorhandenen Leistungsfähigkeit des Prüflings dienen. >- Teaser

Anlass der Entscheidung war die Beschwerde einer Studierenden im Studiengang Humanmedizin an einer Hochschule in Niedersachsen. Auf Grund einer ärztlich diagnostizierten spezifischen (isolierten) Phobie (Prüfungsangst) beantragte sie für eine um Juli 2020 abzulegende mündlich-praktische Prüfung im Fach Anatomie im Wege des Nachteilsausgleichs dessen Durchführung als Einzelprüfung anstatt der regulär vorgesehenen Gruppenprüfung. Diesen Antrag lehnte die Hochschule indes ab.

Daraufhin ersuchte die Studentin beim zuständigen Verwaltungsgericht Hannover um Eilrechtsschutz mit dem Ziel, die Zulassung der begehrten Prüfungsform im Wege einer einstweiligen Anordnung mit verpflichtender Wirkung gegenüber der Hochschule zu erwirken.

Das angerufene Verwaltungsgericht Hannover lehnte den Antrag ab (Beschluss vom 23. Juli 2020, Az.: 6 B 3894/20). Auch die anschließende Beschwerde blieb erfolglos, da sich das Oberverwaltungsgericht den Erwägungen der Vorinstanz anschloss. Nach der Argumentation der Gerichte hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf den begehrten Nachteilsausgleich – in beiden Instanzen –  nicht glaubhaft machen können.

Nach § 7 Absatz 3 Satz 5 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) haben die Prüfungsordnungen der Hochschulen die besonderen Belange von Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen zur Wahrung ihrer Chancengleichheit zu berücksichtigen. Demzufolge bestimmt § 12 Abs. 5 der Prüfungsordnung (PO) für den Studiengang Medizin, dass Studierende, die eine Behinderung durch ärztliches Zeugnis nachweisen, die Erbringung von Prüfungsleistungen in einem gleichwertigen anderen Verfahren oder innerhalb anderer Fristen zu ermöglichen ist.

Das vorgelegte fachärztliche Attest entspreche, so die Gerichte, bereits nicht den Anforderungen des § 12 Absatz 5 PO, da der erforderliche Nachweis einer körperlichen oder seelischen Behinderung durch die attestierte Beeinträchtigung fehle. Auch ein attestiertes Dauerleiden im Sinne einer Behinderung sei vorliegend nicht anzunehmen, da die Prüfungsangst nach den Ausführungen des Attestes nur punktuell in mündlichen Gruppenprüfungen auftrete.

Bei der attestierten Prüfungsangst handele es sich nach Einschätzung der Gerichte augenscheinlich um eine Beeinträchtigung der wissenschaftlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin und damit „um eine Beeinträchtigung der Prüfungsfähigkeit und nicht um eine Beeinträchtigung, die der Antragstellerin – bei bestehender Prüfungsfähigkeit – (nur) die (technische) Umsetzung/Darstellung der durch die Prüfung zu ermittelnden Leistungsfähigkeit erschwert“. Behinderungen und Dauerleiden, die als persönlichkeitsbedingte Eigenschaften die geistige Leistungsfähigkeit des Prüflings prägend seien, seien nach ständiger Rechtsprechung (Senatsbeschluss. v. 24.6.2019 - 2 ME 570/19 - juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss v. 13.12.1985 - 7 B 210.85 -, juris Rn. 6, etc.) nicht ausgleichsfähig. Die vorliegende Beeinträchtigung könne daher „äußerstenfalls einen Rücktritt von der Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit rechtfertigen“.

 

Berechnung des Verringerungsbetrags im Rahmen der Konsumtion, 21. Juli 2020

In dem kürzlich vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG Nds.) entschiedenen Fall ging es um dem Verringerungsbetrag der Leistungsbezüge im Rahmen der Konsumtion. Das LAG hat bestätigt, dass der Verringerungsbetrag - in Niedersachsen in Höhe von 614,68 Euro bei der Besoldungsgruppe W 2 - nicht an der regelmäßigen Besoldungserhöhung teilnimmt und sich daher der Abzugsbetrag nicht entsprechend erhöht (LAG Nds., Urteil vom 21. Juli 2020, Az. 9 Sa 629/18, zuvor so schon VG Osnabrück, Urteil vom 13. November 2018, Az. 3 A 90/15).

Hintergrund: Das Bundesland Niedersachsen hatte die Grundgehälter rückwirkend zum 1. Januar 2013 um 614,68 Euro in der Besoldungsgruppe W 2 mit dem Niedersächsischen Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung erhöht. Monatliche Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge sowie Leistungsbezüge für besondere Leistungen, über deren Gewährung bis zum 28. Juli 2014 entschieden wurde, verringern sich danach für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 um 614,68 Euro in der Besoldungsgruppe W 2, höchstens jedoch um die Hälfte des Gesamtbetrags dieser Leistungsbezüge (Konsumtion). Ferner gilt für die Berechnung von Leistungsbezügen, die nach einem Prozentsatz vom jeweiligen Grundgehalt bemessen werden und über deren Gewährung bis zum 28. Juli 2014 auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Höhe des Grundgehaltes entschieden wurde, der folgende Grundsatz: Das für die Berechnung des prozentualen Leistungsbezuges zugrunde zu legende Grundgehalt wird für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 um 614,68 Euro in der Besoldungsgruppe W 2 verringert.

In dem konkreten Fall – der von den Arbeitsgerichten spielte, weil es sich um einen angestellten Hochschullehrer handelte, der per Arbeitsvertrag den beamtenrechtlichen Besoldungsregelungen unterworfen war – hatte das beklagte Land, vertreten durch das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung, bei der Neuberechnung ab 1. Januar 2013 den zu diesem Zeitpunkt konkret maßgeblichen Berufungsleistungsbezug des klagenden Hochschullehrers zugrunde gelegt und den Kürzungsbetrag in Höhe von 614,68 Euro abgezogen. Ab der ersten Erhöhung der Besoldung zum 1. Juni 2014 hatte das Land indes nicht nur den Berufungsleistungsbezug um 2,95 Prozent erhöht, sondern auch den Abzugsbetrag mit der Folge, dass statt 614,68 Euro 632,82 Euro abgezogen wurden. Diese Berechnungsweise setzte die Beklagte mindestens bis zum 31. Dezember 2019 fort.

Der Hochschullehrer setzte sich mit einer Klage zum zuständigen Arbeitsgericht zur Wehr, nun entschied das LAG in zweiter Instanz zu dieser Problemstellung. Entgegen der Auffassung des Landes nehme, so das LAG, der Kürzungsbetrag nicht an der regelmäßigen Besoldungserhöhung teil. Weder dem Gesetzeswortlaut noch anderen Teilen der Normen noch anderen Vorschriften aus dem Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) seien Hinweise dazu entnehmen, dass die Kürzungsbeträge an Besoldungserhöhungen partizipierten. Es handele sich vielmehr um feststehende Beträge, die bei der Berechnung von Leistungsbezügen zugrunde zu legen sind. Das LAG argumentierte dabei wie folgt: Im Zuge des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften aus 2016 sei die Anrechnungsregelung als Übergangsvorschrift in § 69 NBesG aufgenommen worden. In diesem Kontext habe der Gesetzgeber neben redaktionellen Änderungen den Absatz 3 aufgehoben und die Reihenfolge der Absätze 1 und 2 getauscht, die Kürzungsbeiträge hinsichtlich des Grundgehalts zur Berechnung der Leistungsbezüge und der entsprechend ermittelten monatlichen Leistungsbezüge jedoch nicht um die mittlerweile eingetretenen Besoldungserhöhungen aktualisiert, sondern den Kürzungsbetrag bei der Besoldungsgruppe W2 bewusst bei 614,68 Euro belassen. In diesem Sinne hatte bereits im Jahr 2018 das VG Osnabrück entschieden (Urteil vom 13. November 2018, Az. 3 A 90/15). Auch aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung ergebe sich nichts anderes. Die Auffassung des beklagten Landes, dass die Berechnung der Berufungsleistungsbezügen abweichend zu den prozentualen Leistungsbezügen erfolgen solle, sei daher angesichts des identischen Wortlauts hinsichtlich des Kürzungsbetrags in Höhe von 614,68 Euro nicht vollziehbar: Wie bei den prozentualen Leistungsbezügen sei zunächst auf den Leistungsbezug die regelmäßige Besoldungserhöhung hinzuzurechnen. Hiervon sei der statische Abzugsbetrag in Höhe von 614,68 Euro zu kürzen.

 

 

Maskenpflicht während einer Klausur, 17. Juli 2020

Das Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) hat einen Eilantrag abgelehnt, mit dem sich der antragstellende Studierende (Studienfach Jura) gegen die Verpflichtung gewandt hatte, während zweier Schwerpunktbereichsaufsichtsarbeiten am Sitzplatz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (VG Köln, Beschluss vom 17. Juli 2020, Az. 6 L 1246/20). Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der Prüfung beeinträchtige den Antragsteller nicht unverhältnismäßig in seiner Grundrechtsposition. Sein Interesse müsse „in der Gesamtwürdigung gegenüber den drohenden erheblichen Gefahren für Leib und Leben der anderen Teilnehmer, die bis zum Tod führen können“ zurücktreten.

Die Universität Köln hatte den Antrag des Studierenden auf Prüfungsteilnahme ohne Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am Sitzplatz angesichts der Corona-Pandemie und unter Verweis auf einen aktuellen Rektoratsbeschluss abgelehnt.

Dagegen wandte sich der Studierende mit einem Eilantrag und begehrte die vorläufige Zulassung zu diesen Prüfungen ohne die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an dem ihm während der Prüfung zugewiesenen Sitzplatz. Er befürchte erhebliche Konzentrationsschwierigkeiten, wenn er auch während der Prüfungen eine Maske tragen müsse. Auch sei aus infektionsschutzfachlicher Sicht das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Klausuren nicht erforderlich, wenn der Mindestabstand von 1,50 Metern zu den anderen Prüflingen eingehalten werde.

Das Gericht lehnte den Antrag mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs ab. Zur Begründung führte das Gericht aus: Nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation sei derzeit davon auszugehen, dass „von einer erhöhten Infektionsgefahr bedroht ist, wer sich eine längere Zeit mit vielen anderen Menschen in einem geschlossenen Raum mit wenig Luftaustausch aufhält. Stoßlüften mit weit geöffneten Fenstern sorge für den schnellsten Luftaustausch und verringere die Gefahr einer Ansteckung über Aerosole, ohne diese jedoch auszuschließen“.

Zu würdigen seien die konkreten Rahmenbedingungen der streitgegenständlichen Klausuren. Für diese haben sich nach Angaben der Antragsgegnerin jeweils 85 bzw. 95 Prüflinge angemeldet. Die betreffenden Prüfungsräumlichkeiten verfügen nicht über Fensteröffnungen; lediglich über ein Belüftungssystem. Die reine Bearbeitungszeit zwischen 120 und 180 Minuten könne zu Aufenthaltszeiten von bis zu vier Stunden führen. Unter Berücksichtigung der atmungsintensiven Erbringung von Prüfungsleistungen bestehe ein reales Risiko einer Virenübertragung durch Aerosole, welches wahrscheinlich durch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen reduziert werden könne.

Entgegen der Auffassung des VG Göttingen (Beschluss vom 27. Mai 2020, Az. 4 B 112/20) sei nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Sitzplatz spürbar in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt werde. Zur Abmilderung der Beeinträchtigung sei es den Prüflingen erlaubt, die Mund-Nasen-Bedeckung zum Essen und Trinken kurz anzuheben und Brillenträger sei alternativ die Nutzung eines Gesichtsvisiers gestattet.

„Den von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahmen kommt ein besonderes Gewicht zu, weil derzeit weder ein Impfstoff noch ein zugelassenes und klinisch erprobtes Arzneimittel zur Bekämpfung des neuartigen und in vielerlei Hinsicht noch unerforschten Corona-Virus zur Verfügung stehen“.

Kostendämpfungspauschale für Hochschullehrer in Baden-Württemberg in ihrer derzeitigen Ausgestaltung verfassungswidrig, 1. Juli 2020

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe erachtet die Kostendämpfungspauschale für Hochschullehrer in Baden-Württemberg in ihrer derzeitigen Ausgestaltung für verfassungswidrig. Dies geht aus einem aktuellen Urteil vom 23. Juni 2020 hervor, dessen Begründung am 1. Juli 2020 bekanntgegeben wurde. Mit dem Urteil hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe einer Klage eines Hochschullehrers stattgegeben und das beklagte Land Baden-Württemberg verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfeleistungen zu gewähren (VG Karlsruhe, Urteil vom 23. Juni 2020, Az. 2 K 8782/18, juris).  

Aus der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe: „Der Kläger ist Professor mit einem eigenen Lehrstuhl in der Besoldungsgruppe W 3 bei dem beklagten Land. Nach der baden-württembergischen Beihilfeverordnung müssen sich Beamte bei der anteilsmäßigen Erstattung der ihnen angefallenen Krankheitskosten durch das Land einen jährlichen Eigenanteil, die sog. Kostendämpfungspauschale, abziehen lassen. Der von den jeweiligen Beamten zu tragende Eigenanteil ist dabei nach Besoldungsgruppen gestaffelt unterschiedlich hoch ausgestaltet. Letztmalig zum 1. Januar 2013 wurde die jeweilige Kostendämpfungspauschale erhöht. Für Professoren mit einem eigenen Lehrstuhl an einer Universität wurden dabei erstmals unterschiedliche Eigenanteile festgesetzt. So beträgt die Kostendämpfungspauschale für Professoren der auslaufenden Besoldungsgruppe C 4 225 Euro und für Professoren der neueren Besoldungsgruppe W 3 275 Euro. Der Kläger des der 2. Kammer vorliegenden Verfahrens wandte sich mit seiner Klage gegen diese Differenzierung.

Die 2. Kammer hat in ihrem Urteil zugunsten des Klägers entschieden. Die Erhöhung der Kostendämpfungspauschale zum 1. Januar 2013 sei sowohl formell als auch materiell verfassungswidrig und damit - wie bereits zwei weitere zum 1. Januar 2013 eingeführte besoldungsrechtliche Schlechterstellungen bestimmter Beamter (siehe insoweit die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 82/2018 und die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 25/2019, ferner Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 S 1289/16 - in der Vorinstanz) - unwirksam. Den Gesetzesmaterialien lasse sich keine ausreichende Begründung für die nunmehrige Differenzierung zwischen den beiden bis dato gleichbehandelten Besoldungsgruppen entnehmen. Für die Ungleichbehandlung gebe es zudem keinen sachlichen Grund, nachdem die Besoldungsgruppe W 3 der Besoldungsgruppe C 4 funktional entspreche, diese im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG „im Wesentlichen gleich" besoldet seien und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Professoren damit vergleichbar sei. Der Kläger müsse sich von seinem Kostenerstattungsanspruch daher lediglich die bis zum 31. Dezember 2012 geltende Kostendämpfungspauschale in Höhe von 225 Euro abziehen lassen.

Das Urteil (Az. 2 K 8782/18) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung einlegen.“

Keine Anerkennung von Kann-Vordienstzeiten bei Überschreiten der Versorgungshöchstgrenze, 30. Juni 2020

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die durch das Bayerische Landesamt für Finanzen und durch das Verwaltungsgericht Augsburg bestätigte verweigerte Anerkennung von Kann-Vordienstzeiten in dem Fall, dass die Versorgungshöchstgrenze überschritten wird, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Weder das Alimentationsprinzip noch das Willkürverbot sei verletzt. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof daher abgewiesen (Entscheidung vom 30. Juni 2020, Az. Vf. 13-VI-18).

I. Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall war der Beschwerdeführer nach Studium und Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter gut 13 Jahre hauptberuflich bei der S-AG beschäftigt. Ab März 1995 und bis zum Erreichen der Altersgrenze war er als verbeamteter Hochschullehrer an einer bayerischen Hochschule tätig. Er erhält Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung von damals 482,87 Euro und Regelaltersrente von damals 1006,37 Euro.

Mit Bescheid des Landesamts im Jahr 2015 wurden die Versorgungsbezüge festgesetzt und ein monatlicher Versorgungsbezug von 3.478,25 Euro basierend auf einem Ruhegehaltssatz von 52,61 Prozent bei 29,33 ruhegehaltsfähigen Dienstjahren ermittelt. Bei der Zusammenstellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten blieben im Rahmen der Ermessensausübung die Beschäftigungs-zeiten bei S-AG als wissenschaftliche Qualifikationszeiten im Sinne von Art. 22 Satz 4 (heute: Satz 5) BayBeamtVG (Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz) außer Ansatz.

Nach dieser Ermessensvorschrift seien wissenschaftliche Qualifikationszeiten berücksichtigungsfähig (Kann-Vordienstzeiten), eine Berücksichtigung scheide hier aber wegen Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG und den dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften aus. Denn eine Berücksichtigung sei nur insoweit möglich, als dadurch die Gesamtversorgung aus Ruhegehalt und anderer Versorgungsleistung oder Rente die Höchstgrenze nach Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG nicht überschreite. Hier ergebe aber die Gesamtversorgung bei Einbeziehung betrieblicher Altersversorgung und Regelaltersrente ein Überschreiten der Höchstgrenze, die er mit Höchstruhegehaltssatz vom 71,75 Prozent hätte erreichen können (3.478,25 Euro + 482,87 Euro + 1006,37 Euro = 4.967,49 Euro) – 71,75 Prozent seien bei 4.743,67 Euro erreicht gewesen.

Die dagegen gerichtete Klage wurde vom Verwaltungsgericht Augsburg abgewiesen (Urteil vom 1. Juni 2017, Az. 2 K 16.149), der Antrag auf Zulassung der Berufung ebenfalls (Bayerischer Verwaltungsgerichthof, Beschluss vom 11.12.2017, Az. 3 ZB 17.1413). Daraufhin wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Es sei hier gegen das Alimentationsprinzip (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 Bayerische Verfassung) und gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 Bayerische Verfassung) verstoßen worden.

II. Die Entscheidung

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied nun wie folgt:

1. Kein Verstoß gegen Alimentationsprinzip

Ein das Alimentationsprinzip prägender Grundsatz bestehe zwar darin, dass die Versorgung unabhängig von der Bedürftigkeit des Ruhestandsbeamten zu gewährleisten ist. Deshalb sei die amtsangemessene Alimentation unabhängig davon zu leisten, ob und inwieweit der Versorgungsempfänger in der Lage ist, seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur versorgungsrechtlichen Berücksichtigung geleisteter Dienstzeiten bestehe aber nur im Hinblick auf diejenigen Dienstzeiten, in denen der Beamte dem Dienstherrn gegenüber einen systemgerechten Versorgungsanspruch im aktiven Dienst erdient habe. Dazu zähle die Zeitspanne von 13 Jahren, die der BF bei der S-AG beschäftigt war, ersichtlich nicht.

Etwas anderes gelte auch nicht etwa deshalb, weil für Hochschullehrer an Fachhochschulen besondere Leistungen bei der Anwendung und Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens fünfjährigen beruflichen Praxis verlangt werden, die nach Abschluss des Hochschulstudiums erworben sein muss und von der mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs ausgeübt worden sein müssen: Zwar ergebe sich aus dem Grundsatz amtsgemäßer Versorgung, dass ein Beamter, der die vom Dienstherrn geforderte Vorbildung mitbringe, während einer regelmäßigen und typischen Laufbahn als Berufsbeamter den Höchstsatz der Versorgung einige Zeit vor Erreichen der festgelegten Altersgrenze erreichen könne. Diese verfassungsrechtliche Grenze beziehe sich aber auf den Regelfall des Nur-Beamten. Sie bewirke indes nicht, dass der Dienstherr bei einem Beamten, der vor seiner Ernennung als Arbeitnehmer außerhalb des Öffentlichen Dienstes hauptberuflich beschäftigt war (Mischlaufbahn-Beamter), die dort verbrachte Arbeitszeit als ruhgehaltsfähig berücksichtigen muss.

Ob und in welchem Umfang die öffentliche Hand für diesen Zeitraum ebenfalls Versorgungslasten übernehmen will, auch um qualifizierte Bewerber zu gewinnen, könne der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums festlegen. Dies habe er mit Art. 22 Satz 5 BeamtVG und Art. 24 Abs. 4 BeamtVG mit dem Ziel der Gleichstellung, nicht aber der Besserstellung gegenüber den Nur-Beamten getan.

Der behauptete Verfassungsverstoß lasse sich insbesondere auch nicht aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 5, 6 BeamtVG a.F. über die Anrechnung von Renten und Versorgungsleistungen, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen (etwa: Betriebsrenten oder aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung) ableiten [Anm.: Mit dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof die Anrechnung von Renten und Versorgungsleistungen, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen (etwa Betriebsrenten oder aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung oder aus einer befreienden Lebensversicherung) auf die Versorgungsbezüge der Beamten für verfassungswidrig erachtet (VerfGHE 68, 32)].

Diese Rechtsprechung sei indes auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn sie betreffe die Frage, ob sich der Dienstherr von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten darf, dass er den Versorgungsberechtigten auf andere Einkünfte verweist, indem er diese auf die im aktiven Dienst „erdienten“ Versorgungsbezüge anrechnet. In dem vorliegenden Fall gehe es aber um die vorgelagerte Frage nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bemessung der Versorgung - also darum, ob die in einem hauptberuflichen Beschäftigungsverhältnis bei einem privaten Arbeitgeber verbrachten Vordienstzeiten zwingend als ruhegehaltsfähig anerkannt und damit der Zahl der Dienstjahre in einem Beamtenverhältnis versorgungserhöhend hinzugerechnet werden müssen. Eine solche versorgungsrechtliche Gleichstellung mit der aktiven Dienstzeit verlange das Alimentationsprinzip gerade nicht. Denn sie würde zu einer Besserstellung gegenüber den Nur-Beamten führen, die der Versorgungsgesetzgeber grundsätzlich ausschließen dürfe. Als Nur-Beamter hätte der Beschwerdeführer weder die gesetzliche Altersrente noch die betriebliche Altersversorgung erwerben können. Würde die Arbeitszeit, während der diese Versorgungsleistungen begründet wurden, zudem noch als ruhegehaltsfähige Dienstzeit gewertet, käme der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum in den Genuss einer „doppelten“ Altersversorgung aus zwei hauptberuflichen Tätigkeiten.

2. Kein Verstoß gegen das Willkürverbot

Das Willkürverbot sei ebenfalls nicht verletzt, da Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den vergleichbaren Berücksichtigungsvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes entsprächen. Darüber hinaus betreffe die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs eine andere Frage und entfalte daher für die Ermessensentscheidung nach Artt. 22 Satz 5, 24 Abs. 4 BayBeamtVG keine Bindungswirkung.

 

Mehrlehre – kein Amtshaftungsanspruch, wenn nicht die Möglichkeit gewährt wurde, das verbleibende Überdeputat vor dem Eintritt in den Ruhestand abzubauen, 23. Juni 2020

Das Landgericht Gießen hat die Klage eines Hochschullehrers aus Hessen auf Schadenersatz wegen Mehrlehre abgewiesen. In dem Fall konnte der Hochschullehrer nicht mehr alle seiner über 40 Mehrlehrestunden bis zum Eintritt in den Altersruhestand abbauen. Er verklagte daraufhin seine ehemalige Hochschule mit dem Argument, dass, obwohl er auf seine Mehrlehre hingewiesen habe, ihm nicht die Möglichkeit gewährt worden sei, das verbleibende Überdeputat vor dem Eintritt in den Ruhestand abzubauen und machte insofern Schadenersatz aus Amtshaftung geltend. Das Landegericht Gießen wies indes die Klage ab (Landgericht Gießen, Urteil vom 23. Juni 2020, Az. 5 O 101/20).

Weil hier Ansprüche aus Amtshaftung geltend gemacht wurden, war das Landgericht für die Entscheidung zuständig (§ 1 ZPO (Zivilprozessordnung) i.V.m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz). Nach Auffassung des Landgerichts lag hier schon keine Amtspflichtverletzung vor, weil es keinen Verwaltungsbeamten in der Hochschule gebe, der die Pflicht habe, für den Abbau von Überdeputaten einzelner Hochschullehrer bis zum Eintritt in den Ruhestand zu sorgen.

Eine solche Amtspflicht ergebe sich auch nicht aus der Hessischen Lehrverpflichtungsverordnung, insbesondere auch nicht aus deren § 4 Abs. 1. § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Hessischen Lehrverpflichtungsverordnung normiere lediglich die Möglichkeit der Lehrverpflichteten, ihre Lehrverpflichtung untereinander auszugleichen. Diese Norm nehme ausschließlich Bezug auf das Verhältnis zwischen den Lehrverpflichteten untereinander und gerade nicht auf das Verhältnis von Lehrverpflichteten zu Dienstvorgesetzten der Hochschule.

Darüber hinaus sei der Formulierung, „Professoren könnten ihre Lehrverpflichtungen untereinander ausgleichen“, gerade nur eine Möglichkeit hierfür und nicht eine bestehende konkrete Amtspflicht zu entnehmen. Auch bezieht sich der Regelungsgegenstand der Norm gerade nicht auf einen Abbau der Mehrlehre, sondern regele nur eine Untergrenze der Lehrverpflichtung für Mitglieder der Hochschule. Dies entspreche im Übrigen auch dem Sinn und Zweck der Hessischen Lehrverpflichtungsverordnung, der gerade darin liege, den Umfang der dienstrechtlichen Lehrverpflichtung zu regeln und somit einen Mindestumfang der Lehrverpflichtungen sicherzustellen.

Die allgemeine beamtenrechtlichen Regelung des § 61 Abs. 4 S. 1 des Hessischen Beamtengesetzes, nach der dann, wenn eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, an ihrer Stelle Beamtinnen und Beamte Mehrarbeitsvergütung nach § 50 des Hessischen Besoldungsgesetzes erhalten können, sei hier wegen der ausdrücklichen Regelung des § 60 Abs. 4 S. 2 Hessischen Hochschulgesetzes („Die Vorschriften über die Arbeitszeit mit Ausnahme des § 68 Abs. 2 des Hessischen Beamtengesetzes sind auf Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer nicht anzuwenden“) nicht anwendbar.

Ansprüche ergäben sich auch nicht aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis analog §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), da es auch insoweit an einer Pflichtverletzung des beklagten Landes fehle. Ansprüche aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag analog §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB kämen ebenfalls nicht in Betracht, da der Hochschullehrer mit der Durchführung der von ihm gehaltenen Vorlesungen kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft geführt habe und es insofern an den Voraussetzungen der §§ 677, 683, 670 BGB mangele.

 

Konsumtion in Sachsen, 22. Juni 2020

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in einem Verfahren gegen die Anrechnung der Leistungsbezüge auf das erhöhte Grundgehalt (Konsumtion) in Sachsen mit Urteil vom 22.06.2020 auch die Berufung des Klägers abgewiesen (Az. 2 A 1155/18). Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht Chemnitz die vorhergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 8. August 2018, Az. 3 K 1327/15).

Nach der neuesten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Konsumtion (siehe die entsprechenden Entscheidungen auch hier in der Zusammenfassung, https://www.hlb.de/ziel-professur/rechtsprechung) ging es nur noch um die Verrechnung der Überleitungszulage (Übergangsregelung in Sachsen für 15 Monate). Auch diese Verrechnung wurde jetzt vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht für rechtens erklärt. Das Gericht nahm dabei weitreichend Bezug auf die bekannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Konsumtion. Die Argumente folgten daher auch der bekannten Argumentationslinie in der Rechtsprechung (u. a. kein Verstoß gegen das Leistungsprinzip, kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, Freiheit des Gesetzgebers bei der Besoldungsgestaltung, Zulage als rein additiver Besoldungsbestandteil). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Voraussetzungen und Ausgestaltungsmöglichkeiten des Nachteilsausgleichs, 28. Mai 2020

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich in einem Eilverfahren mit den Voraussetzungen und Ausgestaltungsmöglichkeiten des Nachteilsausgleichs beschäftigt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Mai. 2020, Az.: 2 ME 208/20 – juris) und dabei festgestellt, dass sich der Nachteilsausgleich an der konkreten Beeinträchtigung des Prüflings und der jeweiligen Prüfung orientieren muss damit es nicht zu einer Überkompensation zulasten der übrigen Prüflinge kommt

Anlass der Entscheidung war die Beschwerde eines Lehramts-Studierenden an einer Hochschule in Niedersachsen. Der Studierende hatte für zwei Modulprüfungen im Bereich „theoretische Physik“ wegen ständiger körperlicher Beschwerden für den ersten und zweiten Prüfungsversuch einen Nachteilsausgleich in der Form gewährt bekommen, dass er die Prüfungsleistung anstatt in den vorgeschriebenen Prüfungsformen Klausur oder mündliche Prüfung jeweils in der Prüfungsform Hausarbeit ablegen durfte. Beide Versuche wurden mangels vorhandener Eigenleistung als nicht bestanden bewertet.

Den folgenden Antrag für den jeweils dritten Prüfungsversuch im Wintersemester 2019/2020 lehnte das Prüfungsamt der Hochschule hinsichtlich der abermals begehrten Prüfungsform Hausarbeit mit Hinweis auf eine Ungeeignetheit der Prüfungsform für die Überprüfung der vermittelten Kompetenzen ab und beschränkte die Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs auf die Optionen „Klausur mit Schreibzeitverlängerung“ oder „mündliche Prüfung mit zusätzlichen Pausen“.

Hiergegen erhob der Studierende Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache steht bisher noch aus. Zudem beantragte der Studierende die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz mit dem Ziel die Zulassung der begehrten Prüfungsform im Wege einer einstweiligen Anordnung mit verpflichtender Wirkung gegenüber der Hochschule zu erwirken.

Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Oldenburg lehnte den Antrag ab (Beschluss vom 3. März 2020, Az.: 12 B 221/30). Auch die anschließende Beschwerde blieb erfolglos, da sich das Oberverwaltungsgericht den Erwägungen der Vorinstanz anschloss.

Nach der Argumentation der Gerichte habe sich die Prüfung, welche Maßnahmen als Nachteilsausgleich für gesundheitliche Beeinträchtigungen eines Prüflings geeignet und erforderlich sind, an der konkreten Beeinträchtigung und der jeweiligen Prüfung zu orientieren. Dabei sei darauf zu achten, dass der Nachteilsausgleich nicht zu einer Überkompensation der Prüfungsbeeinträchtigung zulasten der übrigen Prüfungsteilnehmer führe. Im Fall des Nachteilsausgleichs durch einen Wechsel der Prüfungsform müsse des Weiteren beachtet werden, dass die ersetzende Prüfungsform geeignet sein müsse, die Befähigung des Prüflings zu dokumentieren. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, ob eine den Prüfungscharakter weniger beeinträchtigende Ausgleichsmaßnahme ausreichend ist.

Im konkreten Fall ergebe sich aus den vom Studierenden eingereichten ärztlichen Attesten lediglich eine Empfehlung für die Prüfungsform Hausarbeit – nicht hingegen ein Ausschluss der vorgeschriebenen Prüfungsformen Klausur oder mündliche Prüfung mit den von der Hochschule angebotenen Ausgleichsoptionen. Hinzu komme hier, dass die Prüfungsform Hausarbeit für die in Frage stehenden Modulprüfungen ­ wie es sich bereits in der Bewertung der früheren Prüfungsversuchen in der Prüfungsform Hausarbeit gezeigt habe – mangels ausreichender Möglichkeiten zur Überprüfung der vermittelten Kompetenzen des Prüflings – ungeeignet sei.

Maskenpflicht während einer Klausur, 27. Mai 2020

Das Verwaltungsgericht Göttingen (VG Göttingen) hat einem Antrag teilweise stattgegeben, mit dem sich der antragstellende Studierende (Studienfach Medizin) gegen die Verpflichtung gewandt hatte, während einer Klausur eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (VG Göttingen, Beschluss vom 27. Mai 2020, Az. 4 B 112/20).

Die Universitätsmedizin Göttingen hatte angesichts der Corona-Pandemie und in Ausübung ihres Hausrechts für die Lehrräume der Medizinischen Fakultät das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bei Lehrveranstaltungen und Prüfungen angeordnet.

Dagegen wandte sich der Studierende mit seinem Eilantrag und begehrte die vorläufige Zulassung zu diesen Prüfungen ohne die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an dem ihm während der Prüfung zugewiesenen Sitzplatz. Denn er befürchte erhebliche Konzentrationsschwierigkeiten, wenn er auch während der Prüfungen eine Maske tragen müsse. Auch sei aus infektionsschutzfachlicher Sicht das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Klausuren nicht erforderlich, da der Mindestabstand von 1,50 Metern zu den anderen Prüflingen eingehalten werde.

Das Gericht gab dem Antrag teilweise statt, und zwar hinsichtlich der Ende Mai 2020 anstehenden Klausur. Es lehnte ihn aber hinsichtlich der Klausuren im Juni und Juli 2020 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es stehe derzeit noch gar nicht fest, welche Hygiene- und Abstandsregelungen den Teilnehmern der Klausuren im Juni und Juli 2020 vorgeben werde. Demnach bestehe hinsichtlich dieser Klausuren derzeit kein rechtliches Bedürfnis für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Hingegen sei der Antrag bezüglich der Klausur Ende Mai 2020 zulässig und begründet. Denn das für einen Studierenden ungewohnte Tragen einer Maske führe, so das VG Göttingen, voraussichtlich zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Konzentration während der Prüfung. Diese Beeinträchtigung stehe aller Voraussicht nach außer Verhältnis zu dem Schutz vor einer Infektion, der über die Einhaltung der Abstandsregelung hinaus durch das Tragen einer nicht medizinischen Maske erreicht werden könne.

Gegen die Entscheidung des Gerichts kann von den Beteiligten Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg erhoben werden.

Anmerkung: Die Erforschung der Virus-Erkrankung COVID-19 bringt fast tägliche neue Erkenntnisse, auch hinsichtlich deren Übertragung. Ob im Rahmen der Entscheidung auch der mittlerweile medizinisch anerkannte Übertragungsweg durch Aerosole in Bezug etwa auf andere Prüflinge berücksichtigt wurde, ist nicht bekannt.

Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie der Aufsichtsarbeiten, 27. April 2020

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat sich in einer neueren Entscheidung mit den Voraussetzungen eines datenschutzrechtlichen Anspruchs auf eine unentgeltliche Kopie der Aufsichtsarbeiten, hier im Rahmen des Zweiten Juristischen Staatsexamens, befasst (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. April 2020, Az.: 20 K 6392/18 – juris). Danach besteht dann ein Anspruch auf eine Kopie, wenn personenbezogene Daten des Prüflings im Rahmen der Organisation des Prüfungsverfahrens zunächst verarbeitet und in einem Dateisystem gespeichert werden. Anlass der Entscheidung war die Klage eines Prüflings gegen den Ablehnungsbescheid des Landesjustizprüfungsamtes (LJPA) Nordrhein-Westfalen.

Der Kläger hatte nach erfolgreicher mündlicher Prüfung im Herbst 2018 die Einsicht in die vom ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten beantragt. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017, Rs. C-434/16 – Nowak) begehrte er hierzu die Übersendung unentgeltlicher Kopien.

Das LJPA lehnt seinen Antrag unter Verweis auf das Gebührengesetz ab. Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sei nicht eröffnet, sodass er auf Grund des Seiten- bzw. Kopierumfangs zunächst einen Betrag in Höhe von 69,70 Euro überweisen müsse. Hiergegen erhob der Prüfling Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verurteilte das beklagte LJPA daraufhin, dem Kläger unentgeltliche eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten in Papier oder in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen. Der Kläger habe vorliegend aus § 5 Absatz 8 des nordrhein-westfälischen Datenschutzgesetz (DSG NRW) i. V. m. Art. 15 Absatz 3, Art. 12 Absatz 5 DS-GVO einen Rechtsanspruch auf einen unentgeltlichen Erhalt der begehrten Kopien.

Zur Begründung führte das Gericht aus, das ein Anspruch dem Grunde nach bereits aus der Rechtsprechung des EuGH folge, dass es sich bei den Antworten des Prüflings und den Korrekturbemerkungen des Prüfers um personenbezogene Daten des Prüflings handelt. Hinzu komme, dass diese personenbezogenen Daten vorliegend durch das Prüfungsamt im Rahmen der Organisation des Prüfungsverfahrens zunächst verarbeitet und auf Grund der in § 23 Absatz 2 des Justizausbildungsgesetz (JAG NRW) festgelegten Aufbewahrungspflicht sodann in einem Dateisystem anhand der Kennziffer (Jahrgang und laufende Nummer) gespeichert werden.

Die Unentgeltlichkeit des Anspruchs ergebe sich hier bereits aus dem Wortlaut der Anspruchsgrundlage. Zudem solle „die betroffene Person (…) nicht durch die Auferlegung von Entgelten von der Wahrnehmung ihrer Betroffenenrechte abgehalten oder gar abgeschreckt werden“.

Der vorgetragene Einwand der Beklagten einer drohenden „Gefährdung der Funktionsfähigkeit“ bei unentgeltlicher Anerkennung des streitgegenständlichen Anspruchs sei hier nicht ersichtlich, da die Anspruchsgrundlage bei Vorliegen der Voraussetzungen eine gebundene Entscheidung und damit keinen Ermessensspielraum vorsehe. Die Organisation der Verwaltung müsse sich an den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ausrichten. Eine fehlende Anpassung sei daher keine Rechtfertigung für eine Nichtbeachtung oder Nichtumsetzung.

Forschung, Drittmittel und Entzug der Verfügungsbefugnis nach Eintritt in den Ruhestand, 20. April 2020

In dem von dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu entscheidenden Fall ging es um einen Hochschullehrer, der im Herbst 2011 in den Ruhestand trat. Seine Hochschule hatte ihm nach Eintritt in den Ruhestand die Verfügungsbefugnis über ein bei ihr eingerichtetes Drittmittelkonto entzogen, weil man zwar ursprünglich eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Drittmittelaktivitäten geschlossen hatte, es jedoch zu sexuellen Belästigungen einer wissenschaftlichen Hilfskraft gekommen war (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. April 2020, Az. 2 A 11705/19, juris).

Gegen den Entzug der Verfügungsbefugnis durch die Hochschule erhob der Hochschullehrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Trier. Das Verwaltungsgericht wies seine Klage jedoch ebenso ab wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die eingelegte Berufung. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, dass mit dem Eintritt eines Hochschullehrers in den Ruhestand automatisch sein Anspruch auf Ausstattung zu Forschungszwecken und folglich auch die Berechtigung, mit Drittmitteln der Hochschule zu forschen, erlösche. Bei dem Entzug handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt: Die Festlegung der Modalitäten der Bewirtschaftung von durch den Hochschullehrer eingeworbenen Drittmitteln betreffe nicht dessen Grundverhältnis. Bei der Entscheidung der Hochschule über die Zuteilung von Drittmitteln und bei dem umgekehrten Fall ihrer Entziehung handele es sich daher um eine bloße Organisationsmaßnahme.

Grundsätzlich sei zwar eine Vereinbarung denkbar, die einem Hochschullehrer auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand die Fortsetzung seiner Drittmittelaktivitäten ermögliche. Von einem solchen Arrangement könne sich die Hochschule aber in einem Fall wie diesem – es war zu nachgewiesenen sexuellen Belästigungen einer wissenschaftlichen Hilfskraft gekommen – nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einseitig lösen.

Beamte dürfen zu Home-Office verpflichtet werden, 16. April 2020

Eine auf drei Wochen befristete Anordnung des Dienstherrn, wegen der aktuellen Corona-Pandemie im Home-Office arbeiten zu müssen, verstößt auch dann nicht gegen das Recht des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung, wenn in diesem Zeitraum im Home-Office faktisch keine oder kaum Aufgaben übertragen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden (VG Berlin, Beschluss vom 14. April 2010, Az. 28 L 119/20, juris). 

In dem Eilverfahren ging es darum, dass der Dienstherr einer 60-jähriger Beamtin gegenüber anordnete, dass sie für drei Wochen bis Mitte April Dienst im Home-Office zu leisten habe. Der Dienstherr argumentierte, dass dies aus  Fürsorgegründen geboten sei, weil sie aufgrund ihres Lebensalters einem erhöhten Risiko für eine Erkrankung mit dem Corona-Virus ausgesetzt sei. Sie solle sich telefonisch für die Dienststelle zur Verfügung halten, und ihr würden bei Anfall Arbeitsaufträge zur häuslichen Bearbeitung übertragen.

Hiergegen wandte sich die Beamtin mit dem in Rede stehenden Eilantrag. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für die Anordnung von Home-Office, die innerbehördliche Regelung sehe lediglich vor, dass Home-Office auf Antrag des jeweiligen Beschäftigten angeordnet werden könne - einen solchen Antrag habe sie aber nicht gestellt. Dem folgte das VG Berlin jedoch nicht: Die Beamtin müsse die getroffene organisatorische Maßnahme jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum hinnehmen. Die Anordnung verletzte den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung nicht, weil durch sie lediglich der Ort ihres Einsatzes und gegebenenfalls die konkreten Aufgaben für drei Wochen verändert würden. Selbst wenn sie nicht über die erforderliche Technik, also Arbeitscomputer oder Diensthandy, verfügen sollte, führe dies allein noch nicht zu einer unzulässigen Trennung von Amt und Funktion. Denn in dem befristeten Zeitraum, so das VG Berlin, verbleibe ihr die übertragene Funktion, und sie werde auch erkennbar nicht aus dem Dienst herausgedrängt oder zu einer Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt. In der Abwägung zwischen der Erfüllung der Fürsorgepflicht und dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung dürfe der Dienstherr jedenfalls für einen kurzen Zeitraum von drei Wochen angesichts der durch die Corona-Pandemie bestehenden Ausnahmesituation in Kauf nehmen, dass sich die amtsangemessene Beschäftigung auf eine bloße Rufbereitschaft und Übertragung einzelner Aufgaben im Home-Office beschränke.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig, gegen die Entscheidung kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

 

Überschreitung der Prüfungszeit einer mündlichen Prüfung, 6. April 2020

Eine angemessene Überschreitung der Prüfungszeit einer mündlichen Prüfung ist in der Regel gerechtfertigt, wenn nach Ablauf der regulären Prüfungszeit das Nichtbestehen des Prüflings feststeht und die Verlängerung deshalb nur zu seinen Gunsten erfolgt, so das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Beschluss vom 6. April 2020 (Az. 2 LA 373/19).

Damit wird die gleichlautende Rechtsprechung bestätigt, nach der eine Prüfungsentscheidung nicht deshalb mit Erfolg angegriffen werden kann, weil die mündliche Prüfung länger dauerte als vorgesehen. Eine Prüfungszeitverlängerung, die dem Prüfling Gelegenheit geben soll, mangelhafte Leistungen während der regulären Prüfungszeit zu kompensieren, erfolgt danach zu dessen Gunsten. Der Prüfling, dem diese Kompensation nicht gelingt, kann im Nachhinein nicht rügen, die Prüfungszeit hätte nicht verlängert werden dürfen, da die Verlängerung - wenn er in der regulären Prüfungszeit keine ausreichenden Leistungen erbringen konnte - ihn nicht in seinen Rechten, etwa auf Chancengleichheit oder ein faires Prüfungsverfahren, verletze und für sein Nichtbestehen jedenfalls nicht kausal sei (so schon Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 17. Juli 1991, Az. 22 A 1533/89, juris).

 

Kürzung der Bezüge bei fortgesetzter Missachtung der Lehrverpflichtung, 2. April 2020

Hochschulen dürfen verbeamteten Hochschullehrenden, die ihren Lehrverpflichtungen fortgesetzt nicht nachkommen, grundsätzlich die Dienstbezüge kürzen. Das Verwaltungsgericht Göttingen entschied jetzt, dass in dem konkreten Fall die dienstliche Weisung, eine bestimmte Vorlesung abzuhalten und - nach diesbezüglicher Weigerung - auch die Kürzung der Dienstbezüge rechtmäßig seien (Aktenzeichen 4 A 102/18 und 4 A 174/19).

Die Minderlehrleistung der betreffenden Person war aufgefallen, weil der Landesrechnungshof stichprobenhaft überprüft hatte, ob die Hochschullehrenden ihre Lehrverpflichtungen erfüllen. Nach einer zusätzlichen internen Überprüfung wurde festgestellt, dass die Lehrverpflichtung bereits seit 2014 nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde. Die betreffende Person wurde auf ihre Lehrverpflichtung hingewiesen und gebeten, eine bestimmte Vorlesung im folgenden Semester zu übernehmen. Dies lehnte der Hochschullehrende indes u. a. deswegen ab, weil er bereits eine andere Vorlesung vorbereitet habe. Eine explizite dienstliche Anweisung folgte, allerdings kam die Person auch der ausdrücklichen Weisung nicht nach. Daraufhin verhängte Hochschule - offenbar im Rahmen eines Disziplinarverfahrens - die erwähnte Maßnahme (Kürzung der Dienstbezüge).

Zu den Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung zum Honorarprofessor, hier: wegen sexueller Belästigung und Prüfungsmanipulation, 25. Februar 2020

In dem vom Oberverwaltungsgericht Koblenz entschiedenen Fall ging es um den Widerruf der Bestellung zum Honorarprofessor wegen sexualisierter verbaler und emotionaler Übergriffe auf einen Doktoranden über mehrere Monate. Nach dem Oberverwaltungsgericht verletzt ein Hochschullehrer seine Dienstpflicht, wenn er eine mündliche Wiederholungsprüfung fingiert, indem er vorgibt, sich in persönlichen Kontakten mit dem Prüfling Überblick und Eindruck von dessen Kenntnissen verschafft zu haben, ohne die Prüfung tatsächlich wiederholt zu haben. Ein WhatsApp-Chat zwischen einem Doktoranden und seinem betreuenden Hochschullehrer, dessen Anlass und Inhalt unter anderem die Dissertation ist, könne dabei als innerdienstlicher Vorgang gewertet werden (OVG Koblenz, Beschluss vom 25. Februar 2020, Az. 2 A 11857/19, juris).

Das OVG Koblenz hat die Vorinstanz – das Verwaltungsgericht Mainz – darin bestätigt, dass die Bestellung des klagenden Hochschullehrers zum Honorarprofessor rechtmäßig widerrufen wurde. Diese akademische Würde, die u.a. mit der Berechtigung verbunden sei, Doktoranden zu betreuen und Dissertationen zu begutachten, könne nur unter den Voraussetzungen des § 62 Absatz 2 i.V.m. § 61 Absatz 1 Satz 2 Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz wieder entzogen werden. Der Gesetzgeber habe insoweit hohe rechtliche Hürden aufgestellt. Ein Entzug (allein) wegen unwürdigen Verhaltens sei danach nicht vorgesehen, sondern der Widerruf könne nur „aus Gründen“ erfolgen, „die bei Beamtinnen und Beamten zur Entfernung aus dem Dienst führen“.

Diese Voraussetzungen lägen hier vor: Denn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs rechtfertigen, so das OVG, die von dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen und die vorgenommene Bewertung der von dem Kläger begangenen schweren und zutreffend als innerdienstlich qualifizierten Verfehlungen die Prognose, dass sie bei einem Beamten zur Entfernung aus dem Dienst führen würde. Dies vor allem deshalb, weil die Auswertung des umfangreichen Chatverkehrs ergeben habe, dass sich der klagende Hochschullehrer in dem berufsbezogenen Verhältnis gegenüber seinem Doktoranden distanzlos, übergriffig und herabwürdigend verhalten und damit in gravierendem Maße gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen habe. Von einem Professor müsse aber im Interesse eines ordnungsgemäßen Lehrbetriebs verlangt werden, dass er das durch die Ausbildungssituation bestehende Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnis nicht zu seinem Vorteil ausnutze.

Normenkontrolleilantrag gegen die Änderung einer Prüfungsordnung, 17. Februar 2020

Studierende haben keinen Anspruch darauf, dass die zu Beginn ihres Studiums geltende Prüfungsordnung bis zum Abschluss nicht mehr geändert wird. Vielmehr darf eine Prüfungsordnung grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft geändert werden, wobei es der zu beachtende Vertrauensschutz jedoch gebietet, dass ein Prüfling die Möglichkeit erhält, sich in zumutbarer Weise auf die Rechtsänderung einzurichten (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 17. Februar 2020, Az. 2 MN 379/19, juris).

Kein Anspruch auf Berücksichtigung einer Tätigkeit als Gastprofessor/in bzw. Hochschuldozent/in an einer Universität als Erfahrungszeit für die Stufenzuordnung innerhalb der Besoldungsgruppe W / Begriff der „Forschungseinrichtung“, 5. Februar 2020

In einem aktuellen Verfahren vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht ging es um die Berücksichtigung einer Tätigkeit als Gastprofessor/in bzw. Hochschuldozent/in an einer Universität als Erfahrungszeit für die Stufenzuordnung innerhalb der Besoldungsgruppe W 2. Eine solche Berücksichtigung, die das Verwaltungsgericht Leipzig im konkreten Fall bereits im März 2019 abgelehnt hatte (Urteil vom 14. März 2019, Az. 3 K 858/16), hat nun auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) abgelehnt und damit das Verwaltungsgericht bestätigt (Beschluss vom 5. Februar 2020, Az. 2 A 556/19, juris).

Der Entscheidung liegt die Regelung des § 35 des Sächsischen Besoldungsgesetzes (SächsBesG) zu Grunde. Dort heißt es in Absatz 4:

„Bei der ersten Stufenzuordnung nach Absatz 3 Satz 1 werden

  1. Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit als Professor an einer deutschen Hochschule und Zeiten einer vergleichbaren Tätigkeit an einer Hochschule im Ausland,
  2. Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit als Leiter oder Mitglied von Leitungsgremien an einer deutschen Hochschule und
  3. Zeiten als Vertreter einer Professur, außerplanmäßiger Professor oder Honorarprofessor an einer deutschen Hochschule sowie Zeiten einer hauptberuflichen wissenschaftlichen Tätigkeit an einer Forschungseinrichtung, wenn die Tätigkeit der eines Professors gleichwertig ist,

berücksichtigt, soweit es sich nicht um Zeiten der beruflichen Qualifizierung handelt (…).“

Nach der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts kommen hier für eine Berücksichtigung der konkreten Tätigkeiten als Gastprofessorin und Hochschuldozentin die Alternativen § 35 Absatz 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 sowie Nr. 3 Halbsatz 1 SächsBesG ersichtlich nicht in Betracht. Auch eine analoge Anwendung scheide angesichts des klaren Wortlauts und angesichts des im Besoldungsrecht geltenden strengen Gesetzesvorbehalts aus, zumal eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennbar sei: Dass nämlich dem Sächsischen Gesetzgeber die Tätigkeit eines Hochschuldozenten nicht fremd sei, ergebe sich bereits aus der Übergangsbestimmung des § 89 SächsBesG.

Auch § 35 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 SächsBesG komme für eine Berücksichtigung nicht in Betracht. Es fehle insoweit bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung der hauptberuflichen wissenschaftlichen Tätigkeit an einer Forschungseinrichtung. Dies ergebe die Gesamtschau der Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Bestimmung. Unter „Forschungseinrichtung“ sei dem Wortlaut nach eine Einrichtung zu verstehen, an der (ausschließlich oder überwiegend) geforscht werde. Ausgehend von diesem Definitionsversuch dürfte, so das OVG, die Hochschule selbst keine Forschungseinrichtung sein, sondern eher Träger einzelner Forschungseinrichtungen (z.B. Institute). Die Hochschule selbst sei wesentlich zuständig für die Lehre. Für ein solches Verständnis spreche auch, dass in § 35 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 SächsBesG zwei Alternativen unterschieden werden, nämlich die Zeiten an einer Hochschule und die Zeiten an einer Forschungseinrichtung, die jeweils durch unterschiedliche Voraussetzungen gekennzeichnet sind. Wäre mit Forschungseinrichtung (auch) die Hochschule gemeint, so das OVG, wäre die Differenzierungnach Hochschule einerseits und Forschungseinrichtung andererseits überflüssig.

Angesichts dieses Ergebnisses komme es somit auf die Frage, ob die von der betreffenden Person ausgeübten Tätigkeiten als Gastprofessorin und Hochschuldozentin der Tätigkeit eines Professors gleichwertig sind, nicht mehr an.

Evaluationssatzung der Hochschule Konstanz unwirksam, 31. Januar 2020

Die Evaluationssatzung der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (Antragsgegnerin) verstößt gegen höherrangiges Recht und ist unwirksam. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit einem jetzt zugestellten Urteil vom 19. Dezember 2019 entschieden und damit dem Normenkontrollantrag eines Hochschullehrers (Antragsteller) stattgegeben. Der hlb hat den Hochschullehrer in diesem Verfahren inhaltlich und finanziell unterstützt.

Aus der Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg, abrufbar unter https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/6007917/?LISTPAGE=1212860:

Zur Begründung hat der 9. Senat des VGH ausgeführt:

Die „Evaluationssatzung für den Handlungsbereich Lehre und Studium“ der Antragsgegnerin sehe als hochschuleigenes Instrument des Qualitätsmanagements auch Lehrveranstaltungsevaluationen vor, die in der Form standardisierter Befragungen der Teilnehmer einer Lehrveranstaltung (online oder in Schriftform) erfolgten. Auch wenn die Lehrveranstaltungsevaluationen nicht mit verbindlichen Vorgaben hinsichtlich Inhalt und Methode der angebotenen Lehrveranstaltungen verbunden seien, griffen sie nicht unerheblich in die durch Art. 20 Abs. 1 LV, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Lehrfreiheit des Hochschullehrers ein. Auch dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde durch die Satzung berührt. Allerdings genüge die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass von Evaluationssatzungen in § 5 Abs. 3 Satz 4 in Verbindung mit § 5 Abs. 1, Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 des Landeshochschulgesetzes (LHG) den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.

Demgegenüber seien einzelne auf die Evaluation von Lehrveranstaltungen bezogene Regelungen der Evaluationssatzung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse das in der Evaluationssatzung geregelte Verfahren zur Lehrveranstaltungsevaluation eine hinreichende Beteiligung der Hochschullehrerinnen und -lehrer am Evaluationsprozess sicherstellen und somit wissenschaftsadäquat ausgestaltet sein. Diesen Erfordernissen werde die Satzung nicht gerecht. Sie enthalte selbst bereits keine allgemeinen, fach- bzw. fakultätsübergreifenden Leitlinien bzw. Evaluationskriterien, obwohl diese von herausragender Bedeutung für die verfassungsrechtlich gebotene Wissenschaftsadäquanz des Evaluationsverfahrens seien. Hinzu trete, dass die Satzung keine klare Regelung treffe, welche Organe innerhalb der Hochschule auf Fakultätsebene letztlich für die Durchführung der Lehrveranstaltungsevaluation und damit insbesondere für die Festlegung der Evaluationskriterien zuständig sein sollten. Somit sei nach den Satzungsregelungen ein maßgeblicher Einfluss der Gruppe der Hochschullehrerinnen und -lehrer an der hochschulinternen Entscheidungsfindung im Bereich der Lehrevaluation nicht in ausreichendem Maße sichergestellt.

Die Regelungslücke betreffe mit den maßgeblichen Bewertungskriterien und den darauf bezogenen Zuständigkeitsfragen das Kernstück des Evaluationsverfahrens im Hinblick auf Lehrveranstaltungen. Da damit für die übrigen Regelungen der Evaluationssatzung kein sinnvoller Regelungsgehalt mehr verbleibe, sei auch von deren Unwirksamkeit auszugehen.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az.: 9 S 838/18).

Untersagung des Führens der Bezeichnungen Professor oder Prof. wegen Nichtberechtigung - übliche Abkürzung in Griechenland, 9. Januar 2020

Aus § 69 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 4 Hochschulgesetz NRW ist nach einer aktuellen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster eindeutig abzuleiten, dass die mit diesen Vorschriften angesprochene Abkürzung eines Hochschultitels, der hier von einer in Griechenland ansässigen Hochschule in der griechischen Schrift und Sprache verliehen worden ist, grundsätzlich die landessprachliche, also griechische Abkürzung des Titels meint. Aus der Regelung des Halbsatzes 2, wonach „eine wörtliche Übersetzung in Klammern hinzugefügt werden (kann)“, folgt zweifelsfrei, dass weder der Titel noch dessen Abkürzung nur in einer ins Deutsche übersetzten Fassung geführt werden können. Vielmehr sind Titel und Abkürzung in der jeweiligen Landessprache des Herkunftslandes zu führen, hier also in Griechisch (Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 9. Januar 2020, Az. 19 B 757/19, juris).

In dem Fall ging es um die Rechtmäßigkeit der Untersagung, die Abkürzung „Professor oder .Prof.", zu führen. Die betreffende Person wandte dagegen ein, dass diese Bezeichnungen seien Abkürzungen im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 Hochschulgesetz NRW, die von (auch) emeritierten Professoren in Griechenland nachweislich allgemein üblich geführt würden. Das Oberverwaltungsgericht folgt diesem Einwand nicht, sondern bestätigte das vorinstanzlich damit beschäftigte Verwaltungsgericht Düsseldorf: Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass – darüber hinausgehend – auch die in der deutschen und englischen Sprache verwendeten Bezeichnungen „Professor“ und „Prof.“ in Griechenland nachweislich allgemein übliche Abkürzungen seines Titels seien. Als Abkürzung des transliterierten Titels „Omotimos Kathigitis tou Tmimatos Epistimis Fysikis Agogis kai Athlitismou“ komme daher grundsätzlich nur das griechische Wort „Kathigitis“ (übersetzt: Professor) und eine etwaige Kurzform dessen in Betracht.

§ 69 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 4 Hochschulgesetz NRW sei insofern eindeutig. Danach meint die mit diesen Vorschriften angesprochene Abkürzung eines Hochschultitels, der – wie es hier der Fall ist – von einer in Griechenland ansässigen Hochschule in der griechischen Schrift und Sprache verliehen worden ist, grundsätzlich die landessprachliche, also griechische Abkürzung des Titels. Aus der Regelung des Halbsatzes 2, wonach „eine wörtliche Übersetzung in Klammern hinzugefügt werden (kann)“, folgt nach dem Oberverwaltungsgericht zweifelsfrei, dass weder der Titel noch dessen Abkürzung nur in einer ins Deutsche übersetzten Fassung geführt werden können.

Auszug aus dem Wortlaut des § 69 Hochschulgesetz NRW:

(1) Grade dürfen nur verliehen werden, wenn innerstaatliche Bestimmungen es vorsehen. Bezeichnungen, die Graden zum Verwechseln ähnlich sind, dürfen nicht vergeben werden.

(2) Von einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einschließlich der Europäischen Hochschulen in Florenz und Brügge sowie der Päpstlichen Hochschulen in Rom verliehene Hochschulgrade sowie entsprechende staatliche Grade können im Geltungsbereich dieses Gesetzes in der verliehenen Form geführt werden. Ein sonstiger ausländischer Hochschulgrad, der auf Grund einer Prüfung im Anschluss an ein tatsächlich absolviertes Studium von einer nach dem Recht des Herkunftslandes anerkannten Hochschule ordnungsgemäß verliehen wurde, kann in der verliehenen Form unter Angabe der verleihenden Institution geführt werden. Die verliehene Form des Grades kann bei anderen als lateinischen Schriftarten in die lateinische Schrift übertragen werden; ferner kann die im Herkunftsland zugelassene oder, soweit keine solche besteht, die dort nachweislich allgemein übliche Abkürzung geführt sowie eine wörtliche Übersetzung in Klammern hinzugefügt werden. Die Sätze 2 und 3 gelten für ausländische staatliche und kirchliche Hochschulgrade entsprechend. Eine Umwandlung in einen entsprechenden inländischen Grad ist ausgeschlossen.

(3) Ein ausländischer Ehrengrad, der von einer nach dem Recht des Herkunftslandes zur Verleihung berechtigten Hochschule oder einer anderen zur Verleihung berechtigten Stelle verliehen wurde, kann nach Maßgabe der für die Verleihung geltenden Rechtsvorschriften in der verliehenen Form unter Angabe der verleihenden Stelle geführt werden. Absatz 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten für die Führung von Hochschultiteln und Hochschultätigkeitsbezeichnungen entsprechend.

(…)

Rechtswidrigkeit einer Prüfung bei Mitwirkung einer nicht zur Mitwirkung an der Prüfungsentscheidung befugten Person, 3. Januar 2020

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG Lüneburg) hat in einer soeben veröffentliche Entscheidung verdeutlicht, dass die vorschriftswidrige Besetzung eines Prüfungsausschusses zwar grundsätzlich einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschussvorsitzes führt jedoch nicht unbedingt und stets zur Rechtswidrigkeit der Bewertung der Prüfungsleistungen der geprüften Person (OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Januar 2020, Az. 2 LA 603/19, juris).

 

Das Gericht argumentiert in seiner Entscheidung wie folgt: Gehöre eine Person einem Prüfungsausschuss an, die diesem nach den rechtlichen Vorgaben nicht angehören darf, führe dies dann nicht (stets) zur Rechtswidrigkeit der Prüfung, wenn diese Person nach Maßgabe der prüfungsrechtlichen Bestimmungen bei der Leistungsbewertung selbst nicht mitgewirkt und auf diese keinerlei Einfluss genommen habe (in Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 6. März 2019, Az. 2 ME 224/19, juris Rn. 3).

Die Rechtsprechung aus März 2019 beziehe sich auf einen Prüfungsausschuss, dessen Mitglieder gemeinschaftlich über die Leistungen der Prüflinge befinden und dem in diesem Rahmen ein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum zukommt. Um einen solchen Prüfungsausschuss handele es sich bei dem Ausschuss für die naturwissenschaftliche und die zahnärztliche Vorprüfung nicht. Die einzelnen Teilprüfungen werden, so das OVG, nach den für diese Prüfungen einschlägigen Normen vielmehr von einzelnen Prüfern abgenommen und bewertet, während dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses administrative und kontrollierende Aufgaben zugewiesen sind. Der Vorsitzende sei hier nicht berechtigt, bei der Bewertung der Prüfungsleistungen mitzuwirken und habe dies nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts tatsächlich auch nicht getan. Daraus folge, dass eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschussvorsitzes keinen Einfluss auf die konkrete Leistungsbewertung habe, weil eben keine gemeinsame Bewertung stattgefunden habe.

Erfolgreicher Konkurrentenschutz, 2. Januar 2020

In einem aktuell abgeschlossenen Verfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht wurde einer Hochschule (im Folgenden: „Antragsgegnerin“) untersagt, bis zu einer Neuentscheidung über die Bewerbung der Konkurrentin (im Folgenden: „Antragstellerin“) unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts die ausgeschriebene „W2-Professur für Öffentlichkeitsarbeit mit dem Schwerpunkt digitalisierte Kommunikation“ mit dem (von der Hochschule favorisierten) Beigeladenen zu besetzen (Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 2. Januar 2020, Az. 12 B 48/19, juris).

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde (Sachverhalt wurde juris entnommen):

Die Antragstellerin wandte sich im Wege des Eilrechtsschutzes als unterlegene Bewerberin gegen die Auswahl für die Besetzung einer W2-Professorenstelle. Sie studierte Biologie und promovierte in der Fachrichtung Mikrobiologie am Institut für Pathologie des Universitätsklinikums (…). Sie absolvierte zudem ein Fernstudium im Bereich Journalismus an der Freien Journalistenschule (…). Von November 2012 bis September 2017 arbeitete sie auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit an der Medizinischen Fakultät der (…)-Universität. Sie ist seit September 2017 Lehrbeauftragte bei der Antragsgegnerin im Fachbereich Medien, wo sie das Wahlpflichtmodul Wissenschaftskommunikation leitet und ist seit Oktober 2017 Referentin für Projektkommunikation an der (…) -Universität zu A-Stadt.

Der Beigeladene studierte Medienwissenschaften, Soziologie und Psychologie. Er promovierte zu einem sozialwissenschaftlichen Thema an der Philosophischen Fakultät der … -Universität zu A-Stadt. Von 2001 bis 2011 war er im Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der A-Stadt tätig. Er ist seit 2011 als Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing der …-Universität zu A-Stadt beschäftigt und zudem seit 2001 als freiberuflicher PR-Berater und Redenschreiber tätig.

Die Hochschule schrieb für ihren Fachbereich Medien Januar 2019 eine „Professur für Öffentlichkeitsarbeit mit dem Schwerpunkt digitalisierte Kommunikation“ (W2) aus. Unter den Bewerbern wurden acht Kandidaten ausgewählt, um Probelehrveranstaltungen abzuhalten, darunter auch die Antragstellerin und der Beigeladene.

In dem von der Berufungskommission erstellten Berufungsvorschlag mit einer Liste von drei Kandidaten belegte die Antragstellerin den ersten Platz. Sie sei in sehr hohem Maß für die zu besetzende Stelle geeignet. Ein wegen ihres nicht fachaffinen naturwissenschaftlichen Studiums eingeholtes externes Gutachten sei zu dem Schluss gelangt, dass keine Aspekte bestünden, die aus fachwissenschaftlicher Sicht gegen ihre Berufung sprächen. Die Zweitplatzierte wurde als sehr gut geeignet bewertet. Der Beigeladene belegte den dritten Platz. Er sei gut geeignet. Hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit ergebe sich zwischen den 1. und 2. Plätzen gegenüber dem 3. Platz ein deutlicher Abstand.

Der Konvent des Fachbereichs Medien bestätigte diesen Berufungsvorschlag. Der Senat stimmte daraufhin ebenfalls für die Berufungsliste.

Im Juli 2019 stellte der Präsident aus seiner Sicht fest, dass die Berufungsliste zwei Problemfälle aufweise. Die Antragstellerin habe überhaupt keinen Nachweis einer „einschlägigen“ wissenschaftlichen Qualifikation im Sinne des § 61 Abs. 1 Nr. 3 Hochschulgesetz Schleswig-Holstein (HSG) erbracht, da Gegenstand der Professur die Öffentlichkeitsarbeit sei. Die zweitplatzierte Bewerberin könne die nach § 61 Abs. 1 Nr. 5c HSG erforderliche fünfjährige berufliche Praxis nicht vorweisen. Diese Mängel seien so bedeutsam, dass die Kandidatinnen von der Liste zu entfernen seien. Es verbleibe nur der Beigeladene.

Daraufhin beschloss das Präsidium der Antragsgegnerin im Umlaufverfahren, dass die Plätze 1 und 2 auf der Berufungsliste entfallen und der Ruf an den Beigeladenen ergehen soll. In dem Beschluss wurde zudem festgestellt, dass das Gespräch zwischen dem Präsidenten und der Antragstellerin zwar positiv verlaufen sei, sie jedoch als Mikrobiologin über keine besondere Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit auf dem Feld der Öffentlichkeitsarbeit verfüge. Die Zweitplatzierte weise nicht die erforderliche Berufserfahrung auf.

Mitte Juli 2019 teilte die Hochschule der Antragstellerin mit, dass der Präsident der Antragsgegnerin die Reihenfolge der Berufungsliste geändert und den Ruf an den Beigeladenen erteilt habe. Daraufhin ersuchte die Antragstellerin um gerichtlichen Eilrechtsschutz. Sie trug im Wesentlichen vor, die entgegen der Empfehlungen der Gremien ergangene Entscheidung des Präsidenten beruhe höchstwahrscheinlich auf sachfremden Erwägungen.

Die Entscheidung des Gerichts in der Zusammenfassung

Das Gericht entschied, dass die Auswahlentscheidung den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin verletze, da es an einer nachvollziehbaren Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien in der Auswahlentscheidung des Präsidenten fehle. Auch bei der Vergabe des Statusamts eines Professors an einer Hochschule habe sich die Auswahlentscheidung nach den in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu richten.

Der Präsident habe hier die ihm auf Vorschlag des Fachbereichs zukommende Abwägung bei der Berufungsentscheidung zwar ausreichend dokumentiert (Auswahlvermerk), aus der hervorgehe, dass er die Antragstellerin mangels einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation für weniger geeignet als den Beigeladenen hält. Diese Begründung der Auswahlentscheidung entspreche jedoch nicht den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen.

Dies ergebe sich aus folgender Überlegung: Nach § 62 Abs. 9 S. 1 HSG berufe die Präsidentin oder der Präsident die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer auf Vorschlag des Fachbereichs. Dem Präsidenten komme dabei nach § 62 Abs. 9 S. 2 HSG das Recht zu, einen Professor oder eine Professorin abweichend von der Reihenfolge des Vorschlags des Fachbereichs zu berufen oder einen neuen Vorschlag anzufordern, soweit gegen die Vorschläge Bedenken bestehen, oder die Vorgeschlagenen den an sie ergangenen Ruf ablehnen. Damit liege das Letztentscheidungsrecht über die Auswahl beim Präsidenten der Hochschule. Allerdings habe sich gleichwohl auch seine Entscheidung am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu orientieren. Der Präsident sei demgemäß ebenso wie die Berufungskommission an die Grundsätze der Bestenauslese und das Anforderungsprofil in der Ausschreibung gebunden.

Daran gemessen halte die Auswahlentscheidung des Präsidenten konkret einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand, da eine nachvollziehbare Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien durch ihn nicht erfolgt sei. Maßgeblich für die Überprüfung seiner Auswahlentscheidung seien in erster Linie die Feststellungen im Auswahlvermerk. Diesem lasse sich indes nicht in dem erforderlichen, nachvollziehbaren Umfang entnehmen, warum sich aus einem Teilaspekt der Bestenauslese, einer einschlägigen wissenschaftlichen Vorerfahrung, zwingend ergeben solle, dass die Antragstellerin von der nach § 62 Abs. 4 HSG vom Berufungsausschuss erarbeiteten, eine ausführliche Würdigung der einzelnen Kandidaten enthaltenden Dreierliste zu entfernen sei.

Ein zwingendes Erfordernis der einschlägigen wissenschaftlichen Qualifikation ergebe sich, so das Gericht, weder direkt aus § 61 Abs. 1 Nr. 3 HSG, noch aus dem Anforderungsprofil in der Ausschreibung: Das für die Auswahlentscheidung maßgebliche Anforderungsprofil in der Stellenausschreibung vom 10. Januar 2019 enthielt, so das Gericht, das Kriterium der einschlägigen Vorerfahrung, auf der Präsidenten ausschließlich abstellte, gerade nicht. Die Stellenausschreibung wiederhole vielmehr hinsichtlich der erforderlichen wissenschaftlichen Qualifikation nur den Wortlaut des § 61 Abs. 1 Nr. 3 HSG, wonach neben den allgemeinen beamtenrechtlichen Voraussetzungen unter anderem die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die gute Qualität einer Promotion nachgewiesen wird, Einstellungsvoraussetzung für Professorinnen und Professoren ist. Diese Einstellungsvoraussetzung erfülle die Antragstellerin, da sie eine mit „magna cum laude“ ausgezeichnete Promotion vorgelegt habe.

Die Erfüllung der übrigen Vorgaben des Anforderungsprofils, das Ergebnis der Durchführung der studiengangsbezogenen Lehrveranstaltung, das eingeholte zusätzliche Gutachten zu der Frage der fehlenden einschlägigen wissenschaftlichen Qualifikation der Antragstellerin und der nach § 62 Abs. 4 HSG vorgesehene Berufungsvorschlag hätten dagegen, so das Verwaltungsgericht, ausweislich des Auswahlvermerks in die Entscheidung des Präsidenten keinen Eingang gefunden. Dies entspreche jedoch nicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG an den Leistungsvergleich. Die Vergabe einer Professur habe aufgrund eines schlüssig entwickelten Gesamturteils über die Bewerber, das auf der Grundlage einheitlicher Maßstäbe ermittelt wurde, zu erfolgen. Dies sei hier nicht erfolgt. Stattdessen sei ausschließlich auf den Teilaspekt der fachfremden Promotion der Antragstellerin abgestellt worden, ohne diesen ins Verhältnis zu den übrigen Kriterien zu setzen.

Widerruf eines Professorentitels, 21. November 2019

Der Kläger wandte sich gegen den Widerruf seines Professorentitels, nachdem er rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten wegen gewerbsmäßiger Untreue verurteilt worden war. Der Widerruf erfolgte indes zu Recht, wie jetzt das Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom 21. November 2019 entschied (Az. 12 A 193/17).

Der Kläger lehrte an einer medizinischen Fakultät. Im Dezember 1991 wurde ihm der außerplanmäßige Professorentitel verliehen mit der Verpflichtung zur Lehre von 2 Semesterwochenstunden. Im darauffolgenden Jahr erhielt er auch eine ordentliche Professur, begrenzt auf sechs Jahre. Bereits im Jahr 1994 wurde der Kläger aus dem Beamtenverhältnis entlassen und wechselte an eine andere Hochschule. Dort wurde ihm 1995 die Lehrbefugnis verliehen. Den außerplanmäßigen Professorentitel führte er weiter. Im Jahre 2015 wurde der Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten wegen gewerbsmäßiger Untreue in 327 Fällen verurteilt.

Daraufhin widerrief die Hochschule den außerordentlichen Professorentitel des Klägers. Zur Begründung führte sie an, der Titel könne nach § 65 Absatz 1 Satz 2 Hochschulgesetz Schleswig-​Holstein (HG SH) bei Vorliegen von Gründen entzogen werden, die bei einer Beamtin oder einem Beamten zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führten. Nach erfolglosem Widerspruch – der Kläger argumentierte, die strafrechtliche Verurteilung sei nur wegen der Tätigkeiten in seinem privaten Fondshaus erfolgt, es gebe keinen wissenschaftlichen Bezug – erhob er Klage zum zuständigen Verwaltungsgericht.

Das VG Schleswig wies indes die Klage ab: Die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 S. 3 des HSG SH seien erfüllt. Denn danach könne die Verleihung des Titels des außerplanmäßigen Professors aus Gründen widerrufen werden, die bei einer Beamtin oder einem Beamten zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen würden. Diese Gründe ergäben sich aus § 24 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), denn danach ende das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft des Urteils, wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werde. Dies sei hier bei einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten ersichtlich gegeben.

Dem Widerruf stehe, so das VG Schleswig, auch nicht entgegen, dass die Verfehlungen keinen Wissenschaftsbezug aufweisen, sondern im privaten Bereich stattgefunden haben. Denn ein Wissenschaftsbezug sei für den Widerruf nicht erforderlich. § 24  BeamtStG verlange gerade keinen wissenschaftlichen Bezug einer Straftat, sondern knüpfe allein an die Rechtsfolge der Tat an, nämlich das Maß der Verurteilung. Zwar sei durch das BVerfG entschieden worden, dass das Merkmal der „Unwürdigkeit“ im HG Baden-Württemberg eines Wissenschaftsbezugs bedürfe, diese Wertung sei jedoch nicht auf das HG SH übertragbar. Die Formulierung im HG Baden-Württemberg lasse einen Spielraum in der Bewertung des Verhaltens zu, eine solche Wertungsmöglichkeit sei indes im HG SH nicht vorgesehen. Auch der Hinweis auf die Entziehung eines Doktortitels verfange nicht. Denn ein Doktorgrad und ein außerplanmäßiger Professorentitel seien nicht miteinander vergleichbar: Der Doktorgrad sei ein akademischer Grad, der einen akademischen Abschluss benenne.

Die Entscheidung der Hochschule sei auch ermessensfehlerfrei getroffen und sei nicht unverhältnismäßig. Insbesondere liege keine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG vor, denn zwar sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit gegeben, dieser sei aber gerechtfertigt. Hier lagen, so das VG Schleswig, vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls für den Widerruf vor, nämlich das Ansehen, die Ehre und die Integrität der staatlichen Hochschule zu wahren. Auch die Wissenschaftsfreiheit sei nicht verletzt, weil der Kläger nicht mehr im Wissenschaftsbetrieb der Hochschule tätig sei und auch in absehbarer Zukunft nicht mehr werde, gleiches gelte letzten Endes auch für Art. 2 Abs. 1 GG.

Abweichungsbefugnis des Präsidiums im Berufungsverfahren, 18. November 2019

Nach einem kürzlich getroffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 18. November 2019 (Az. 3 B 152/19) ist bei der Besetzung einer Professorenstelle an einer Hochschule (in dem konkreten Fall: einer Stiftungsuniversität) deren Präsidium nach § 26 Abs. 2 Satz 9 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) grundsätzlich berechtigt, die Reihenfolge des vom Fakultätsrat beschlossenen Berufungsvorschlags zu ändern und die von der Berufungskommission zuvor erstellte Reihenfolge wiederherzustellen.

Es ist nach dem Verwaltungsgericht unerheblich, dass landesgesetzlich (im konkreten Fall: in Niedersachsen) nicht ausdrücklich geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen das Präsidium vom Beschluss des Fakultätsrats abweichen darf. Denn der dem Präsidium eingeräumten Abweichungsbefugnis seien unmittelbar durch die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bundesverfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Die Wissenschaftsfreiheit sei allerdings durch die dem Präsidium in § 26 Abs. 2 Satz 9 NHG eingeräumte Abweichungsbefugnis dann nicht berührt, soweit die Abweichung auf sachliche Gründe gestützt und die fachliche Einschätzungsprärogative der am Auswahlverfahren beteiligten Hochschullehrer hinsichtlich der Eignung der Bewerber gewahrt werde. Letzteres sei regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Entscheidung des Präsidiums innerhalb der vom Berufungsvorschlag als fachlich geeignet bezeichneten Kandidaten (Dreierliste) halte.

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besetzung der Leitung einer staatlichen Hochschule, 19. September 2019

In dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wandten sich die Beschwerdeführer gegen die Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten an einer staatlichen Hochschule. In einem der beiden Verfahren hatten die Mitglieder des Senats Verfassungsbeschwerde erhoben, in einem anderen Verfahren die Mitbewerber. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seines Nichtannahmebeschlusses die Verfassungsbeschwerden für teilweise unzulässig und im Übrigen für unbegründet erklärt (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 19. September 2019, Az. 1 BvR 2059/18 und 1 BvR 1063/19).

 

Orientierungssatz:

1a. Wenden sich Hochschullehrer in ihrer Funktion als Mitglieder eines Hochschulsenats gegen eine Auswahlentscheidung für ein Hochschulleitungsamt, so sind sie auf die Geltendmachung mitgliedschaftlicher Rechte beschränkt, die ihre durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Mitwirkung in wissenschaftsadäquat besetzten Organen der Hochschule sichern.

1b. Zwar kann eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG grundsätzlich auch unmittelbar gegenüber Organisationsnormen (hier: Regelungen zum Aufsichtsrat einer Dualen Hochschule) geltend gemacht werden. Insoweit muss eine Verfassungsbeschwerde jedoch auf eine Gefährdung der freien wissenschaftlichen Arbeit gestützt werden, nicht hingegen auf Rechtspositionen aufgrund der Mitgliedschaft in einem Hochschulorgan.

2a. Die Organisation der Hochschulen kann der Gesetzgeber nach seinem Ermessen ordnen, solange gewährleistet ist, dass der Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleibt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüges einen weiten Gestaltungsraum.

2b. Hochschulleitungen sind gemeinsam staatlich und wissenschaftsautonom zu besetzen, wobei die Auswahlentscheidung inhaltlich an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist. Dabei muss ein hinreichender Einfluss der Träger der Wissenschaftsfreiheit gewahrt werden. Aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG folgt allerdings kein Anspruch, über die Hochschulleitung ausschließlich selbst zu bestimmen, aber ein Mitentscheidungsrecht. Mit den Anforderungen aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG muss auch das Verfahren im Einklang stehen.

2c. Es stünde mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht in Einklang, bei der Wahl einer Hochschulleitung nur Art 33 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Vielmehr ist Art 5 Abs. 3 S. 1 GG im Rahmen von Auswahlentscheidungen für die Hochschulleitung zu berücksichtigen. Das modifiziert aber nicht den Grundsatz der Bestenauslese, an den alle Beteiligten inhaltlich gebunden sind.

3. (…)

4a. Die von mehreren Mitgliedern des Senats der Dualen Hochschule Baden-Württemberg gegen den Beschluss des VGH Mannheim (…) erhobene Verfassungsbeschwerde ist nur insoweit zulässig, als die Beschwerdeführer gerade mitgliedschaftliche Rechte als Senatsmitglieder geltend machen. Die angegriffene Entscheidung ist insoweit nicht zu beanstanden.

4b. Die von mehreren Mitbewerbern des Auswahlverfahrens zur Findung eines Vizepräsidenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg gegen den Beschluss des VGH Mannheim (…) erhobene Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Deren Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG ist auch unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht verletzt.

 

Anforderungen an die Ausschreibung einer Professorenstelle, 28. August 2019

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung die Grundsätze, die im Rahmen der Ausschreibung einer Professorenstelle zu beachten sind, verdeutlicht. An dieser Stelle werden lediglich die Orientierungssätze des Gerichts präsentiert.

1. Die öffentliche Ausschreibung, an deren Inhalt die Hochschule im weiteren Verfahren gebunden ist, dient der Transparenz des Verfahrens und soll die Breite der Bewerberauswahl erhöhen.

2. Soweit in der Ausschreibung Art und Umfang der zu erfüllenden Aufgaben anzugeben sind, ist möglichst eine weite und flexible, aber auch klare Formulierung zu wählen, die geeignet ist, einen relativ großen Kreis geeigneter Bewerber anzusprechen.

3. Bei der Erarbeitung des Berufungsvorschlags ist der Berufungskommission im Rahmen der Gesetze, Verordnungen und Satzungen ein weites Ermessen eingeräumt.

4. Zwar ist es bei Berufungsverfahren mit gestaffelter Beteiligung verschiedener Universitätsgremien zulässig, hinsichtlich des von den jeweiligen Gremien und den beauftragten Gutachtern zu würdigenden Schrifttums der Bewerber zur Beurteilung ihrer fachlichen Eignung auf diejenigen Arbeiten abzustellen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits veröffentlicht sind, wobei der Zeitpunkt einen sachlichen Anknüpfungspunkt im Auswahlverfahren haben muss. Wenn aber die Berufungskommission insoweit keine zeitliche Begrenzung festlegt, ist sie gehalten, im Berufungsverfahren ergangene Zwischenentscheidungen und bereits erstellte Gutachten ggf. überprüfen und aktualisieren zu lassen, wenn nach Eingang der Bewerbungen weitere Schriften der Bewerber veröffentlicht werden, die möglicherweise Aufschluss über deren fachliche Eignung geben können.

Anforderungen an die Gutachten in Berufungsverfahren für die Besetzung einer Professur, 15. August 2019

Die Habilitation stellt eine für die wissenschaftliche Reputation wesentliche Qualifikation dar. Wird diese wesentliche Qualifikation nicht in allen im Berufungsverfahren für die Besetzung einer Professur eingeholten Gutachten berücksichtigt, so beruhen die entsprechenden Gutachten auf einer unzureichenden Erkenntnisgrundlage, so das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in einem jüngst veröffentlichten Beschluss (Beschluss vom 15. August 2019, Az. 12 L 271/19, juris).

Denn eine Habilitation präge die wissenschaftliche Reputation nachhaltig und sei damit Bestandteil eines jeden wissenschaftlichen Qualifikationsvergleichs. Mit ihr werde die Befähigung, ein wissenschaftliches Fach oder Fachgebiet in Forschung und Lehre selbständig zu vertreten, förmlich nachgewiesen und die Voraussetzung zur Verleihung einer Lehrbefugnis geschaffen. Die Würdigung der Habilitation der Antragstellerin sei insbesondere vor dem Hintergrund der nicht-habilitierten Mitbewerber geboten. Die Antragstellerin weise damit im akademischen Bereich eine herausgehobene Qualifikation auf, die in die Gesamtbegutachtung zwingend einzubeziehen war, so das Gericht. Diese Fehlerhaftigkeit der Gutachten wirke sich nicht nur auf den Berufungsvorschlag der Berufungskommission aus, sondern schlage auch auf die nachfolgenden Gremienentscheidungen und insbesondere auf die abschließende Auswahlentscheidung durch - diese sei daher ebenfalls rechtswidrig. Folgerichtig entschied das Gericht, dass es der Hochschule im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt werde, die in Rede stehende Professur mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden sei.

Konkurrentenstreitverfahren, 8. August 2019

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat einige interessante Hinweise in Bezug auf die rechtlichen Anforderungen an den Abbruch von Auswahlverfahren und an die Durchführung von Konkurrentenstreitverfahren gegeben (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 08.08.2019, Az. 12 D 1/19, juris).

Danach kann das Auswahlverfahren (nur dann) dann abgebrochen werden, wenn es fehlerhaft durchgeführt wurde und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten. Kann ein Mangel im laufenden Auswahlverfahren dagegen noch behoben werden, so rechtfertigt dieser keinen Abbruch zum Zwecke der Neuausschreibung, weil nur so der effektive Bewerbungsverfahrensanspruch gesichert werden könne (so schon jüngst OVG Münster, Beschluss vom 12.07.2018, Az. 1 B 1160/17, juris).

In dem dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht vorliegenden Fall hatte sich das Gericht zudem hilfsweise mit einem Antrag auf Eilrechtsschutz (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) zu befassen. Das Gericht hatte hier im Rahmen der Zulässigkeit des Eilrechtsschutzes konkret über den Einwand zu entscheiden, dass der Eilrechtsschutz möglicherweise durch den (bloßen) Zeitablauf von vier Monaten verwirkt worden sei. Das Gericht beschloss zwar, dass der Eilrechtsschutz in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren in der Tat grundsätzlich der Verwirkung unterliegen könne. Konkret liege aber nicht allein deshalb eine Verwirkung vor, weil hier mit vier Monaten ein längerer Zeitraum zwischen der Konkurrentenmitteilung und der Stellung des Eilantrags vergangen war. Es fehle nämlich an besonderen hinzutretenden Umständen, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. In dem konkreten Fall hatte der unterlegene Bewerber aber vielmehr durch seinen Widerspruch und durch eine schriftliche Nachfrage sein Rechtsschutzinteresse deutlich zum Ausdruck gebracht.

Materiell entschied das Gericht, dass der unterlegene Bewerber dann, wenn das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung verletzt werde, auch bei hochschulrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann verlangen könne, wenn seine Auswahl möglich erscheine und seine Chancen, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, zumindest offen seien. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass einer Hochschule eine besondere Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zustehe.

 

 

 

Wissenschaftsfreiheit im Spannungsfeld mit haushaltsrechtlichen Erfordernissen, 28. Juni 2019

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in der Berufungsinstanz zu entscheiden, ob die im Rahmen eines Disziplinarverfahrens gegen einen Hochschullehrer verhängte Geldbuße rechtmäßig war. Der Hochschullehrer hatte haushaltsrechtliche Bestimmungen nicht befolgt und u.a. eigenmächtig eine Software-Lizenz im Wert von rund 37.000,- Euro sowie Dozentenverträge im Wert von 3.000,- Euro abgeschlossen. Im Rahmen des dann gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens wurde eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro verhängt. Zu Recht, wie zunächst das Verwaltungsgericht München (Beschluss vom 15. Januar 2019, Az. M 13L DB 17.1877) und jetzt auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 28. Juni 2019, Az. 16a DZ 19.255, juris) befanden.

Konkret existierten in dem Fall haushaltsrechtliche Bestimmungen, die vorsahen, dass Bestellungen von Ausstattungsmaterialien in eigener Zuständigkeit bis zu 249,- Euro vorgenommen werden konnten. Der Hochschullehrer argumentierte im Verlauf des Prozesses vor allem damit, dass er die Abgrenzung „zwischen dem geschützten wissenschaftlichen Bezug einer Verhaltensweise und der organisatorischen Grundlage, in die sich der Dienstherr noch einmischen darf“, für besonders schwierig halte. Er war offenbar deswegen davon ausgegangen, die Bestellungen vornehmen zu können.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies demgegenüber darauf hin, dass es in der Rechtsprechung geklärt sei, dass ein Hochschullehrer außerhalb des Bereichs von Forschung und Lehre nicht von seinen allgemeinen beamtenrechtlichen Pflichten entbunden ist. Ein Hochschullehrer könne sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber Organisationsnormen bzw. hochschulinternen Organisationsmaßnahmen auf den Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nur berufen, wenn sie wissenschaftsinadäquat sind bzw. die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährden. Dabei sei die jeweils in Rede stehende Organisationsnorm danach zu beurteilen, ob und mit welcher Intensität sie die Funktionsfähigkeit der Institution „freie Wissenschaft“ als solche begünstige oder behindere.

Konkret sei der Hochschullehrer aufgrund der bestehenden internen Organisationsmaßnahmen nicht befugt gewesen, die Arbeitsplatzlizenz einer Software im Gesamtwert von rund 37.000,- Euro liefern und verbunden mit weiteren Kosten auf seinem Arbeitsplatzrechner installieren zu lassen. Gleiches gelte für den Abschluss von Dozentenverträgen. Allein der Umstand, dass er nicht persönlich befugt war, vertragliche Verpflichtungen mit Dritten einzugehen, die über einen Betrag von 249,- Euro liegen, sei weder wissenschaftsinadäquat noch stelle dies eine strukturelle Gefährdung der freien wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung dar. Vielmehr werde durch ein „Vier-Augen-Prinzip“ sichergestellt, dass zum einem die entsprechenden Mittel überhaupt vorhanden sind und zum anderen die Vorschriften zur Bewirtschaftung der Haushaltsmittel eingehalten werden. In diesem Spannungsfeld mit den haushaltsrechtlichen Erfordernissen könne sich die Wissenschaftsfreiheit des Einzelnen nicht schlechthin und schrankenlos durchsetzen.

 

Fortführung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens - hier: Informationspflichten gegenüber Mitbewerbern, 14. Juni 2019

In einem Verfahren des Eilrechtsschutzes, dort im Rahmen der gegen die erstinstanzliche, ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) einige wichtige Hinweise zu der rechtlichen Situation beim Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens, insbesondere in Bezug auf die Mitbewerber, gegeben (OVG Münster, Beschluss vom 14.06.2019, Az. 1 B 346/19, juris).

An dieser Stelle sollen lediglich die prägnanten Leitsätze des Gerichts dargestellt werden. Die Entscheidung wird an anderer Stelle ausführlich erläutert.

  1. Die Entscheidung des Dienstherrn, das Auswahlverfahren abzubrechen und die Stelle auf der Grundlage eines neuen Auswahlverfahrens zu vergeben, muss den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen und bedarf eines entsprechenden sachlichen Grundes.
  2. In formeller Hinsicht muss der Dienstherr die Bewerber rechtzeitig und in geeigneter Form von dem Abbruch in Kenntnis setzen. Gegen das Erfordernis rechtzeitiger Information verstößt er dabei nicht, wenn er einen Bewerber erst mit oder nach der erneuten Ausschreibung der Stelle, auf die sich dieser beworben hatte und die bei der Neuausschreibung unverändert geblieben ist, aber vor der Ernennung des im zweiten Auswahlverfahren ausgewählten Bewerbers über den Abbruch des ersten Stellenbesetzungsverfahrens informiert.
  3. Zu den formellen Anforderungen an den rechtmäßigen Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens zählt ferner, dass der Dienstherr den für den Abbruch wesentlichen Grund, sofern sich dieser nicht aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert.
  4. Der Abbruch eines Auswahlverfahrens ist bei weiterhin beabsichtigter Besetzung der Stelle u. a. dann sachlich gerechtfertigt, wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn nur ein Bewerber die formalen Anforderungen des Anforderungsprofils vollumfänglich erfüllt und der endgültige Besetzungsvorschlag nach dem einschlägigen Hochschulrecht drei Namen enthalten soll.
  5. Der Dienstherr ist für das konkrete Stellenbesetzungsverfahren an das von ihm aufgestellte (rechtlich bedenkenfreie) Anforderungsprofil gebunden.
  6. Anforderungsmerkmale, die Wertungsspielräume eröffnen, können zumindest in ihrem Kern konstitutiven Charakter haben.

Bundesverwaltungsgericht: Konsumtion in NRW und Bayern ist verfassungsgemäß, 6. Juni 2019

Die mit Wirkung zum 1. Januar 2013 in Nordrhein-Westfalen und Bayern eingeführte (teilweise) Anrechnung des erhöhten Grundgehalts auf die Leistungsbezüge von Professoren ist verfassungsgemäß. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am 6. Juni 2019 entschieden, (BVerwG, Urteile vom 6. Juni 2019, Az. 2 C 21/18 und 2 C 36/18, juris).

Das Bundesverwaltungsgericht bezieht sich in seinen fast gleichlautenden Entscheidungen zunächst ausführlich auf seine Entscheidung aus 2017 zu Rheinland-Pfalz. Schon dort hatte es verneint, dass ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums) vorliegt. Es sei zwar ein Eingriff in Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums) festzustellen. Dieser sei aber gerechtfertigt, denn der Gesetzgeber habe sich nach dem bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 in einer Situation, die im Vertragsrecht als Wegfall der Geschäftsgrundlage bezeichnet würde und die folglich trotz bestehender Vereinbarung zu einer Anpassung der Verhältnisse berechtige, befunden.

Ebenso liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) vor. Es handele sich um eine zulässige Stichtagsregelung. Die Stichtagsregelung bringe wie jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich. Wenn wie im Professorenbesoldungsrecht die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Rechtslage positiv durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde und dem Gesetzgeber die Behebung dieses Zustands obliegt, stehe der Vertrauensschutz einer echten Rückwirkung nicht entgegen.

Ergänzend weist das BVerwG auf Folgendes hin: Zwar habe Nordrhein-Westfalen und auch Bayern höhere Konsumtionsbeträge als Rheinland-Pfalz eingeführt. Daraus ergebe sich jedoch keine abweichende rechtliche Beurteilung. Jedenfalls eine teilweise Abschmelzung von Leistungsbezügen sei vom weiten gesetzgeberischen Spielraum im Besoldungsrecht gedeckt und deshalb im Rahmen von Art. 33 Abs. 5 GG gerechtfertigt, so das Gericht. Dies gelte auch dann, wenn die Erhöhung des Grundgehalts sich infolge einer solchen Abschmelzung als nicht die Gesamtbesoldung steigernd auswirke, also für die Höhe der Gesamtalimentation folgenlos bleibe. Und dies gelte auch unabhängig von der absoluten Höhe der durch Anrechnung der Grundgehaltserhöhung bewirkten teilweisen Abschmelzung der Leistungsbezüge.

Denn Bezieher hoher (d.h. die Erhöhung des Grundgehalts übersteigender) Leistungsbezüge müssten strukturell nicht besser gestellt sein als die Bezieher niedriger (d.h. die Erhöhung des Grundgehalts nicht übersteigender) Leistungsbezüge. Sie wären aber besser gestellt, so das Gericht, wenn man annähme, dass bei der Systemumstellung in der W-Besoldung nicht nur die Leistungszulagen teilweise weiter zur Auszahlung gelangen müssten, sondern auch die Erhöhung des Grundgehalts nicht vollständig aufgezehrt werden dürfte. Letztlich habe die durch das Professorenbesoldungsurteil des BVerfG vom 14.02.2012 veranlasste Umstellung im Besoldungssystem für die Professoren nur zu einer Umschichtung geführt: Das feste Grundgehalt muss danach alimentationssichernd sein, variable Gehaltsbestandteile dürfen nur additiv hinzutreten. Mit der damit verbundenen strukturellen Erhöhung der Grundgehälter sei damit die Geschäftsgrundlage für die ungeschmälerte Zahlung der Leistungszulagen entfallen.

Auch Art. 33 Abs. 2 GG (Leistungsprinzip) sei nicht verletzt. Zwar müssten Neugestaltungen des Besoldungsrechts auch das Leistungsprinzip wahren. Die Anrechnungsregelung berühre das Leistungsprinzip jedoch nicht. Das Leistungsprinzip gebiete die Anerkennung und rechtliche Absicherung des Beförderungserfolges, den der Beamte bei der Bestenauslese aufgrund von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erlangt hat. Über das Statusrecht sei das Besoldungsrecht mittelbar leistungsbezogen, indem Leistung mit Beförderung honoriert werde. Leistungsbezüge von Hochschullehrern beträfen jedoch nicht ihr Statusamt. Denn zu den Kennzeichen des Statusamtes zählten nach stetiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich die Zuordnung zu einer bestimmten Laufbahn und Laufbahngruppe, die Amtsbezeichnung und die Besoldungsgruppe, nicht aber Leistungsbezüge von Hochschullehrern.

 

 

Vergabe der Sanktionsnote „nicht bestanden“ bei Überschreitung der Bearbeitungszeit, 29. Mai 2019

Erneut hat sich ein Verwaltungsgericht mit der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens von Hochschulprüfungen beschäftigt. Anlass der aktuellen Entscheidung war die Klage eines Bachelor-Studierenden an einer Hochschule in Rheinland-Pfalz. Dieser nahm im Sommer 2018 an einer schriftlichen juristischen Prüfung teil. Die vorgesehene Bearbeitungszeit der Klausur betrug 90 Minuten.

Zehn Minuten vor Ende der Bearbeitungszeit wurden die Prüflinge über Mikrofon und Lautsprecheranlage über das nahende Ende der Bearbeitungszeit hingewiesen. Bei Auslaufen der Bearbeitungszeit schrieb der Kläger jedoch weiter. Er beendete seine Bearbeitung erst ca. eineinhalb Minuten nach Ende der vorgesehenen Bearbeitungszeit, nach persönlicher Aufforderung der Aufsichtsperson. Diese hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die restlichen 50 Klausuren eingesammelt.

Nach vorheriger Anhörung des Klägers entschied die Hochschule, dass seine Leistungen als „nicht ausreichend“ zu bewerten und die Klausur damit nicht bestanden sei, da er sich durch die Überschreitung der Bearbeitungszeit einen für die Bewertung erheblichen Vorteil gegenüber den Mitprüflingen verschafft habe. Des Weiteren käme es nach der spezifischen Prüfungsordnung gerade darauf an, dass die Prüfungsleistung innerhalb der Bearbeitungszeit erbracht werde.

Gegen diese Entscheidung der Hochschule erhob der Studierende nach erfolglosem Widerspruch Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Diese stütze er im Wesentlichen auf das Argument der Unverhältnismäßigkeit der Sanktion im Vergleich zur Überschreitung der Bearbeitungsdauer.

Das angerufene Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage ab. Zur Begründung (Klageabweisung mit Urteil vom 29.Mai.2019, Az.: 4 K 1252/18.KO, noch nicht veröffentlicht) führte das Gericht aus, dass die Entscheidung der Hochschule in rechtmäßiger Weise auf § 16 der spezifischen Prüfungsordnung in Verbindung mit § 26 Absatz 2 Nr. 8 ff. des Hochschulgesetzes Rheinland-Pfalz gestützt werden könne. Aus der Ermächtigungsgrundlage gehe eindeutig hervor, dass eine Prüfungsleistung als „nicht ausreichend“ bewertet gilt, wenn eine schriftliche Prüfungsleistung nicht innerhalb der vorgegebenen Bearbeitungszeit erbracht wird. Auf diese Regelung und dessen Konsequenz seien die Prüflinge schließlich auch unmittelbar vor der Prüfung durch die Aufsichtsperson ausdrücklich hingewiesen worden.

Die Entscheidung der Hochschule sei auch verhältnismäßig, denn mit der Überschreitung der Bearbeitungszeit habe sich der Kläger einen Vorteil gegenüber seinen Mitprüflingen verschafft, der mit dem im Prüfungsrecht bedeutenden Grundsatz der Chancengleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nicht mehr in Einklang zu bringen sei. Gerade bei juristischen Prüfungen könne bei einer Überschreitung von (nur) eineinhalb Minuten die Gesamtbewertung der erbrachten Prüfungsleistung durch die Nennung von Schlagworten oder die Skizzierung von Lösungsansätzen bereits erheblich beeinflusst werden.

Zudem sei jeder Prüfling dazu verpflichtet, eigenverantwortlich dafür Sorge zu tragen, dass die Erbringung der Prüfungsleistung innerhalb der vorgegebenen Bearbeitungszeit erfolge. Etwaige Verstöße gehen demnach zu Lasten des Prüflings.

Eine Überschreitung der Bearbeitungsdauer stellt auch bei nur kurzer Überschreitung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit dar und kann durchaus zu einer verhältnismäßigen Bewertung der Prüfungsleistung als „nicht ausreichend“ führen.

Voraussetzungen der Exmatrikulation im Fall des endgültigen Nichtbestehens, 24. Mai 2019

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich in einem Eilverfahren mit den Voraussetzungen der Exmatrikulation beschäftigt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.Mai.2019, Az.: 2 ME 360/19 – juris). Anlass der Entscheidung war die Beschwerde eines Studierenden der Humanmedizin an einer Hochschule in Niedersachsen.

Der Studierende war im Sommer 2018 auch im zweiten Wiederholungsversuch in der Prüfungsklausur „Makroskopische Anatomie“ durchgefallen. Im Frühjahr 2019 erfolgte sodann nach vorheriger Anhörung die Exmatrikulation des Studierenden unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Hinweis auf die endgültig nicht bestandene Prüfung.

Aus Sicht der Hochschule sei es für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation nicht erforderlich, dass die Entscheidung über das endgültige Nichtbestehen einer Prüfung bestandskräftig oder sonst sofort vollziehbar sei. Zudem habe der Studierenden für den Fall, dass ihm doch noch ein weiterer Wiederholungsversuch zustehe, einen Anspruch auf erneute Immatrikulation.

Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidungen der Wiederholungsprüfungen und der Exmatrikulation erhob der Studierende Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache steht bisher noch aus. Zudem beantragte der Studierende die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner eingelegten Rechtmittel gegen die Exmatrikulation.

Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht Lüneburg lehnte den Antrag ab. Auch die anschließende Beschwerde blieb erfolglos, da sich das Oberverwaltungsgericht den Erwägungen der Vorinstanz anschloss.

Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Beschluss vom 27. Februar 2019, Az.: 4 B 34/19) ausgeführt, dass für die Exmatrikulation im Fall des endgültigen Nachbestehens einer Prüfung nur die Existenz der Feststellung eines endgültigen Nichtbestehens, nicht hingegen dessen Bestandskraft erforderlich sei. Denn der Wortlaut des § 19 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 niedersächsisches Hochschulgesetzes (NHG) unterscheide in den einzelnen Regelungsfällen unter a) – c) zwischen „Existenz“ und „Bestandskraft“.

Die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation sei daher auch nicht abhängig vom Ergebnis der Anfechtung der Prüfungsentscheidungen – die Entscheidung in der Hauptsache demzufolge nicht abzuwarten. Die Rechtsinteressen des Klägers durch einen Anspruch auf erneute Immatrikulation im Fall des Obsiegens hinreichend gewahrt.

Bei der Exmatrikulation handele es sich zudem um die gebundene Rechtsfolge der Feststellung des endgültigen Nichtbestehens. Den Hochschulen stehe hinsichtlich der Exmatrikulation also kein Ermessensspielraum zu. Dies sei auch verhältnismäßig, da die Ausbildungskapazitäten begrenzt sind und Studienplätze primär an diejenigen vergeben werden sollen, die (noch) eine Chance auf die Erreichung des Studienziels haben.

Aus rechtlicher Sicht setzt eine rechtmäßige Exmatrikulation somit lediglich die Existenz einer Feststellung des endgültigen Nichtbestehens, nicht hingegen dessen Bestandskraft oder Sofortvollzug voraus.

Aus Sicht der Hochschulen erscheint es daher sinnvoll, dass die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens und die Exmatrikulation in separaten Bescheiden ergehen.

 

Streit um Einstellungsvoraussetzungen für eine Professur zwischen Hochschule und Ministerium, 2. Mai 2019

In dem von dem Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG Niedersachsen) zu entscheidenden Fall ging es um einen Streit zwischen Wissenschaftsministerium und Hochschule um das Vorliegen der Einstellungsvorausssetzungen einer Professur (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 02.05.2019, Az. 5 ME 68.19, noch nicht veröffentlicht). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte nun die Auffassung des Bewerbers, dass die Einschätzung der Hochschule zur wissenschaftlichen Eignung, insbesondere zu den Berufungsvoraussetzungen, regelmäßig vom Wissenschaftsministerium hinzunehmen sei.

In dem Rechtsstreit ging es um einen Bewerber, dem die Hochschule wegen seiner besonderen Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit eine Professur im Wege der Ausschreibung übertragen wollte. Dagegen wandte sich jedoch das zuständige Wissenschaftsministerium mit dem Argument, dass eine mit „magna cum laude” abgeschlossene Promotion als Leistungsnachweis nicht genüge. Denn an dem Fachbereich der niedersächsischen Universität, an der der Bewerber seine Promotion abgelegt hatte, seien in dem betreffenden Jahr alle Promotionen mit den Noten „magna cum laude” oder „summa cum laude” bewertet worden. Weil das Vorliegen der Berufungsvoraussetzungen zwischen dem Wissenschaftsministerium und der Hochschule umstritten blieb, brach die Hochschule das Stellenbesetzungsverfahren letzten Endes ab. Das OVG Niedersachsen bestätigte nun die Auffassung des Bewerbers. Die Feststellungen der Hochschulen zur wissenschaftlichen Eignung stünden unter dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit der Hochschule und ihrer Gremien und könnten nicht vom Ministerium durch eigene Einschätzungen ersetzt werden. Die Verweigerung des Rufs an die Bewerberin sei daher ebenso wenig gesetzeskonform wie der Abbruch des Auswahlverfahrens durch die Hochschule, so das Gericht.

Konkurrentenstreitverfahren um das Amt des Vizepräsidenten an einer Hochschule, 26. März 2019

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH Mannheim) hat eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aufgehoben, das es dem Land untersagt hatte, den vor zwei Jahren gewählten Vizepräsidenten einer Hochschule ins Amt einzusetzen. Damit blieben die Konkurrentenanträge zweier Mitbewerber erfolglos. Die Mitbewerber hatten Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, die der VGH Mannheim nun per Beschluss ablehnte (Beschluss vom 26. März 2019, Az. 4 S 177/19).

Unabhängig von den hier nicht näher interessierenden Einzelfallumständen sind vor allem die folgenden Leitsätze des Gerichts von Interesse. Danach gilt: Auch ein abgelehnter Bewerber um das Amt des Vizepräsidenten an einer Hochschule kann dann, wenn sein Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, und wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind‚ d. h. seine Auswahl möglich erscheint, eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen. Dabei schränken einfach-​gesetzliche Vorgaben für das Auswahlverfahren grundsätzlich auch im Hochschulbereich sein subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht ein. Die Konkurrenten können also die zugunsten des ausgewählten Bewerbers getroffene Entscheidung mit Rücksicht auf dessen Rechtsposition mit Erfolg angreifen, wenn ihre Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG und/oder dessen Grundsätze ausformende Verfahrensvorschriften in einer Weise verletzt worden sind, die den Erfolg der eigenen Bewerbung bei deren Beachtung als möglich erscheinen lassen.

Weiterhin entschied der VGH, dass es sich bei der Ernennung vorgelagerten Auswahlentscheidung sowie die sog. Negativmitteilung nicht um Verwaltungsakte handelt. Letztere solle unterlegenen Bewerbern Gelegenheit geben, vorbeugend gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Dies hat weitreichende Folgen. Eine Verwaltungsakt kann in Bestandskraft erwachsen, wenn die Rechtsbehelfsfristen zur Anfechtung abgelaufen sind. Anders die Auswahlentscheidung nach dem Beschluss des VGH: Weder sie noch ihre Bekanntgabe sind der Bestandskraft fähig, d. h. eine nicht erfolgte Anfechtung stellt selbst nach Ablauf der Jahresfrist der Zulässigkeit einer Bescheidungsklage nicht entgegen. Der VGH verweist im Zuge dessen auf die schon seit ein paar Jahren bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Unvereinbarkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit der Verbeamtung auf Lebenszeit, 26. Februar 2019

Erneut hat der Bundesgerichtshof mit einem aktuellen Beschluss entschieden, dass auf Lebenszeit verbeamtete Hochschullehrer keine Rechtsanwälte werden oder bleiben können.

Anlass der aktuellen Entscheidung war die Klage einer verbeamteten Hochschullehrerin, mit der sie die Rechtswidrigkeit der genannten Vorschriften wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz geltend zu machen versuchte. Die zuständige Kammer hatte gegenüber der Klägerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen nachdem die Klägerin nach vorheriger Ernennung auf Probe nunmehr 2017 zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt wurde. Nach den §§ 7 Nr. 10 und 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen bzw. zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt zum Richter oder Beamte auf Lebenszeit ernannt oder in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen wird und nicht auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Argumentation, dass sich daraus eine Ungleichbehandlung ergebe, genauer aus dem Umstand, dass Rechtsanwälte durchaus die Aufgaben von Lehrbeauftragten und Prüfern an Hochschulen wahrnehmen dürfen. Verbeamtete Hochschullehrer können demgegenüber zwar nach den Vorschriften des Straf-, Verwaltungs-,  Sozial- und Bundesverfassungsprozessrechts die Interessenvertretung vor Gericht wahrnehmen, können jedoch auf Grund der gerügten Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung keine Rechtsanwälte werden bzw. bleiben.

Der zunächst angerufene Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg wies die Klage ab. Die Berufung wurde mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen und der von der Klägerin gestellte Antrag beim Bundesgerichtshof auf Zulassung der Berufung blieb ebenfalls erfolglos: Der Bundesgerichtshof verdeutlichte in seiner Entscheidung (Antragsablehnung mit Beschluss vom 26.02.2019, Az. AnwZ (Brfg) 49/18), dass die aus der Benennung zum Beamten auf Lebenszeit unmittelbar folgende Treuepflicht gegenüber dem Staat nicht mit der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege vereinbar ist.

Maßgeblich sind danach somit nicht die einzelne Aufgabe und dessen Vereinbarkeit mit dem Berufsbild eines Rechtsanwaltes, sondern allein die grundlegende Pflichtenkollision, basierend auf dem beamtenrechtlichen Status.

Hochschullehrer und Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sind wegen der Sicherstellung der erforderlichen Unabhängigkeit also nur dann miteinander vereinbar, wenn die Professur im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses wahrgenommen wird.

Nicht beantragter Urlaub verfällt nicht automatisch, 19. Februar 2019

Nach einem aktuellen Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (Az. 9 AZR 541/15) erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Das Gericht verweist dabei auf § 7 Abs. 3 Satz 1 BurlG. Danach sei vorgesehen, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, verfällt. Das galt nach bisheriger Rechtsprechung selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Allerdings konnte der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.

In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung und Umsetzung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 6. November 2018 (Az. C-684/16) gelte nun Folgendes: Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG sei es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts zwinge die Vorschrift den Arbeitgeber damit zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber habe damit klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.

Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG könne der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Konkret verwies das Bundesarbeitsgericht die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht, damit das Landesarbeitsgericht in dem konkreten Fall aufklären kann, ob der beklagte Arbeitgeber insofern seinen Obliegenheiten nachgekommen ist. Offen blieb bei der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wann genau ein Hinweis „klar und rechtzeitig“ erfolgt ist. Insofern gibt es Konkretisierungsbedarf durch zukünftige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung.

Abgrenzung der Zuständigkeiten von Fakultätsrat und Dekanat, 13. Februar 2019

In dem vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG Lüneburg) zu entscheidenden Fall (Beschluss vom 13. Februar 2019, Az. 2 ME 707/18) ging es um eine Studierendeninitiative mit dem Ziel, die weitere Vergaben von Lehraufträgen an einen bestimmten Dozenten zu gewährleisten. In diesem Rahmen sollte der Fakultätsrat im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet werden, über die Studierendeninitiative zu beraten. Denn die Studierenden der Hochschule können nach einer bestimmten Regelung im Landeshochschulgesetz Niedersachsen verlangen, dass ein Organ der Hochschule über eine bestimmte Angelegenheit, für die es gesetzlich zuständig ist, berät und entscheidet. In dem konkreten Fall fehlte es aber nach Ansicht des Gerichts an der gesetzlichen Zuständigkeit des Fakultätsrates. Das Gericht entschied in diesem Zusammenhang und zur Abgrenzung der Zuständigkeit des Fakultätsrats und des Dekanats, dass der Fakultätsrat allein in Angelegenheiten der Forschung und Lehre von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet.

Grundsätzliche Bedeutung haben nach Ansicht des OVG Lüneburg insbesondere solche Fragen, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und die deshalb das abstrakte Interesse aller Fakultätsmitglieder an einer einheitlichen Handhabung berühren, sodass hierfür Richtlinien oder Eckpunkte festzulegen sind. Hierunter fielen etwa der Beschluss von Struktur- und Entwicklungsplänen der Fakultät als maßgebliche Grundlagen für die Stellen- und Mittelverteilung innerhalb der Fakultät oder die Zustimmung zu Zielvereinbarungen zwischen der Fakultät und der Hochschulleitung, die wissenschaftsrelevante Inhalte für die Fakultät mit anderen Fakultäten der Hochschule, mit anderen Hochschulen oder mit außerhochschulischen Organisationen und Einrichtungen haben. Gleiches gelte beispielsweise für die Zustimmung zur Errichtung, wesentlichen Veränderung oder Auflösung von Selbstverwaltungseinheiten und Einrichtungen der Fakultät in Forschung und Lehre. Um derartige Fallgestaltungen abstrakter Art gehe es hier aber nicht.

Ob darüber hinaus auch Fragen, die für die „politische Ausrichtung“ der Fakultät in die eine oder andere Richtung und die damit in der Fakultät für die Art und Weise der Ausübung von Forschung und Lehre wesentlich sind, eine grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, könne im konkreten Fall dahinstehen. Eindeutig sei indes, dass jenseits einer abstrakten Begriffsbestimmung und etwaiger Einzelbeispiele die Zuständigkeit des Fakultätsrates ihre Grenzen in den gesetzlich niedergelegten Zuständigkeiten des Dekanats findet. Eine doppelte Zuständigkeit sei somit nicht möglich. Ganz konkret verhalte es sich so, dass das Präsidium nach einer bestimmten landeshochschulgesetzlichen Regelung auf Antrag der Fakultät befristete Lehraufträge erteilen könne. Diese Antragsbefugnis stehe nach dem Landeshochschulgesetz allein dem Dekanat als Teil der laufenden Verwaltung zu.

Veröffentlichte Entscheidungen zur Konsumtion, 31. Januar 2019

Bisher liegen in zehn Bundesländern abschlägige Entscheidungen zu Klageverfahren zur Konsumtion von Leistungsbezügen vor. Dabei handelt es sich sowohl um Länder, die sich für einen hälftigen Mindestbehalt entschieden hatten, als auch um Bundesländer, die eine Konsumtion von mehr als der Hälfte der Leistungsbezüge vorgenommen haben. Mit dem Urteil aus Bremen liegt eine Entscheidung für eine Regelung vor, bei der der im Rahmen der Besoldungsreform neu eingeführte Grundleistungsbezug vollständig mit bestehenden Leistungsbezügen verrechnet wurde. Für die Konsumtionsregelung in Rheinland-Pfalz von 90 Euro liegt bereits eine höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vor.

Bayern: anrechnungsfrei bleiben max. 50 Prozent

  • Bayerischer Verwaltungsgerichtshof bestätigt Entscheidung des VG Bayreuth, 23. Oktober 2018, Az. 3 BV 16.382.
  • Bayerischer Verwaltungsgerichtshof bestätigt Entscheidung des VG Augsburg, Urteil vom 27. September 2018, Az. 3 BV 15.2710
  • Verwaltungsgericht (VG) Augsburg hält Konsumtion für verfassungskonform, 12. November 2015, Au 2 K 14.765
  • VG Bayreuth hält maximal hälftige Konsumtion für verfassungskonform, 27. Oktober 2015, Az. B 5 K 13.915.
  • VG Würzburg hält maximal hälftige Konsumtion für verfassungskonform, 3. Februar 2015, Az. W 1 K 14.211.

Bremen: vollständige Verrechnung mit dem Grundleistungsbezug

  • VG Bremen hält Mindestleistungsbezug unter Anrechnung für verfassungskonform, Urteil vom 10. April 2018, Az. 6 K 1040/15

Hessen: anrechnungsfrei bleiben max. 50 Prozent

  • VG Gießen hält Anrechnung für rechtmäßig, 22. Juli 2015, Az. 5 K 1802/13.GI.

Mecklenburg-Vorpommern: anrechnungsfrei bleiben max. 25 Prozent

  • VG Greifswald hält die Konsumtion von Dreiviertel der Leistungsbezüge für rechtmäßig.

Niedersachsen: anrechnungsfrei bleiben max. 50 Prozent

  • VG Hannover hält Konsumtion für verfassungskonform, 28. Februar 2017, Az. 13 A 1443/15.
  • VG Braunschweig, hält Konsumtion für verfassungskonform, 28.02.2017, Az. 13 A 1443/15

Nordrhein-Westfalen: anrechnungsfrei bleiben max. 55 Prozent

  • Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bestätigt Entscheidung des VG Köln, 16. Mai 2018, Az. 3 A 1828/16
  • VG Köln hält Konsumtion von 45 Prozent für verfassungskonform, 8. Juli 2016, Az. 3 K 183/14
  • Landesarbeitsgericht Hamm hält eine Konsumtion von 45 Prozent für verfassungskonform im Falle eines privatrechtlichen Anstellungsverhältnisses, 14. Oktober 2015, Az. 5 Sa 199/15

Rheinland-Pfalz: Anrechnung von max. 90 Euro

  • Bundesverwaltungsgericht bestätigt Vorinstanzen und hält die teilweise Konsumtion in Rheinland-Pfalz für verfassungsgemäß, BVerwG, Urteil vom 21. September 2017, Az. 2 C 30.16, vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. April 2016 – 2 A 11124/15 –, vorgehend VG Trier, 15. September 2015, 1 K 1913/14.TR
  • OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2015 – 2 A 11055/14, vorgehend VG Trier hält die teilweise Konsumtion für verfassungsgemäß, 9. September 2014, Az. 1 K 711/14.TR

Saarland: Anrechnungsfrei bleiben 20 Prozent der unbefristeten Leistungsbezüge 

  • Verwaltungsgericht des Saarlandes hält Konsumtion für verfassungskonform, Urteil vom 19. Juni 2018, Az. 2 K 1049/16

Sachsen: anrechnungsfrei bleiben 30 Prozent von Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge/Keine Anrechnung von besonderen Leistungszulagen

  • VG Chemnitz hält Konsumtion von 70 Prozent für rechtmäßig, Az. 3 K 1327/15

Sachsen-Anhalt: anrechnungsfrei bleiben max. 50 Prozent

  • VG Magdeburg hält Konsumtion für verfassungskonform, Urteil vom 18. Mai 2017, 5 A 749/14

Hochschulöffentlichkeit von Fachbereichsratssitzungen, 15. Januar 2019

Nach einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel (VGH Kassel) besteht kein organschaftliches Recht eines Mitglieds des Fachbereichsrats, über Inhalt und Verlauf einer nur hochschulöffentlichen Fachbereichsratssitzung über allgemein zugängliche Internetplattformen zu berichten.

In dem, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Fall ging es um ein Organstreitverfahren eines studentischen Mitglieds des Fachbereichsrats einer Hochschule gegen die Aufforderung der Dekanin des Fachbereichs, Veröffentlichungen über die Inhalte von Fachbereichssitzungen in "Facebook" unverzüglich zu löschen (VGH Kassel, Beschluss vom 10 A 2281/17.Z). Verbunden damit war die Androhung rechtsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen gegen den Kläger als Organ der Fachschaft bei nicht fristgerechter Befolgung der Anordnung.

Das Gericht entschied, dass aus der Funktion des Klägers als studentisches Mitglied des Fachbereichsrats keine innerorganisatorische Kompetenz bzw. kein organschaftliches Recht auf eine öffentliche Berichterstattung über die Inhalte und den Verlauf von Fachbereichsratssitzungen in der hier streitigen Art - als Facebook-Post - bestehe. Denn nach dem zu Grunde liegenden Hochschulgesetz tagten, so das Gericht, die Fachbereichsräte ausschließlich hochschul- bzw. universitätsöffentlich. Aus der hiernach nur auf den hochschulinternen Bereich beschränkten Öffentlichkeit der Fachbereichsratssitzungen ergäben sich zugleich Beschränkungen bezüglich Art und Umfang etwaiger aus der organschaftlichen Stellung der Mitglieder des Fachbereichsrats resultierender Rechte zur Berichterstattung über Inhalt und Verlauf derartiger Sitzungen. Andernfalls, so der VGH Kassel, würden der normativ vorgegebene Grundsatz der Hochschul- bzw. Universitätsöffentlichkeit von Fachbereichsratssitzungen und der mit der eingeschränkten Öffentlichkeit derartiger Sitzungen verbundene Zweck im Ergebnis unterlaufen.

Die von dem studentischen Mitglied des Fachbereichsrats begehrte allgemein zugängliche Veröffentlichung von Inhalt und Verlauf einzelner Fachbereichsratssitzungen via Internet sei schlicht nicht notwendig, um die in diesem Gremium Vertretenen in hinreichender Weise zu informieren und könne damit auch unabhängig vom Bestehen einer normativ vorgegebenen Verschwiegenheitspflicht nicht vom organschaftlichen Recht des Klägers, über die Arbeit dieses Gremiums zu berichten, gedeckt sein. Entscheidend sei allein, dass sich der Kläger - ohne hierdurch in der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seines Mandats gehindert zu sein - zur sachgerechten und ausreichenden Veröffentlichung von Informationen über den Verlauf von Fachbereichsratssitzungen Medien bedienen könne, die grundsätzlich nur Mitgliedern und Angehörigen der Hochschule zugänglich sind.

Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, 5. Dezember 2018

Die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem Art. 33 Abs. 2 GG dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum einräumt. Dies gilt insbesondere auch für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) in einer Entscheidung vom 5. Dezember 2018 ausdrücklich hervorgehoben (OVG Münster, Beschluss vom 5.Dezember 2018, Az. 6 B 1429/18).

Denn es trete bei Professorenstellen lediglich hinzu, dass der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die fachwissenschaftliche Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zustehe. Dies zugrunde gelegt, könne die Auswahlentscheidung gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, also wenn die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruhe. Das OVG Münster hat damit die Vorinstanz (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. September 2018, Az. 13 L 1586/18) bestätigt. Auch im konkreten Fall sei nicht erkennbar, dass die Hochschule den skizzierten Beurteilungsspielraum überschritten habe.

Rechtsnatur, Vergütung und Befristung von Lehraufträgen, 8. November 2018

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) hatte in seinem Urteil vom 8. November darüber zu entscheiden, welche Rechtsnatur Lehraufträge nach § 36 des nordrhein-westfälischen Kunsthochschulgesetz (KunstHG) haben und ob ein Anspruch nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auf Entfristung bestehen kann (OVG Münster, Urteil vom 8. November 2018, Az. 6 A 2007/15).

Nachdem das Verwaltungsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2015 (VG Köln, Urteil vom 29. Juli 2015, Az. 3 K 3789/13) der Klage zumindest dahingehend stattgegeben hatte, als dass es einen Anspruch des Klägers auf Erteilung eines unbefristeten Lehrauftrages annahm, hat das OVG Münster diese Entscheidung aufgehoben und die Klage nun insgesamt abgewiesen. Dabei stellt es zunächst fest, dass der Lehrauftrag ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art darstellt und sich die Vergütung der Lehrbeauftragten nicht an der Besoldung der hauptamtlichen Hochschullehrer orientieren könne. Des Weiteren sei die Erteilung des Lehrauftrages trotz der erforderlichen Mitwirkungshandlung des Lehrbeauftragten, der den Auftrag annehmen muss, als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Ist dieser im Einzelfall nicht rechtmäßig erteilt, würde dies keineswegs die Annahme eines Privatrechtsverhältnisses begründen. Das OVG Münster stellt weiter klar, dass Lehraufträge unbeschadet der Bestimmungen des TzBfG befristet erteilt werden können, da dieses nicht anwendbar sei. Das TzBfG setze das Vorliegen eines Vertrages voraus, was durch ein durch Verwaltungsakt einseitig begründetes Rechtsverhältnis bereits nicht gegeben sei. Für eine analoge Anwendung lägen die Voraussetzungen außerdem nicht vor. Die Befristung sei zudem keine Nebenbestimmungen, sondern gerade integrierter Bestandteil eines im Ermessen der Hochschule liegenden Verwaltungsaktes. Grundsätzlich könne auch in der Befristung kein Ermessensfehler liegen, da es sich um eine gängige Verfahrensweise handelt. Selbst wenn angenommen wird, dass bei der Ermessensausübung die grundsätzlichen Wertungen des TzBfG berücksichtigt werden müssen, läge so das Gericht regelmäßig eine sachlich begründete Befristung gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 i. V. m. S. 2 Nr. 1 TzBfG vor. Schließlich werde der Lehrauftrag stets dazu eingesetzt, um einen vorübergehenden und nicht langfristig kalkulierbaren Lehrbedarf aufzufangen.

Rechtswegzuständigkeit bei einer in Bezug auf eine offen für Beamte und Angestellte ausgeschriebene Professur, 30. Oktober 2018

In seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2018 hatte das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) über einen Entschädigungsanspruch des Bewerbers in Bezug auf eine offen für Beamte und Angestellte ausgeschriebene Professur zu entscheiden.

In seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2018 hatte das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) über einen Entschädigungsanspruch des Bewerbers in Bezug auf eine offen für Beamte und Angestellte ausgeschriebene Professur zu entscheiden. Es hat u. a. beschlossen, dass in diesen Fällen  für die Bestimmung des Rechtswegs maßgeblich ist, ob sich die Bewerbung auf die Übernahme in ein Beamtenverhältnis oder auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages richtet. Lasse sich der Bewerbung diesbezüglich keine eindeutige Präferenz entnehmen, komme für die Bestimmung des Rechtswegs dem Umstand, dass der Bewerber aufgrund seines Alters nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen werden darf, maßgebliche Bedeutung zu. Denn der Wille des Bewerbers könne in einem solchen Fall bei lebensnaher Betrachtung nur auf die Begründung eines (zivilrechtlichen) Arbeitsverhältnisses gerichtet sein. Damit sei der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (LAG Köln, Beschluss vom 30. Oktober 2018, Az. 9 Ta 192/18).

Konsumtion Bayern, 23. Oktober 2018

Das Verwaltungsgericht Bayreuth (VG Bayreuth) hatte bereits 2015 entschieden, dass die im bayerischen Landesbesoldungsgesetz vorgesehene maximal hälftige Konsumtion der Leistungsbezüge verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, vgl. VG Bayreuth, 27. Oktober 2015, Az. B 5 K 13.915. Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) diese Entscheidung in der Berufung bestätigt, BayVGH, Urteil vom 23. Oktober 2018, Az. 3 BV 16.382.

In dem konkreten Fall ging es um einen nach W3/Stufe 3 besoldeten Hochschullehrer, der nach dem bis Ende 2012 geltenden Besoldungsrecht neben dem Grundgehalt Leistungsbezüge in Form eines Berufungs-Leistungsbezugs in Höhe von rund 2.950 Euro und in Form einer befristeten besonderen Leistungszulage in Höhe von monatlich 400 Euro brutto erhielt, insgesamt also Leistungsbezüge in Höhe von rund 3.350 Euro.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Professorenbesoldung, das eine Anhebung der Grundgehaltssätze und daneben - im Einzelnen geregelt in Art. 107a Abs. 2 BayBesG - eine Verringerung (Konsumtion)

der monatlichen Hochschulleistungsbezüge bis höchstens zu deren Hälfte vorsieht, erhielt der Kläger ein (erhöhtes) Grundgehalt aus der Besoldungsgruppe W3/Stufe 3 in Höhe von rund 6.400 Euro. Seine Berufungs-Leistungsbezüge reduzierten sich indes auf rund 2.200 Euro. Der besondere Leistungsbezug in Höhe von 400 Euro blieb unverändert.

Der BayVGH urteilte, dass die bayerische Regelung nicht gegen Verfassungsrecht verstoße, weder gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Art. 33 Abs. 5 GG, noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, oder das Rückwirkungsverbot. Er argumentiert dabei im Wesentlichen, dass dem Gesetzgeber bei der Bemessung der Alimentation ein weiter Spielraum zustehe. In Bezug auf Art. 33 Abs. 5 GG sei im Besonderen zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber zustehe, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln, wenn sachliche Gründe vorliegen. Genau dies sei hier der Fall, denn es werde das verfassungsrechtlich legitime Ziel verfolgt, eine „Überalimentation“ zu vermeiden und den Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung zu wahren. Denn anderenfalls käme es zu einer dauerhaften und sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung der zum 1. Januar 2013 vorhandenen W-Professoren gegenüber ihren nach Inkrafttreten der Neuregelung berufenen Kollegen. Zwar könne es, so das BayVGH, im Einzelfall in der Tat zu gewissen Nivellierungen und Unebenheiten in zeitlicher, persönlicher und sachlicher Hinsicht kommen. Dies sei indes hinzunehmen, wobei das Gericht mehrfach auf die diesbezüglich ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinweist.

Die Revision wurde zugelassen.

Allein der festgestellte Grad der Behinderung ist für Lehrermäßigung entscheidend, 13. Oktober 2018

Nach den Vorschriften in den Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder kann die Regellehrverpflichtung bei Vorliegen einer Schwerbehinderung ermäßigt werden. In dem nun entschiedenen Fall in Nordrhein-Westfalen hat das dortige Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass es für die Ermäßigung der Lehrverpflichtung aufgrund einer Schwerbehinderung (in NRW: § 5 Abs. 4 Nr. 3 LVV) allein abstrakt auf den Grad der Behinderung ankommt. Dieser lag bei der in Rede stehenden Hochschullehrerin unbefristet zu 100 Prozent vor. Welche Art der Behinderung Grund für eine anerkannte Schwerbehinderung zu einem bestimmten Prozentsatz sei, spiele dagegen bei der Entscheidung über die Lehrermäßigung keine Rolle, so das Gericht.

(OVG Münster, Beschluss vom 13.Oktober 2018, Az. 13 C 50/18)

Bindungswirkungswirkung von Berufungs- und Bleibezusagen, 13. August 2018

Soeben hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz) in einem Berufungszulassungsverfahren klargestellt, dass Berufungs- und Bleibezusagen Bindungswirkung zukommt. Von einer Berufungs- wie Bleibezusage könne sich die Hochschule nur unter engen Voraussetzungen und nur in Ausnahmefällen lösen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. August 2018, Az. 2 A 10674/18).

In dem entschiedenen Fall ging es konkret um Ausstattungszusagen für eine im medizinischen Bereich tätigen Hochschullehrerin (Zusage auf Zugang zu Intensivtherapiebetten). Nachdem die Hochschullehrerin die Hochschule nach den erfolgreichen Bleibeverhandlungen mehrfach erfolgslos aufgefordert hatte, die Bleibezusage umzusetzen – während die Hochschule weiterhin Gesprächsbedarf sah und darauf verwies, dass es sich nur um eine Absichtserklärung gehandelt habe –, verfolgte sie die Umsetzung auf gerichtlichem Wege weiter. Sowohl das zuständige Verwaltungsgericht als nun auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gaben ihr recht.

Vorausgesetzt, dass die Zusage nach den entsprechenden landeshochschulgesetzlichen Regelungen formwirksam zustande gekommen sei, könne sich die Hochschule nur unter engen Voraussetzungen und nur ganz ausnahmsweise von Berufungs- und Bleibezusagen lösen. Ein solcher Grund könne vor allem dann vorliegen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich erheblich geändert habe und damit ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorliege. Aber selbst dann sei die Zurücknahme der Zusage nicht in das Belieben der Hochschule gestellt, sondern es bedürfe wegen der erworbenen Rechtsposition des Hochschullehrers einer Interessenabwägung. Diese habe sowohl den Vertrauensschutz für den betroffenen Hochschullehrer als auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Denn höchstrichterlich sei schon lange festgestellt, dass es sich bei Berufungs- und Bleibezusagen um wesentliche Einrichtungen des deutschen Hochschulwesens handele.

Konkurrentenstreitverfahren, Begründungspflicht bei Hausberufungen, 6. August 2018

Kürzlich hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz) in einem Beschluss herausgearbeitet, dass grundsätzlich zwar die für die beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren entwickelten Grundsätze in gleicher Weise für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen gelten und dabei die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte zurückgenommen ist. Denn der Hochschule stehe eine verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers zu. Etwas anders liege der Fall aber, so das Gericht, in den Fällen der sog. Hausberufung. Denn dann unterliege die Hochschule einer erhöhten Begründungspflicht im Hinblick auf ihre Auswahlentscheidung zur Besetzung einer Professur (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. August 2018, Az. 2 B 10742/18).

Grundsätzlich könne die Auswahlentscheidung gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, etwa weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruht. In diesem „Normal“-Fall sei daher die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte zurückgenommen, denn das Auswahlverfahren der Hochschullehrer sei mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 39 Abs. 1 LV besonders eng verknüpft. Einer erhöhten Begründungspflicht unterliege die Hochschule allerdings im Fall der sog. Hausberufung. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf die einschlägige Landesvorschrift im Landeshochschulgesetz Rheinland-Pfalz, wonach Mitglieder der eigenen Hochschule nur in begründeten Ausnahmefällen vorgeschlagen bzw. berufen werden dürfen (ähnliche Regelungen finden sich auch in den anderen Landeshochschulgesetzen). Die gesetzlichen Vorgabe führten indes nicht dazu, dass der Hausbewerber gegenüber seinen Konkurrenten einen deutlichen Qualifikationsvorsprung bzw. sogar eine „Alleinstellung“ aufweisen müsse, um sich in der Bewerberkonkurrenz durchsetzen zu können. Die erhöhte Begründungspflicht solle lediglich verfahrensmäßig sicherstellen, dass Hausbewerber keinen Vorteil gegenüber auswärtigen Bewerbern haben, nicht aber zwingende zusätzliche materielle Anforderungen an den Hausbewerber begründen. Die Hochschule aber lediglich besonders intensiv zu begründen, wenn ein Mitglied der eigenen Hochschule ausgewählt wurde.

Eilrechtsschutz im Konkurrentenstreit: Richtiger Antragsgegner, 12. Juni 2018

Im hochschulrechtlichen Konkurrentenstreit um die Berufung eines Hochschullehrers stellt der sachdienliche Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein der gegen den Staat, d. h. gegen das jeweilige Bundesland, gerichtete und unmittelbar nach Erhalt der Konkurrentenmitteilung gestellte Antrag auf vorläufige Unterlassung der beamtenrechtlichen Ernennung des erfolgreichen Listenbewerbers dar. In diesem Sinne hat soeben das Verwaltungsgericht Dresden entschieden (VG Dresden, Beschluss vom 12. Juni 2018, Az. 5 L 693/17).

Für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Erteilung des Rufes durch die Hochschule fehlt es danach schon an der für den einstweiligen Rechtsschutz vorauszusetzenden drohenden Rechtsvereitelung im Sinne des Gesetzes (§ 123 Absatz 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO). Denn die Erteilung des Rufes durch den Rektor der Hochschule führe, so das Verwaltungsgericht, noch nicht zur Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des unterlegenen Bewerbers. Die Ruferteilung zeitige keine endgültigen und im Fall der Rechtswidrigkeit des Berufungsvorgangs gerichtlich nicht mehr abänderbaren Wirkungen im Verhältnis zwischen dem erfolgreichen und dem unterlegenen Bewerber - anders als die beamtenrechtliche Ernennung, vgl. § 8 Absatz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Dies zeige sich außerdem daran, dass die Ruferteilung und die Rufannahme im Hinblick auf die Bewerberauswahl lediglich Bindungen zwischen der Hochschule und dem Staat auslösten und das Gericht im Falle eines Auswahlfehlers korrigierend eingreifen könne, solange es nicht zur Verleihung des Amtes im Wege der Ernennung  gekommen sei. Dagegen könne die Verleihung des Amtes eines Hochschullehrers im Wege der beamtenrechtlichen Ernennung auch in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich nicht mehr angetastet werden.

Der Fall spielte im Bundesland Sachsen. Die Entscheidung dürfte damit für diejenigen Bundesländer entsprechend Anwendung finden, in denen die Länder (und nicht die Hochschulen, so z. B. in Nordrhein-Westfalen) die Ernennung durchführen.

Konsumtion NRW, 16. Mai 2018

Das Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) hatte im Juni bereits entschieden, dass die im nordrhein-westfälischen Landesbesoldungsgesetz vorgesehene Teil-Konsumtion der Leistungsbezüge verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, VG Köln, Urteil vom 8. Juli 2016, Az. 3 K 183/14. Nun hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) diese Entscheidung in der Berufung bestätigt, OVG Münster, Urteil vom 16. Mai 2018, Az. 3 A 1828/16.

In dem konkreten Fall ging es um einen nach W3 besoldeten Hochschullehrer, der von seiner Hochschule ab 2012 zusätzlich zu seinem Grundgehalt unbefristete Bleibeleistungsbezüge in Höhe von mindestens 2.300 Euro erhielt. Nach Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Erhöhungsgesetzes rechnete das Landesamt für Besoldung und Versorgung die Erhöhung in Höhe von 300 Euro in vollem Umfang bei dem Kläger an, weil 45 Prozent der Zulage, die im Jahr 2013 2.300 Euro betrug, den maximal anrechenbaren Erhöhungsbetrag von 300 Euro überstiegen.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren entschied das OVG Münster, dass die nordrhein-westfälische Regelung nicht gegen Verfassungsrecht verstoße, weder gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Art. 33 Abs. 5 GG, noch gegen vergleichbare Grundrechte, den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, oder das Rückwirkungsverbot.

Es argumentiert dabei im Wesentlichen, dass die Anrechnung der Erhöhung des Grundgehalts in der Besoldungsgruppe W 2 um 690,00 Euro und in der Besoldungsgruppe W 3 um 300,00 Euro auf Berufungs-, Bleibeleistungs- und besondere Leistungsbezüge, soweit diese jeweils am 1. Januar 2013 als monatlicher laufender Bezug zustanden, sowohl durch eine relative (45 Prozent der monatlichen Leistungsbezüge) als auch durch eine absolute Konsumtionssperre (Höhe der Erhöhungsbeträge) beschränkt werde. Dabei sei es dem Landesgesetzgeber gerade um die Sicherstellung einer auch künftig dem Leistungsprinzip gerecht werdenden Besoldung gegangen. Dies betreffe sowohl künftige Professoren als auch die Aussichten der Bestandsprofessoren auf (zusätzliche) Leistungsbezüge. Gegen eine teilweise Umschichtung von Mitteln innerhalb des Bereichs der Professoren sei vor diesem Hintergrund nichts einzuwenden. Die Anrechnung sei im Ergebnis milde, da aufgrund der absoluten Konsumtionsgrenze im Umfang der Grundgehaltserhöhung die Gesamtbesoldung keines Professors sinke. Die bisherigen Abstände würden zwar im Bereich bisheriger Leistungsbezüge bis zur Höhe von 1.533,32 Euro (Besoldungsgruppe W 2) bzw. 666,65 Euro (Besoldungsgruppe W 3) abgeschmolzen, jedoch stets um weniger als die Hälfte. In diesem Bereich blieben mithin von 100,00 Euro bisherigem Abstand 55,00 Euro erhalten. Kein Professor werde mit einem anderen Professor gleichgestellt, der bisher auch nur geringfügig weniger Leistungsbezüge hatte. Das OVG Münster sieht damit die bisherige „Abstandswertung“ als hinreichend gewahrt an.

Mobbing und beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, 11. April 2018

Ein ärztlicher Klinikdirektor und Universitätsprofessor, der sich für die bevorzugte Behandlung von Patienten eine gesonderte Vergütung bezahlen ließ, ohne Wahlleistungsvereinbarungen und Behandlungsverträge mit diesen abzuschließen, deshalb strafrechtlich verurteilt wurde und aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist, kann seinen früheren Dienstherrn nicht mit Erfolg auf Schadensersatz und Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Anspruch nehmen mit der Begründung, dieser habe ihn insbesondere nicht von seiner unrechtmäßigen Abrechnungspraxis abgehalten, den Sachverhalt unter Ausnutzung von "Ermittlungen" eines Kollegen zur Anzeige gebracht und die Situation ausgenutzt, um ihn als "unbequemen" Chefarzt "aus dem Amt zu drängen". Diese Umstände sind, auch unter Berücksichtigung weiterer Auseinandersetzungen und "Verteilungskämpfe" innerhalb des Klinikums, denen er sich ausgesetzt sah, weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit als "Mobbing" oder als Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht anzusehen. Das hat das Oberlandesgericht Saarbrücken jüngst entschieden (Urteil vom 11. April 2018, Az. 5 U 28/17, juris).

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat seine Entscheidung verdeutlicht, dass als „Mobbing“ ausschließlich fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienen, zu bezeichnen sind. Ob ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren vorliegt, hängt nach Ansicht des Gerichts dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Erforderlich sei es stets, eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im Allgemeinen Üblichen oder rechtlich Erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten vorzunehmen. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzen und Untergebenen erfülle den Begriff des Mobbings. Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzen oder Arbeitskollegen fehle in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise. Allerdings könne auch dann, wenn durch die einzelnen Handlungen für sich gesehen eine Haftung wegen der mit Mobbing verbundenen Beeinträchtigung nicht eintrete, die Gesamtheit der Handlungen eine Haftung auf Grund der sich verbindenden Systematik und ihres Fortsetzungszusammenhangs begründen.

Einführung von Mindestleistungsbezügen verfassungsgemäß, 10. April 2018

Das Verwaltungsgericht Bremen hat jüngst entschieden, dass die in Bremen im Rahmen der Novellierung der Professorenbesoldung eingeführten Mindestleistungsbezüge weder gegen das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Leistungsprinzip als Teil des Alimentationsprinzips und zugleich besondere Ausformung der Professorenbesoldung verstoßen, noch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen. Es liegt danach im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes, wenn der Gesetzgeber durch die Schaffung "leistungsunabhängiger" Mindestleistungsbezüge die Leistungskomponente zugunsten einer alle Professoren einbeziehenden Regelung gleichsam zurückdrängt und damit vor allem für diejenigen, die noch keine besonderen Leistungen erbringen konnten, eine Niveauverbesserung der Alimentation im Sinne einer amtsangemessenen Alimentation erreicht hat (VG Bremen, Urteil vom 10. April 2018, Az. 6 K 1040/15, juris).

Bremen hatte im Rahmen der Besoldungsnovellierung die W-Grundgehälter im Gegensatz zu den meisten Bundesländern nicht erhöht. Vielmehr sieht das Bremische Besoldungsgesetz vor, dass alle Professoren der Besoldungsgruppen W 2 und W 3 mindestens einen unbefristeten Grundleistungsbezug in Höhe von 600 Euro monatlich erhalten sollen. Geklagt hatte in dem vom Verwaltungsgericht Bremen entschiedenen Fall ein W2-besoldeter Hochschullehrer, der schon vor Neuregelung der Professorenbesoldung über 600 Euro Berufungsleistungsbezüge und besondere Leistungsbezüge erhalten hatte: 434,75 Euro unbefristete Berufungsleistungsbezüge, 433,70 Euro befristete Leistungsbezüge (insgesamt also 877,45 Euro). Nach wie vor erhielt der Kläger auch nach der Besoldungsnovellierung insgesamt 877,45 Euro an Berufungsleistungs- und Leistungsbezügen, davon wurden indes 600 Euro als Grundleistungsbezug unbefristet und 277,45 EUR als befristete Leistungsbezüge gewährt. Der Kläger argumentierte, dass die Schaffung von Grundleistungsbezügen zu einer ungerechtfertigten Gleichstellung mit der Gruppe von Professorinnen und Professoren führe, die einen solchen Leistungsbezug vor dem 31.12.2012 nicht oder in geringerer Höhe erhalten haben, nun aber aus seiner Sicht im gleichen Maß wie er selbst von der Schaffung des Grundleistungsbezugs profitierten.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts verfängt dieses Argument aber nicht, denn in der Umstellung und Verschiebung innerhalb des Besoldungssystems zugunsten der leistungsunabhängigen Besoldungskomponente der Mindestleistungsbezüge, um eine amtsangemessene Alimentation sicherzustellen, liege der sachliche Grund für die neue Besoldungsregelung. Daher ergebe sich kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach Ansicht des Gerichts verstößt die Einführung der Mindestleistungsbezüge darüber hinaus deswegen nicht gegen das grundgesetzlich verankerte Leistungsprinzip, weil der Besoldungsgesetzgeber über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, wie er die ihm obliegende Pflicht zur amtsangemessenen Besoldung – wie sie ihm durch das Bundesverfassungsgericht 2012 ausdrücklich aufgetragen wurde – umsetzt. Darüber hinaus komme es nicht zu einer klassischen Anrechnungssituation (Konsumtion), denn durch die Neuregelung werde lediglich eine Umwidmung von Leistungsbezügen in Mindestleistungsbezügen in bestimmter Höhe vorgenommen. Damit blieben die erworbenen Rechtspositionen der Professoren unangetastet, denen bereits Leistungsbezüge in amtsangemessener Höhe gewährt wurden. Es liege im Ermessen des Gesetzgebers, wenn er durch die Schaffung „leistungsunabhängiger“ Mindestleistungsbezüge die Leistungskomponente zugunsten einer alle Professoren einbeziehenden leistungsunabhängigen Regelung gleichsam zurückdrängt und damit vor allem für diejenigen, die noch keine besonderen Leistungen erbringen konnten, eine Niveauverbesserung der Alimentation im Sinne einer amtsangemessenen Alimentation erreicht hat. Im Übrigen habe der konkrete Kläger auch selbst von der Neuregelung profitiert, da seine Leistungsbezüge zuvor in geringerer Höhe entfristet waren (nämlich nur in Höhe von 434,75 Euro statt, wie jetzt, in Höhe von 600 Euro).  

Außerdem gebe es kein subjektives Recht auf Beibehaltung der bisherigen Struktur der Professorenbesoldung.

Vorschriften zur Kontrolle des Einsatzes von Drittmitteln bei Forschungsvorhaben verfassungsgemäß, 28. März 2018

Das Zusammenspiel zwischen dem einzelnen Hochschulmitglied und der Hochschule im Bereich der Drittmittelforschung wird in § 41 und § 13 Absatz 6 und 7 Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg (LHG BW) näher geregelt. Nach § 41 Absatz 1 Satz 1 LHG BW gehören die Einwerbung und Verwendung von Mitteln Dritter für die Durchführung von Forschungsvorhaben zu den Dienstaufgaben der in der Forschung tätigen Mitarbeiter der Hochschule. Die Verwaltung der Drittmittel für Forschungsvorhaben, die in der Hochschule durchgeführt werden, richtet sich nach § 13 Absätze 6 und 7 (so bestimmt es wiederum § 41 Abs. 2 LHG BW). Dort finden sich nähere Ausgestaltungen zur Mittelverwendung innerhalb der Hochschulen, die auch bei Drittmitteln entsprechende Anwendung finden. Dazu hat sich nun der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verhalten (Beschluss vom 28. März 2018, Az. 9 S 2648/17, juris).

Es geht bei den genannten Vorschriften letztlich darum, dass die Hochschule den Einsatz von Drittmitteln bei Forschungsvorhaben kontrollieren kann: Nach § 13 Abs. 6 LHG BW wird der den Hochschulen obliegende Auftrag zur Einwerbung von Mitteln Dritter und sonstigen Einnahmen von den hauptberuflichen Mitgliedern der Hochschule wahrgenommen (Satz 1). Das Angebot von Dritten zur Bereitstellung von Mitteln ist dem Rektorat oder der von ihm beauftragten Stelle anzuzeigen (Satz 2). Die Annahme wird durch die Hochschule erklärt (Satz 3). Das Rektorat oder die von ihm beauftragte Stelle hat das Angebot abzulehnen, wenn die Annahme gegen gesetzliche Vorschriften verstößt (Satz 4). Es kann das Angebot ablehnen oder die Annahme mit Auflagen versehen, wenn die Erfüllung anderer Aufgaben der Hochschule sowie Rechte und Pflichten anderer Personen dadurch beeinträchtigt werden oder wenn die durch die Annahme entstehenden Folgelasten nicht angemessen berücksichtigt sind (Satz 5). Die Erklärung der Hochschule über die Annahme umfasst zugleich die Zustimmung zur Inanspruchnahme der damit verbundenen Vorteile für die beteiligten Mitglieder der Hochschule (Satz 6).

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg jüngst entschieden, dass die erwähnten Regelungen des Landeshochschulgesetzes, die der Hochschule eine Kontrolle des Einsatzes von Drittmitteln bei Forschungsvorhaben ermöglichen sollen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf Art. 5 Absatz 3 Satz 1 GG begegne. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und darauf, dass eine Verantwortung des Gesetzgebers für die Funktionstüchigkeit der Hochschulorganisation besteht. Organisationsnormen seien daher nur dann mit Art. 5 Absatz 3 Satz 1 GG nicht vereinbar, wenn durch sie ein Gesamtgefüge geschaffen werde, das die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährdet. Eine solche strukturelle Gefährdung tritt nach Ansicht des Gerichts durch die in Rede stehenden Regelungen nicht ein. Insbesondere lasse sich keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Mindestausstattung oder der angemessenen Berücksichtigung der Mittelverteilung im Hinblick auf den konkreten Hochschullehrer erkennen.

Darüber hinausgehend schließt die Kompetenz der Hochschule zur Annahme der angebotenen Drittmittel unter Auflagen nach Ansicht des Gerichts die Befugnis ein, den Umfang der vom Drittmittelgeber zu erstattenden Verwaltungskosten verbindlich festzulegen (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 5, § 41 Abs. 5 Satz 1 und 2 LHG BW).

Rückforderung überzahlter Bezüge, 20. Februar 2018

Zu den Sorgfaltspflichten eines Beamten gehört es aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht auch, die Bezügemitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne Weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. Dies gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Ansbach auch für den Fall, dass bei einem Hochschullehrer aufgrund eines behördlichen Fehlers die mit der Erhöhung des Grundgehalts verbundene (teilweise) Verrechnung mit bestehenden Leistungsbezügen (Konsumtion) entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht durchgeführt wurde (Urteil vom 20. Februar 2018, Az. AN 1 K 16.02548).

In dem Fall erhielt die Klägerin, eine W2-Professorin aus Bayern, monatlich Berufungsleistungsbezüge, die schon vor dem 31. Dezember 2012 bestanden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 wurde die Besoldungsordnung W in Bayern reformiert. In der Bezügemitteilung vom 13. Dezember 2012 für den Abrechnungsmonat 1/2013 war hierzu eine Mitteilung enthalten, in der darauf hingewiesen wurde, dass wegen des dort näher bezeichneten Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2012 mit dem Gesetz zur Änderung der Professorenbesoldung die Grundgehaltssätze in den Besoldungsgruppen W2 und W3 auf ein verfassungsgemäßes, amtsangemessenes Niveau angehoben würden.

Weiterhin hieß es darin u. a.: „Die Erhöhung der Grundgehaltssätze wird ab 1. Januar 2013 auf die vor diesem Zeitpunkt festgesetzten monatlichen Hochschulleistungsbezüge in der Gestalt angerechnet, dass die Hochschulleistungsbezüge kraft Gesetzes um den Betrag der Erhöhung des Grundgehalts verringert werden, wobei jedoch grundsätzlich eine Kürzung in Höhe der Hälfte der monatlichen Leistungsbezüge erfolgt. Im Falle eines Stufenaufstiegs erfolgt eine erneute Kürzung der vor dem 1. Januar 2013 festgesetzten monatlichen Hochschulleistungsbezüge um den Stufensteigerungsbetrag. Hierbei gilt, dass die Kürzung der Hochschulleistungsbezüge zum 1. Januar 2013 und die Kürzung wegen Stufensteigerung auf die Hälfte des Betrages der am 31. Dezember 2012 zustehenden monatlichen Hochschulleistungsbezüge begrenzt ist.“

In den ersten „neuen“, auf der Reform der Professorenbesoldung beruhenden Bezügemitteilungen war allerdings eine Kürzung bei der Klägerin nicht konkret aufgeführt. Im Fortgang erhielt die Klägerin sodann wegen eines behördlichen Fehlers die Leistungsbezüge weiterhin in voller Höhe. Erst anlässlich einer Überprüfung durch die zuständige Bezügestelle Besoldung wurde im Juni 2016 bemerkt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Kürzung bei der Klägerin unterblieben war. Mit Bescheid aus September 2016 wurde für die Zeit von Januar 2013 bis Juli 2016 eine Überzahlung in Höhe von rund 22.000 Euro festgestellt, gleichzeitig wurde ein Betrag in Höhe von rund 15.000 Euro von der Professorin zurückgefordert. Die Reduzierung der Rückforderungssumme wurde damit begründet, dass die Überzahlung in den überwiegenden Verantwortungsbereich der Bezügestelle Besoldung falle und ein Mitverschulden der Behörde gegeben sei, sodass im Rahmen der Billigkeitsentscheidung in Höhe von 30 Prozent von der Rückforderung abgesehen werde. Eine monatliche Ratenzahlung wurde zugebilligt.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Rückzahlungsanspruch in Höhe von 15.000 Euro anerkannt. Der Klägerin hätten nach Ansicht des Gerichts die Überzahlungen bei sorgfältiger Kontrolle der Bezügemitteilungen auffallen müssen. Denn die Klägerin sei durch die genannte Mitteilung darüber informiert gewesen, dass die Professorenbesoldung mit Wirkung zum 1. Januar 2013 reformiert wurde. Aus der Bezügemitteilung sei außerdem deutlich zu entnehmen gewesen, dass mit der Erhöhung der Grundgehaltssätze gleichzeitig eine Kürzung der Hochschulleistungsbezüge auf maximal die Hälfte des Betrages der am 31. Dezember 2012 zustehenden monatlichen Hochschulleistungsbezüge einherging. Aufgrund dieser Erläuterungen hätte es sich der Klägerin nach Ansicht des Gerichts aufdrängen müssen, dass es durch die angekündigte vollständige Neuordnung der Professorenbesoldung auf jeden Fall zu einer Verringerung der Hochschulleistungsbezüge kommen würde und die erste „neue“, erstmals nach der Reform der Professorenbesoldung herausgegebene Bezügemitteilung, daher besonders gewissenhaft zu überprüfen gewesen wäre.

Von der Rückforderung sei auch nicht aus Billigkeitsgründen vollständig abzusehen gewesen. Bei der Billigkeitsentscheidung sei von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Deshalb sei aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liege. Angesichts dessen erscheine im konkreten Fall ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages als angemessen, so das Gericht.

Zur Entlassung in der Probezeit wegen fehlender charakterlicher Eignung, 11. Dezember 2017

Ein auf Probe verbeamteter besoldeter Hochschullehrer ersetzte im Vorlesungsskript seines Vorgängers dessen Namen mit seinem Namen, vervielfältigte das Skript und gab es an die Studierenden weiter. Darüber hinaus führte er Lehrveranstaltungsevaluierungen nicht oder nur mangelhaft durch. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Hochschule formulierte er Unterstützungsschreiben für sich selbst vor und bedrängte die Studierenden, diese zu unterschreiben bzw. Unterschriften zu sammeln.

Die Hochschule entließ den Hochschullehrer wegen dieser Vorfälle nach Ablauf der Probezeit. Gegen die Entlassungsverfügung wendete sich der Kläger zunächst mit den Mitteln des Eilrechtsschutzes vor dem zuständigen Verwaltungsgericht, welches seinem Antrag jedoch nicht stattgab. Der Verwaltungsgerichthof (VGH) Baden-Württemberg bestätigte nunmehr diese Entscheidung (Beschluss vom 11. Dezember 2017, Az. 4 S 2315/17, juris).

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) können Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte (Nr.1) oder wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben (Nr. 2).Die Entlassungsverfügung der Hochschule gründete auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1 BeamtStG, hilfsweise auf Nummer 2.

Diese Entlassung erfolgt zu Recht, wie der VGH Baden-Württemberg nun entschied. Das Gericht entschied, dass die Hochschule die Entlassung wegen der in Rede stehenden gravierenden Dienstverletzungen rechtmäßigerweise nach § 23 Abs. 3 BeamtStG vornehmen konnte und darüber hinaus zweifelsfrei davon ausgehen konnte, dass durch die Handlungen des Hochschullehrers die charakterliche Nichteignung des Hochschullehrers feststand. Insbesondere konnte, so der VGH Baden-Württemberg, die Entlassungsverfügung rechtmäßigerweise auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1 BeamtStG gestützt werden. Denn maßgebend für die Beurteilung, ob sich ein Beamter auf Probe bewährt habe, sei allein sein Verhalten in der Probezeit. Die Frage der Bewährung beziehe sich auf die in § 9 BeamtStG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Ein unverzichtbares Merkmal der Bewährung sei damit auch die charakterliche Eignung des Beamten als ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür sei die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werde. Es handele sich um einen Akt wertendender Erkenntnis, sodass die hierauf beruhende Entscheidung ohnehin gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden könne, die Hochschule in dem konkreten Fall aber auch rechtsfehlerfrei von der charakterlichen Nicht-Eignung habe ausgehen können.

Darüber hinaus stellte der VGH Baden-Württemberg klar, dass § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BeamtStG mit dem Wort „kann“ nur dem Gesichtspunkt Rechnung trägt, dass der Dienstherr die Probezeit des Beamten dann verlängern kann, wenn er davon ausgeht, dass die Nichtbewährung des Beamten noch nicht endgültig feststeht. Er räumt ihm aber kein Ermessen ein, diesen gleichwohl zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen oder einen Beamten auf Probe, der sich endgültig nicht bewährt hat, wie bisher weiter zu beschäftigen. Wird also während der Probezeit eine mangelnde Bewährung des Probebeamten festgestellt, die nicht behebbar erscheint, trägt § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BeamtStG danach auch der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Rechnung, der es in der Regel entspricht, den Beamten auf Probe in diesem Fall alsbald zu entlassen. Gerade ein solcher Fall lag hier nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg vor. Daran änderte nach Ansicht des Gerichts auch das Vorbringen des Klägers nichts, der u. a. einwandte, er habe sich aus unkündbarer guter Position auf die Professur beworben. Vielmehr werde gerade mit dieser Regelung und der Verpflichtung des Dienstherrn, bei endgültiger Nicht-Bewährung zu entlassen, der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Rechnung getragen, weil dem Betroffenen auf diese Weise Klarheit über seinen künftigen Berufsweg verschafft werde.

Präsenzpflicht für Studierende

In der Prüfungsordnung einer baden-württembergischen Hochschule fand sich der Passus, dass als Studienleistungen auch die Präsenzpflicht sowie die hinreichende Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Studien festgesetzt werden könne. Dagegen hatte ein Studierender geklagt. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gab ihm mit seiner Klage recht: Bereits die Regelung der Anwesenheitspflicht an sich sei in der in Rede stehenden Prüfungsordnung nicht präzise genug gefasst, so das Gericht. Darüber hinaus werde nicht konkret festgelegt, welche Regelung etwa im Fall der Erkrankung eines Studierenden gelte. Auch die Sanktionen blieben offen, wenn also ein Studierender ohne hinreichende Entschuldigung fehle. Im Übrigen habe, so der Verwaltungsgerichtshof, in einer solchen Ordnung präzise festgelegt zu werden, für welche Vorlesungen die Präsenzpflicht in concreto gelten soll (VGH Mannheim, Urteil vom 21. November 2017, Az. 9 S 1145/16, juris).

Das Urteil legt die Maßstäbe fest, die von den Hochschulen einzuhalten sind, wenn eine Präsenzpflicht der Studierenden festgelegt werden soll. Die Entscheidung ist indes nicht so zu verstehen, dass eine Anwesenheitspflicht generell unzulässig ist: Vielmehr verdeutlicht sie einmal mehr, dass die Anwesenheitspflicht eindeutig formuliert werden muss.

Die Präsenzpflicht ist an deutschen Hochschulen unterschiedlich geregelt. Während einige Bundesländer sie im Wesentlichen abgeschafft haben, wird in anderen Bundesländern den Hochschulen selbst überlassen, ob sie die Anwesenheit kontrollieren wollen (so z. B. auch Baden-Württemberg wie in dem hier skizzierten Fall).

Konkurrentenstreit, 13. November 2017

Das Verwaltungsgericht München hat die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Konkurrentenstreitverfahren fortgesetzt und weiter konkretisiert (VG München, Beschluss vom 13. November 2017, Az. M 5 E 17.4125).

Das Gericht betonte, dass die wesentlichen Gründe, die zu der getroffenen Auswahlentscheidung geführt haben, schriftlich zu fixieren sind. Zu der Frage, wie ausführlich diese Begründung sein muss, hat es entschieden, dass die Intensität der Begründung umso tiefer sein muss, je weiter das Besetzungsverfahren fortgeschritten ist.  In dem zu entscheidenden Fall war die Begründung nämlich lediglich sehr knapp und fast stichpunktartig verfasst. In dem konkreten Fall reichte dies nach Ansicht des VG München dennoch aus, weil diese Ausführungen im Rahmen einer Vorauswahl bereits auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens erfolgt waren.

Der Rest der Entscheidung ist stetige Rechtsprechung: Hinsichtlich der Intensität der gerichtlichen Überprüfung der Auswahlverfahren und der fachwissenschaftlichen Eignung im Besonderen beschloss das Gericht, dass der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für die Hochschullehrerstelle zusteht. Insoweit komme den an der Erstellung des Berufungsvorschlags beteiligten Hochschulorganen, insbesondere dem Berufungsausschuss, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

Bundesverwaltungsgericht: Teilweise Konsumtion ist verfassungsgemäß, 21. September 2017

Die mit Wirkung vom 1. Januar 2013 im Land Rheinland-Pfalz eingeführte teilweise Anrechnung des erhöhten Grundgehalts auf die Leistungsbezüge von Professoren ist verfassungsgemäß. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am 21. September 2017 entschieden, (BVerwG, Urteil vom 21. September 2017, Az. 2 C 30.16, juris).

Rheinland-Pfalz hatte in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2012 die Grundgehälter in der Besoldungsgruppe W 2 zum 1. Januar 2013 lediglich um 240 Euro erhöht und dabei einen konsumtionsfreien Sockelbetrag von 150 Euro vorgesehen. Damit wirkt sich die Konsumtion in Rheinland-Pfalz de facto lediglich in Höhe von 90 Euro monatlich brutto aus. So war es auch bei dem Kläger, einem Hochschullehrer der Besoldungsgruppe W 2 aus Rheinland-Pfalz, der dort nach seiner Berufung im Jahr 2009 Berufungsleistungsbezüge in Höhe von etwa 300 Euro bezog. Seine Klage war bereits im Jahr 2014 abgewiesen worden, ebenso seine darauffolgender Berufung (vgl. VG Trier, Urteil vom 9. September 2014, Az. 1 K 711/14.TR, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. April 2016, Az. 2 A 11124/15.OVG, juris).

Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt beide Vorinstanzen bestätigt und die teilweise Anrechnung der pauschalen Besoldungserhöhung für verfassungsgemäß erklärt. Zwar unterfielen die Berufungsleistungsbezüge als Bestandteile der Professorenbesoldung grundsätzlich dem Schutz des Artikel 33 Absatz 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums). Jedoch seien, so das Bundesverwaltungsgericht, Einschränkungen möglich, solange sich diese auf sachliche Gründe stützen, die sich wiederum aus dem System der Beamtenbesoldung ergeben. Der Sachgrund besteht hier nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts darin, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 zur Höhe der W-Besoldung für das beklagte Land der Anlass bestanden habe, die Professorenbesoldung neu zu strukturieren. Im Rahmen einer pauschalen Erhöhung der Besoldung ist daher eine teilweise Anrechnung bestehender Leistungszulagen verfassungskonform.

Bestellung von Hochschullehrern zu staatlich anerkannten Sachverständigen, 28. August 2017

In dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen geht es um die Frage, ob Hochschullehrer in Nordrhein-Westfalen zu staatlich anerkannten Sachverständigen bestellt werden können oder ob dies schon deshalb ausgeschlossen ist, weil sie ihre Sachverständigentätigkeit nur als Nebentätigkeit und nicht im Rahmen eines selbständig ausgeübten Hauptberufs wahrnehmen.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss betont, dass diese Frage noch nicht entschieden sei und es sich angesichts der verbreiteten Betätigung von Hochschullehrern als staatlich anerkannte Sachverständige um eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage handele (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. August 2017, Az. 4 A 2563/15, juris). Es hat daher die Berufung gegen die Vorinstanz - das Verwaltungsgericht Düsseldorf - (VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. September 2015, Az. 20 K 2606/14) zugelassen. Die eigentliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, die vermutlich erst im Laufe des Jahres 2018 zu erwarten sein wird, wird sich (auch) nach der Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung und den dort niedergelegten allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung als Sachverständiger zu richten haben.

Rückzahlung von befristeten Berufungsleistungsbezügen bei Wechsel der Hochschule rechtswidrig, 18. August 2017

Im Bayerischen Besoldungsgesetz findet sich die Regelung des Art. 70 Abs. 3 Satz 2 BayBesG, gleichlautend auch die Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 2 BayHLeistBV. Danach kann die Hochschule festlegen, dass Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge zurückzuzahlen sind, wenn der Professor oder die Professorin innerhalb von drei Jahren seit Gewährung dieser Leistungsbezüge an eine andere Hochschule wechselt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BAyVGH) hat nun mit Urteil vom 18. August 2017 (Az.: 3 BV 16.132) entschieden, dass die Rückforderung von befristeten Berufungs-Leistungsbezügen bei einem Wechsel des Hochschullehrers vor Ablauf von drei Jahren an eine andere Hochschule rechtswidrig ist, weil Art. 70 BayBesG grundsätzlich nur die Gewährung unbefristeter Berufungs- und Bleibe-Leistungsbezüge erfasst.

Befristete Berufungs-Leistungsbezüge sind dagegen nach Ansicht des Gerichts von der Ermächtigungsgrundlage zur Rückforderung von Leistungsbezügen demgegenüber ausgenommen. Dies gelte, so der BayVGH, jedenfalls dann, wenn die Berufungs-Leistungsbezüge für eine nach Ernennung im Dienstverhältnis erbrachte Leistung gezahlt werden, eine Ausdehnung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage auf alle Fälle, in denen der Hochschullehrer vor Ablauf von drei Jahren die Hochschule wechsele, sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Bei unbefristeten Bleibe-Leistungsbezügen könne indes eine Rückzahlung in Betracht kommen, weil diese nach Ansicht des BayVGH nicht ohne weiteres als Gegenleistung für geleistete Dienste anzusehen sein werden, sondern auch allein deshalb erbracht werden können, um den (möglicherweise) abwanderungswilligen Hochschullehrer davon abzuhalten, dem Ruf einer anderen Hochschule zu folgen.

Anerkennung ausländischer Prüfungsleistungen, 11. Juli 2017

Eine Hochschule kann in ihrer Prüfungsordnung aufgrund der ihr im Hochschulgesetz – im zu entscheidenden Fall im Bremischen Hochschulgesetz – zugedachten Ermächtigung zur Regelung der Wiederholbarkeit von Prüfungen die Anrechnung auswärtiger Prüfungsleistungen ausschließen. Dem steht die allgemeine, diesbezüglich weitere Anrechnungsregelung des Hochschulgesetzes nicht entgegen, da die Kompetenz zur Ausgestaltung des Prüfungsrechtsverhältnisses insofern die speziellere Regelung ist. Das hat das Verwaltungsgericht Bremen jüngst entschieden (VG Bremen, Urteil vom 11. Juli 2017, Az. 6 K 1661/16).

Abberufung eines Hochschullehrers von der Instituts-Leitung wegen personenbezogener Konflikte, 28. Juni 2017

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass der Dienstherr auch im Bereich der wissenschaftlichen Hochschule berechtigt ist, organisatorische Veränderungen vorzunehmen (hier u. a. Entzug der Leitungsfunktion, BayVGH, Beschluss vom 28. Juni 2017, Az. 3 ZB 15.249). Die Ermessensentscheidung dürfe allerdings wegen des dem einzelnen Hochschullehrer als Individualrecht zustehenden Grundrechts des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht die Möglichkeit zu Forschung und Lehre infrage stellen. In diesem Rahmen überlagere der Grundrechtsschutz die Organisationsfreiheit des Dienstherrn, die jedoch grundsätzlich ein weites Ermessen des Dienstherrn beinhalte.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte damit die vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass weder das im konkreten Fall in Rede stehende Sportzentrum als zentrale Einrichtung der Hochschule noch die Leitung des Sportzentrums an sich Bestandteile des Lehrstuhls des klagenden Hochschullehrers darstellen oder sein Amt als Hochschullehrer für Sportwissenschaften prägen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Entzug der Leitungsfunktion berühre deshalb weder das statusrechtliche Amt des Klägers noch sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinn, sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Berufungsverfahren, Letztentscheidungsrecht des Rektors, 6. Juni 2017

Das Sächsische Hochschulgesetz sieht für das Berufungsverfahren vor, dass der Rektor an den entsprechenden Berufungsvorschlag des Fakultätsrates nicht gebunden ist (§ 60 Abs. 4 Satz 4 des Sächsischen Landeshochschulgesetzes). Dazu hat nun das Sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigt (Beschluss vom 6. Juni 2017, Az. 2 B 64/17), dass das Letztentscheidungsrecht über die Auswahl beim Rektor der Hochschule liegt. Gleichzeitig hat das Gericht die Grenzen dieses Letztentscheidungsrechts ausgeformt.

Danach ist der Rektor nicht an den Beschluss des Fakultätsrats gebunden, er kann also von der Rangfolge der Berufungsliste abweichen oder die Liste insgesamt verwerfen. Gleichwohl sind dem Rektor bei seiner Abweichungsbefugnis verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, d.h. der Rektor ist bei seiner Entscheidung wie die Berufungskommission und der Fakultätsrat an die Kriterien der Eignung, Leistung und Befähigung gebunden. Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S 1 GG der an dem Berufungsverfahren beteiligten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer werde durch die dem Rektor in § 60 Abs. 4 Satz 4 des Sächsischen Landeshochschulgesetzes eingeräumte Abweichungsbefugnis nicht berührt, solange die Abweichung auf sachliche Gründe gestützt und die fachliche Einschätzungsprärogative der am Auswahlverfahren beteiligten Fakultätsmitglieder hinsichtlich der Eignung der Bewerber gewahrt werde.

Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass dann, wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung verletzt wird, der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung verlangen kann. Voraussetzung dafür sei aber, dass seine Chance, bei einem erneuten Auswahlverfahren zum Zuge zu kommen, zumindest offen erscheine. Letzteres ist bereits stetige Rechtsprechung.

Abweichung von der Berufungsliste, 5. Mai 2017

Der Auswahlvorschlag des Rektorats und in der Folge die Auswahlentscheidung der senatorischen Behörde (Hinweis: es handelt sich um einen Fall aus Bremen), wahrt nach einem kürzlich getroffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen nur dann die fachliche Einschätzungsprärogative der in der Berufungskommission und im Fakultätsrat beteiligten Hochschullehrer, wenn das Rektorat seinen Entscheidungsspielraum nicht überschreite und sich insbesondere nicht in Widerspruch zur Bewertung der Berufungskommission setze. Dies setze voraus, dass das Rektorat ebenso wie die Berufungskommission an die zuvor aufgestellten Auswahlkriterien gebunden ist, diese in seine Entscheidungsfindung einbeziehe und den abweichenden Berufungsvorschlag sachgerecht begründe (VG Bremen, Beschluss vom 5. Mai 2017, Az. 6 V 3623/16).

Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei das Rektorat zwar grundsätzlich berechtigt, die Reihenfolge des von der Berufungskommission erstellten Berufungsvorschlages zu ändern. Gleichwohl seien der dem Rektorat eingeräumten Abweichungsbefugnis die verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzt. Daher sei das Rektorat bei seiner Entscheidung ebenso wie die Berufungskommission und der Fakultätsrat insbesondere an die Kriterien der Eignung, Leistung und Befähigung gebunden.

Auch wenn also die Letztentscheidungskompetenz nach dem Hochschulgesetz der Senatorin für Bildung und Wissenschaft zukomme, so sei diese auf Basis eines ordnungsgemäßen Berufungsvorschlages zu treffen. Hieran fehle es gerade in dem konkreten Fall, eben weil das Rektorat bei seiner Abänderungsentscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten habe. Dieser Ermessensfehler setze sich fort, d. h. die Auswahlentscheidung der senatorischen Behörde sei damit auch automatisch rechtswidrig. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Berufungsverfahren, Dokumentationspflicht und Gleichstellungsbeauftragte, 27. April 2017

In seiner aktuellen Entscheidung vom 27. April 2017 (Az. 6 A 277/16) hat das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster (OVG NRW) entschieden, dass sich die Dokumentationspflicht des Dienstherrn auch auf die Berufungsgespräche bezieht, die für die Entscheidung über die Besetzung einer Professur ausschlaggebend waren. Insbesondere reicht danach ein zeitlich nach der Auswahlentscheidung gefertigtes Erinnerungsprotokoll nicht aus.

Außerdem könne die Gleichstellungsbeauftragte nicht von sich aus auf die Teilnahme an den Berufungsgesprächen verzichten, wenn sie nach den rechtlich bindenden Vorgaben zu beteiligen ist, etwa als Mitglied der Berufungskommission. Diese Beteiligungsvorschriften seien nicht disponibel, so das OVG NRW.

Konkurrentenstreit: Aktuelle dienstliche Beurteilung bei Besetzung einer Professorenstelle und fehlerhafte Wahl zum Fachbereichsrat, 30. März 2017

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in einer neuen Entscheidung hervorgehoben, dass das Gebot der Heranziehung aktueller dienstliche Beurteilungen nicht für die Auswahlentscheidung bei der Besetzung einer Professorenstelle gilt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. März 2017, Az. OVG 10 S 32/16). Dieses Gebot sei in erster Linie für Auswahlentscheidungen über Beförderungen innerhalb der beamtenrechtlichen Laufbahn heranzuziehen und betreffe die Frage, ob und in welchem Maße der Bewerber den Anforderungen seines Amtes und dessen Laufbahn gerecht geworden sei.

Die Funktion von Beurteilungen oder vergleichbaren Dienstleistungszeugnissen spiele dagegen keine Rolle, wenn es um die Besetzung von Professorenstellen gehe. Denn nach den landeshochschulgesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen für Professorinnen und Professoren seien ein abgeschlossenes Hochschulstudium, die pädagogische Eignung, eine besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer Promotion nachgewiesen wird, sowie je nach den Anforderungen der Stelle zusätzliche wissenschaftliche Leistungen oder besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Methoden in einer mehrjährigen beruflichen Praxis entscheidend. Diese im Rahmen des Eignungs- und Leistungsvergleichs zu beurteilenden persönlichen und fachlichen Kompetenzen werden aber, so das OVG, typischerweise nicht durch dienstliche Beurteilungen und Zeugnisse über eine vorangegangene Tätigkeit dokumentiert. Die wissenschaftliche Qualifikation sei vielmehr anhand der bereits bewerteten Promotionsleistung sowie gegebenenfalls weiterer wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu beurteilen. Dies erfolge im Wesentlichen durch die Hochschule selbst, ohne dass es hierfür der Einschätzung durch frühere Dienstvorgesetzte oder Arbeitgeber bedürfe.

Im Zusammenhang mit dem konkret vorliegenden Konkurrentenstreit hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg darüber hinaus entschieden, dass Fehler bei der (nicht angefochtenen) Wahl zum Fachbereichsrat nicht zur Unwirksamkeit der Beschlüsse dieses Gremiums wegen einer möglicherweise fehlerhaften Zusammensetzung führen. Eine darauf beruhende Auswahlentscheidung ist danach also nicht automatisch unwirksam (kein durchschlagender Verfahrensfehler).

Abwahl der Hochschulleitung durch den Hochschulsenat, 8. März 2017

In seiner Entscheidung vom 8. März 2017 (Az. 5 LB 156/16) hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg u.a. entschieden, dass die Abberufung einzelner Mitglieder des Präsidiums einer niedersächsischen Hochschule dem ausschlaggebenden Einfluss des Hochschulsenats als dem mehrheitlich mit Hochschullehrern besetzten Hochschulgremium – ohne Letztentscheidungsbefugnis vom Fachministerium oder eines Vetorechts des Hochschulrats – unterliegen muss.

Ansonsten sei eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaft gegeben, wenn das Fachministerium im Hinblick auf die Entlassung von Mitgliedern des Präsidiums der Hochschule eine Letztentscheidungskompetenz bzw. eine eigene Ermessensentscheidung oder dem Hochschulrat ein Vetorecht zukäme. Insgesamt sei nämlich zu konstatieren, dass die neue niedersächsische Hochschulverfassung die Befugnisse des Präsidiums der Hochschule erheblich zu Lasten des Hochschulsenats als demjenigen Organ, in dem die Gruppe der Hochschullehrer die Stimmenmehrheit hat, ausgeweitet habe. Daher sei es nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts (Anm: BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2010, 1 BvR 748/06, juris) zur Kompensation unabdingbar, dass die Besetzung und Abberufung von Präsidiumsmitgliedern dem ausschlaggebenden Einfluss des Hochschulsenats unterliege. Somit stehe dem Fachministerium keine Befugnis zu, über die Entlassung von Präsidiumsmitgliedern nach Maßgabe eigener Personalpolitik zu entscheiden. Aus dem gleichen Grund stehe auch dem mehrheitlich extern besetzten Hochschulrat kein Vetorecht gegenüber einer positiven Abwahlentscheidung des Senats einer Hochschule zu.

In verfassungskonformer, sich an Art. 5 Abs. 3 GG orientierender Auslegung der entsprechenden Regelung im Hochschulgesetz, wonach der Abwahlvorschlag der Bestätigung des Hochschulrats bedürfe, sei der Fall, dass der Hochschulrat einen mit Drei-Viertel-Mehrheit beschlossenen Abwahlvorschlag des Senats nicht bestätigt, in der Weise zu lösen, dass der Hochschulsenat unter Auseinandersetzung mit dem Votum des Hochschulrats erneut entscheiden und mit Drei-Viertel-Mehrheit einen endgültigen, für das Fachministerium inhaltlich verbindlichen Abwahlvorschlag beschließen kann.

Konsumtion, 28. Februar 2017

Das Verwaltungsgericht Hannover hat jüngst entschieden, dass die Konsumtion von besonderen Leistungsbezügen in Niedersachsen rechts- und verfassungsgemäß ist (VG Hannover vom 28. Februar 2017, Az. 13 A 1443/15, juris).

Das VG Hannover sieht in dem Revisionszulassungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2016, Az. 2 B 43/16, keinen Anlass, zunächst dieses Verfahren abzuwarten und weist darauf hin, dass die zugrundeliegende maßgebliche Rechtslage in Rheinland-Pfalz, dort die Anrechnungsvorschrift des § 69 Abs. 7 LBesG RP, nicht vergleichbar mit der niedersächsischen Anrechnungsvorschrift des § 28 NBesG ist, zumal es dort um unbefristete Berufungsleistungsbezüge auf Grundlage einer Berufungsvereinbarung geht. Ansonsten trägt das Gericht in der Sache die mittlerweile bekannten Argumentation vor (kein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Art. 33 Abs. 5 GG, gegen die Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs.1 GG und den Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, sowie gegen das Rückwirkungsverbot, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 2 Nds. Verf.). Die Berufung wurde nicht zugelassen.

Voraussetzungen eines wirksamen nachträglichen Rücktritts eines Prüflings von Modulprüfungen, 21. Februar 2017

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat über die Voraussetzungen eines nachträglichen Rücktritts eines Prüflings von (mehreren) Modulprüfungen entschieden. Im Fall eines Rücktritts seien die für den Rücktritt geltend gemachten Gründe dem Prüfungsausschuss unverzüglich und schriftlich anzuzeigen. Eine Rücktrittserklärung muss danach gegenüber der zuständigen Stelle eindeutig den Willen zum Ausdruck bringen, dass die Prüfung oder ein bestimmter Prüfungsteil nicht fortgesetzt werden oder dass eine bereits erbrachte Prüfungsleistungen nicht gelten sollen. Bei mehreren Prüfungsleistungen müssen auch diejenigen eindeutig bezeichnet werden, auf die sich der Rücktritt bezieht.

Die in dem vorliegenden Fall krankheitsbedingten Rücktrittsgründe müssen danach konkrete Symptome beschreiben, auf die sich die Prüfungsunfähigkeit stützt, dass und warum also Prüfungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Prüfung vorgelegen habe. Ein allgemeines ärztliches Attest mit einer allgemeinen Diagnose reiche dazu nicht, sondern aus dem Attest müsse sich gerade ergebe, warum genau die Prüfungsunfähigkeit bestanden habe. Denn es Sache des Prüflings, dass sich dieser, sobald er sich der eigenen Leistungsunfähigkeit bewusst werde, um vollständige Aufklärung des Gesundheitszustands bemühe. Dies war in dem zu entscheidenden Fall nicht gegeben, weshalb dem betreffenden Prüfling nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster kein Anspruch auf Anerkennung seines Rücktritts von zwei Modulklausuren zustand und damit keine weiteren zwei Prüfungsversuche zu gewähren waren.

Konkurrentenstreit, 1. Februar 2017

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die jüngste Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Konkurrentenstreitverfahren fortgesetzt und betont, dass es geboten ist, die wesentlichen Gründe, die zu der getroffenen Auswahlentscheidung geführt haben, schriftlich zu fixieren (BayVGH, Beschluss vom 1. Februar 2017, Az. 7 CE 16.1989).

Eine derartige Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dient danach nicht nur dazu, das Auswahlverfahren für die Bewerberinnen und Bewerber transparent zu machen, sondern dient auch der Selbstkontrolle derjenigen, die die Entscheidung zu treffen haben. Außerdem werde auf diese Weise dem nachprüfenden Gericht erst die Möglichkeit eröffnet, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen.

Konkurrentenstreit, 10. Januar 2017

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung zum hochschulrechtlichen Konkurrentenstreit fortgesetzt. In seinem Beschluss vom 10. Januar 2017 (Az. 7 CE 16.1838) legte es erneut dar, dass eine Verletzung einschlägiger Verfahrensvorschriften und damit des Bewerberverfahrensanspruchs nur dann einen Anspruch auf die erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens gibt, wenn die Auswahl der bzw. des Betroffenen tatsächlich möglich erscheint.

Die Chancen, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, sollten zumindest offen sein. Es lag zwar in dem konkreten Fall ein Verfahrensfehler vor. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass es darauf schon gar nicht mehr ankomme, wenn – wie hier – die Bewerberin bzw. der Bewerber ohnehin nicht das konstitutive Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle erfülle.

Konkurrenzlesen, 30. November 2016

Das Grundrecht der Lehrfreiheit vermittelt kein „Exklusivrecht“ im Sinne eines Monopols auf das Abhalten bestimmter Lehrveranstaltungen. „Konkurrenzlesen“ ist daher zulässig und tangiert das Grundrecht auf Lehrfreiheit nicht, so das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz) in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 30. November 2016, Az. 2 A 10642/16).

In den Schutzbereich der Lehrfreiheit werde allein dadurch, dass die streitgegenständliche Lehrveranstaltung nicht allein von dem Kläger angeboten wird, nicht eingegriffen. Die Lehrfreiheit des Klägers werde aufgrund der Dopplung des Lehrangebots nicht verkürzt. Denn der Kläger könne auch bei der Dopplung der Lehrveranstaltung nach wie vor seine Lehrveranstaltung abhalten. Es fehle deshalb bereits an einem Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Lehrfreiheit, so das OVG Rheinland-Pfalz. Das Grundrecht der Lehrfreiheit vermittle kein „Exklusivrecht“ oder Monopol auf das Abhalten bestimmter Lehrveranstaltungen. „Konkurrenzlesen“ sei daher grundsätzlich zulässig und tangiere das Grundrecht auf Lehrfreiheit nicht. Vielmehr sei dem wissenschaftlichen Betrieb der Wettbewerb gerade förderlich.

Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg stärkt die Mitwirkungsrechte der Hochschullehrer, 14. November 2016

Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg (VerfGH) hat auf die Verfassungsbeschwerde eines Hochschullehrers, der auch hlb-Mitglied ist, die Regelungen im LHG Baden-Württemberg über die Wahl und Abwahl der haupt- und der nebenamtlichen Rektoratsmitglieder (§ 18 Abs. 1 bis 3, 5 Satz 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 und 5 LHG) mit der in Art. 20 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) verankerten Wissenschaftsfreiheit für unvereinbar erklärt (VerfGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14. November 2016, Az. 1 VB 16/15). Das Verfahren wurde vom hlb maßgeblich unterstützt.

Die Regelungen über die Wahl und Abwahl der haupt- und der nebenamtlichen Rektoratsmitglieder genügen danach nicht, um eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer durch die Kompetenzen des Rektorats einer Hochschule auszuschließen. Das Rektorat verfügt über erhebliche wissenschaftsrelevante Befugnisse, insbesondere bei Personal-, Sach- und Finanzentscheidungen. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass die Regelungen über die Wahl und Abwahl der haupt- und der nebenamtlichen Rektoratsmitglieder nicht genügen, um eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer durch die Kompetenzen des Rektorats einer Hochschule auszuschließen. Der Verfassungsgerichtshof sieht eine Lösung darin, bei der Wahl- und Abwahl der Mitglieder der Hochschulleitungen den ausschlaggebenden Einfluss der im Senat vertretenen Professorinnen und Professoren vorzusehen. Der Gesetzgeber muss bis 31. März 2018 eine verfassungskonforme Neuregelung treffen. Bis dahin bleiben die beanstandeten Regelungen weiter anwendbar.

Disziplinarverfahren bei Weigerung zur Mitwirkung am Fachbereich, 22. September 2016

Dem Disziplinarverfahren gegen die betroffene Hochschullehrerin ging voraus, dass der Präsident der Hochschule die Hochschullehrerin zur Teilnahme an den Studiengangbesprechungen sowie allen vom Dekan anberaumten Dienstgesprächen über ihre Lehr- und Prüfungsverpflichtungen angewiesen hatte (BVerwG, Beschluss vom 22. September 2016, Az. 2 B 128/15). Weil sie den Aufforderungen – oftmals aus krankheitsbedingten Gründen – nicht Folge leistete, verpflichtete er sie darüber hinaus, krankheitsbedingte Ausfälle durch ein ärztliches Attest nachzuweisen.

Nach erneuten krankheitsbedingten Abwesenheiten verfügte der Präsident, dass die Hochschullehrerin krankheitsbedingte Ausfälle an Studiengangbesprechungen, Dienstgesprächen und Prüfungen ab dem ersten Tag der Erkrankung sogar durch ein amtsärztliches Attest nachzuweisen habe. Als die Hochschullehrerin weiterhin verschiedenen Terminen fernblieb, ohne amtsärztliche Bescheinigungen zur Dienstunfähigkeit vorzulegen, wurde das Disziplinarverfahren von Seiten der Hochschule eingeleitet.

Das Verwaltungsgericht sprach zunächst die Entfernung der Hochschullehrerin aus dem Beamtenverhältnis als Disziplinarmaßnahme aus. Auf die Berufung der Hochschullehrerin hin änderte der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2015 die Disziplinarmaßnahme ab und urteilte, dass eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von drei Jahren vorgenommen werde.

Gegen diese Entscheidung erhob die Hochschullehrerin Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), hatte damit jedoch keinen Erfolg. Die Hochschullehrerin trug nach Ansicht des Gerichts keine tragenden Rechtsmängel der Entscheidung, sondern vor allem Fehler in der Sachverhaltsermittlung vor. Diese bestanden indes nach Ansicht des BVerwG nicht, vielmehr sei, so das Gericht, der Sachverhalt bereits zutreffend festgestellt worden. Damit bestätigte das BVerwG das vorangehende Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs.

Sturz auf unbefestigter Abkürzung: Kein Wegeunfall, 24. August 2016

Sturz auf unbefestigter, grasbewachsener und abschüssiger Abkürzung ist kein Wegeunfall, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen in seinem Urteil vom 24. August 2016, Az. 1 A 144/15.

Das Gericht hat in einer neuen Entscheidung deutlich gemacht, dass dienstunfallrechtlich nur der Weg geschützt ist, den die Beamtin oder der Beamte ohne Rücksicht auf sonstige private Interessen vernünftigerweise wählen darf, um unter Berücksichtigung der konkret bestehenden Verhältnisse von der Wohnung zur Dienststelle und zurück zu gelangen.

Diese Maßstäbe seien auch für Unfälle, die sich auf dem Gelände des Dienstherrn ereignen, anzuwenden. Konkret bedeutet das: Auf einer unbefestigten, grasbewachsenen und abschüssigen Abkürzung besteht im Vergleich zu einer geteerten Straße oder einem Fahrradweg eine erhöhte Rutsch- und damit Sturzgefahr. Nach Ansicht des Gerichts dürfe ein solcher Weg selbst bei trockener Witterung vernünftigerweise nicht gewählt werden, weil anderenfalls die dienstunfallrechtliche Anerkennung nicht gewährt werden könne.

Prüfungsrecht: Anforderungen an das ärztliche Attest, 12. August 2016

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entschieden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. August 2016, Az. 2 ME 150/16), dass in einer der Prüfungsbehörde vorzulegenden ärztlichen Bescheinigung – im Gegensatz zu einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die sich aus ihnen ergebenden Auswirkungen auf die Prüfung so zu beschreiben sind, dass die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt wird, selbständig über die Prüfungsfähigkeit zu befinden.

Denn das Gebot, die Chancengleichheit bei berufsbezogenen Prüfungen aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz zu sichern, mache es erforderlich, den Rücktritt von einer solchen Prüfung mit der Folge einer zusätzlichen Wiederholungsmöglichkeit nur dann zu gestatten, wenn die Gründe der Prüfungsbehörde nachvollziehbar offenbart worden seien. Nur damit kann einem Missbrauch wirksam vorgebeugt werden. Die zuständige Prüfungsbehörde muss in eigener Verantwortung entscheiden können, ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung den Abbruch oder Nichtantritt einer Prüfung rechtfertigen kann.

Eine nähere Beschreibung der Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen könnten dabei allerdings unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich sein. Dies sei etwa der Fall, wenn bereits aufgrund einer mitgeteilten Diagnose einer akuten Krankheit die Prüfungsunfähigkeit offensichtlich sei. Demgegenüber reiche jedoch der pauschale Hinweis des Arztes, dass der Prüfling prüfungsunfähig sei, nicht aus.

Verlange die Prüfungsbehörde für den Nachweis einer Prüfungsunfähigkeit die Vorlage eines amtsärztlichen Attests, geht es jedoch nicht zulasten des Prüflings, wenn die für ihn zumutbar erreichbaren Gesundheitsämter dies mit dem Hinweis darauf verweigern, solche amtsärztlichen Atteste würden generell nicht mehr ausgestellt.

Verwaltungsgericht Köln zur Konsumtion in Nordrhein-Westfalen, 8. Juli 2016

Das Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) hat entschieden, dass die im nordrhein-westfälischen Landesbesoldungsgesetz vorgesehene Teil-Konsumtion der Leistungsbezüge verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, VG Köln, Urteil vom 8. Juli 2016, Az. 3 K 183/14.

In dem konkreten Fall ging es um einen nach W3 besoldeten Hochschullehrer, der von seiner Hochschule ab 2012 zusätzlich zu seinem Grundgehalt unbefristete Bleibeleistungsbezüge in Höhe von mindestens 2.300 Euro erhielt. Nach Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Erhöhungsgesetzes rechnete das Landesamt für Besoldung und Versorgung die Erhöhung in Höhe von 300 Euro in vollem Umfang bei dem Kläger an, weil 45 Prozent der Zulage, die im Jahr 2013 2.300 Euro betrug, den maximal anrechenbaren Erhöhungsbetrag von 300 Euro überstiegen.

Die Entscheidung

Im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren entschied nun das VG Köln, dass die Anrechnungsregelung nicht gegen das Alimentationsprinzip (Artikel 33 Absatz 5 GG) verstoße, weil Leistungsbezüge kein Bestandteil der Alimentation, sondern individuelle Bezüge eigener Art seien. Wenn aber, so das Gericht, den Leistungsbezügen danach kein alimentativer Charakter innewohne, könne ihre Anrechnung denknotwendig auch nicht am Alimentationsprinzip zu messen sein. Außerdem komme hinzu, dass die früheren, vor dem 1. Januar 2013 vergebenen und vergleichsweise hohen Leistungsbezüge quasi durch die Unteralimentierung aller Professoren finanziert würden. Ohne die Anrechnungsregelung kämen die Bezieher der vergleichsweise hohen Leistungszulagen nunmehr auch in den Genuss der vollen Grundgehaltserhöhung und profitierten damit doppelt. Dies widerspreche aber dem der Professorenbesoldung noch immer zu Grunde liegenden Leistungsprinzip, weil die neu berufenen Hochschullehrer bei gleicher Leistungen schon wegen des erhöhten Grundgehalts faktisch nicht die Chance auf die Gewährung gleich hoher Leistungsbezüge hätten.

Die Anrechnungsregelung verstoße auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 GG und sei verhältnismäßig, weil zu berücksichtigen sei, dass den Betroffenen in jedem Fall mehr als die Hälfte der gewährten Zulagen verbleibe.

Darüber hinaus liege auch kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor. Innerhalb der Gruppe der zum 31. Dezember 2012 bereits berufenen Professoren sei zwar eine Ungleichbehandlung gegeben, und zwar zwischen den Professoren ohne Leistungszulagen zu den Professoren mit Leistungszulagen. Diese Ungleichbehandlung sei aber gerechtfertigt, weil ansonsten die Bezieher der vergleichsweise hohen Leistungszulagen nunmehr auch in den Genuss der vollen Grundgehaltserhöhung kämen und damit doppelt profitierten. Ein Gleichheitsverstoß sei auch nicht darin zu erkennen, dass das Erhöhungsgesetz lediglich Berufungs- und Bleibeleistungszulagen und Zulagen für besondere Leistungen mit der Anrechnung erfasse, nicht aber auch Funktionszulagen.

Weiterhin sei die Anrechnungsregelung auch im Hinblick auf das Leistungsprinzip nicht zu beanstanden. Da die Bestandsprofessoren mindestens 55 Prozent der Leistungsbezüge behielten, bleibe die „Rangfolge“ zwischen den am 31. Dezember 2012 im Dienst befindlichen Amtsinhabern gewahrt.

Schließlich liegt nach Ansicht des Gerichts auch kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot vor. Freilich handele es sich hier bei dem gesetzgeberischen Eingreifen um einen Fall der Rückwirkung, vorliegend sei diese Rückwirkung jedoch ausnahmsweise zulässig, weil der Kläger mit einer Rechtsänderung rechnen musste und darüber hinaus durch die rückwirkende Gesetzesänderung auch kein erheblicher Schaden verursacht wurde. Die Zulagen des Klägers seien nur im Zusammenhang in Kombination mit der Erhöhung des Grundgehalts rückwirkend gekürzt worden, sodass er letztlich nicht schlechter gestellt werde.

Pflicht zur Überprüfung eines Geldleistungsbescheids, 4. Juli 2016

Für einen verbeamteten Hochschullehrer bzw. für eine verbeamtete Hochschullehrerin besteht aufgrund der Treuepflcht eine Pflicht zur Überprüfung von Geldleistungsbescheiden und bei Unklarheiten eine Pflicht zur Überprüfung und eine Pflicht zur Rückfrage. Dies hat hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald in seiner Entscheidung verdeutlicht. Diese Pflicht trifft nach der Entscheidung ausdrücklich auch dijenigen Beamten bzw. Beamtinnen, die nicht juristisch vorgebildet sind (Oberverwaltungsgericht Greifswald, Beschluss vom 4. Juli 2016, Az. 2 L 209/12, dort Rn. 6 mit Hinweis auf eine ältere Entscheidung des Bundesverwealtungsgerichts). 

Bundesarbeitsgericht hat entschieden: wissenschaftliche Mitarbeiter dürfen nicht dauerhaft mit Drittmitteln befristet beschäftigt werden, 8. Juni 2016

Die Klägerin war bei der beklagten Hochschule bis Ende 2011 insgesamt 22 Jahre lang befristet beschäftigt. Auf zunächst fünf befristete Arbeitsverträge seit 1988 zum Abschluss der Promotion und 1995 zum Erwerb der Habilitation folgten in dem Zeitraum vom 1996 bis 2007 vier Zeitabschnitte, in denen die Klägerin als wissenschaftliche Assistentin im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Zeit beschäftigt wurde. Anschließend folgten zwischen 2007 bis 2011 zwei weitere befristete Arbeitsverhältnisse, für die als Sachgrund "Drittmittelfinanzierung" angegeben wurde. Mit ihrer Befristungskontrollklage vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die letzte Befristung des Arbeitsvertrags rechtsunwirksam gewesen sei, weil weder die Voraussetzungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes noch des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vorgelegen hätten. Das zuständige Arbeitsgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung beim Landesarbeitsgericht hatte Erfolg.

In der Revisionsinstanz entschied nun das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 8. Juni 2016, Az. 7 AZR 259/14, dass zwar im konkreten Fall die letzte Befristung deswegen nicht rechtsmissbräuchlich sei, weil ein erheblicher Zeitraum der befristeten Beschäftigung dem Erwerb der wissenschaftlichen Qualifikation gedient habe, gleich, ob Arbeits- oder Beamtenverhältnisse auf Zeit zugrunde gelegen hätten.

Losgelöst davon könne aber in dem Fall, dass mehrere hintereinandergeschaltete Drittmittelbefristungen bzw. Projektbefristungen vorliegen - die grundsätzlich auch über die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Absatz 1 des Wissenschaftszeitvertragsgesetz hinaus zulässig sind - durchaus die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines Sachgrundes aufgrund besonderer Umstände unzulässig sein. Dies gelte auch für den Hochschulbereich und insbesondere auch für den Grund der Drittmittelfinanzierung (§ 2 Absatz 2 des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes). Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs sprechen nach dem Bundesarbeitsgericht etwa eine sehr lange Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und/oder eine ausgewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wurde bereits mit Spannung erwartet. In der Konsequenz steht nun fest, dass es zukünftig für die Hochschulen schwierig sein dürfte, wissenschaftliche Mitarbeiter mehrfach befristet in Drittmittelprojekten zu beschäftigen und bereits in solchen Dauerbefristungen beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter weiterhin befristet zu beschäftigen.

Bundesarbeitsgericht zu der Form des Elternzeitverlangens, 10. Mai 2016

Bevor die Elternzeit angetreten werden kann, muss die Elternzeit schriftlich beantragt werden, wobei der Antrag in der Regel bis spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit beim Dienstherrn sein muss. So steht es in § 16 Abs. 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes. Zu der damit angesprochenen „Schriftlichkeit“ hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 10. Mai 2016, Az. 9 AZR 145/15 entschieden, dass ein Elternzeitverlangen per Telefax oder E-Mail für die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene „Schriftlichkeit“ der Erklärung nicht ausreichend ist.

In dem Fall hatte die Klägerin lediglich ein Telefax abgesetzt. Das BAG urteilte nun, dass für die Frage der Bedeutung des Schriftformerfordernisses – ob die strenge Schriftform einzuhalten sei oder nur die sog. Textform – wesentlich auf den Normzweck der zugrunde liegenden Rechtvorschrift abzustellen sei. Das Gericht betonte dabei die Schutz- und Warnfunktion für die betroffene Person, die vor einem unüberlegten Elternzeitverlangen geschützt werden solle.

Ausnahmen von der strengen Schriftform könnten nur in besonderen Fällen gemacht und der Formmangel mit den Grundsätzen nach Treu und Glauben nach § 242 BGB überwunden werden. Es müsste also Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Dienstherrn (im Fall: des Arbeitgebers) in hohem Maße als widersprüchlich erschienen ließen. Dies sei etwa gegeben, wenn der Dienstherr (im Fall: der Arbeitgeber) die betroffene Person durchgehend wie einen Elternzeitberechtigten behandelt habe.   

Oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung zur Nebentätigkeit im Urlaub, 15. März 2016

Der Erholungsurlaubs diene dazu, die Arbeitskraft und die Gesundheit des Beamten aufzufrischen und zu erhalten. Die Pflicht des Beamten, dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, beinhalte auch die Pflicht zur Erhaltung der vollen Dienstfähigkeit.

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 15. März 2016, Az. 2 M 317/15, zu dem Spannungsverhältnis Nebentätigkeit und Urlaub einige klarstellende Ausführungen getätigt. Es ging konkret um einen Fall, in dem der Beamte während des Erholungsurlaubs eine Nebentätigkeit ausübte. Nach Ansicht des Gerichts besteht der Zweck des Erholungsurlaubs darin, die Arbeitskraft und die Gesundheit des Beamten wieder aufzufrischen und zu erhalten. Der Beamte sei verpflichtet, dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und sich dem ihm anvertrauten Hauptamt mit voller Hingabe zu widmen. Dies beinhalte auch die Pflicht des Beamten zur Erhaltung der vollen Dienst- und Einsatzfähigkeit.

Dieser Zweck würde aber, so das Gericht, gefährdet werden, wenn der Beamte während seines Erholungsurlaubs eine in zeitlicher Hinsicht nicht unerhebliche Nebentätigkeit ausüben würde. Eine zweckentfremdete Nutzung des Erholungsurlaubs liege dagegen nicht vor, wenn die Nebentätigkeit auch im Urlaub die Fünftel-Regelung, also acht Stunden wöchentlich, nicht überschreite. Eine nur geringfügige Überschreitung des Zeitraums von acht Stunden wöchentlich sei indes unbedenklich, solange die mit dem Urlaub bezweckte Erholung durch die Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt werde.

Darüber hinaus hat das Gericht darauf hingewiesen, dass bei Änderungen der Nebentätigkeit die Pflicht des Beamten besteht, jede Änderung der Tätigkeit unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Diese Art von Mitwirkungspflicht findet sich in vielen Regelungen der Länder zur Ausübung einer Nebentätigkeit. Denn nur so könne der Dienstherr die Vereinbarkeit der Nebentätigkeit mit dem Hauptamt wirklich nachvollziehen und prüfen.

Pflichten des Dienstherrn während der Probezeit, 29. Februar 2016

Der Dienstherr hat während der Probezeit den auf Probe verbeamteten Hochschullehrer zu unterstützen. In diesem Sinne hat das Verwaltungsgericht Münster in einem  Beschluss hervorgehoben, dass bei einem Beamtenverhältnis auf Probe die in den Berufungsordnungen der Hochschulen regelmäßig angeordneten Besuche der Lehrveranstaltungen und die Dokumentation gegebenenfalls vorgeschlagener Verbesserungsmöglichkeiten nicht zuletzt auch dazu dienen, den Beamten auf Probe während seiner Probezeit auf dem Weg zu einer positiven Beurteilung seiner pädagogischen Eignung zu fördern (VG Münster, Beschluss  vom 29. Februar 2016, Az. 4 L 197/16, juris). Das Verfahren wurde vom hlb unterstützt und begleitet.

Damit wurde gerichtlich klargestellt, dass die didaktische Weiterbildung während der Verbeamtung auf Probe nicht nur ein Kontrollinstrument darstellt, sondern auch dazu dient, dass der Betroffene seitens der Hochschule dabei unterstützt wird, seine didaktischen Eigenschaften zu verbessern. Das Verwaltungsgericht Münster betont in diesem Zusammenhang, dass darüber hinaus eine Pflicht der Hochschule besteht, bei entsprechenden Defiziten rechtzeitig darauf hinzuweisen, wo Verbesserungsbedarf besteht und diesen Verbesserungsprozess auch aktiv zu unterstützen. Geschehe dies nicht, so das Gericht, könne dem Betroffenen am Ende der Probezeit eine seine Eignung verneinende Beurteilung nicht uneingeschränkt entgegengehalten werden.

Bundesverfassungsgericht entschied am 17. Februar 2016 zur Akkreditierung von Studiengängen

Das Bundesverfassungsgericht fordert in seinem Beschluss vom 17. Februar 2016 (1 BvL 8/10) den Landesgesetzgeber NRW auf, spätestens bis zum 31. Dezember 2017 wesentliche Regeln der Akkreditierung wie zur Verfahrenseinleitung, zum Verfahren, zur Rechtsform der Entscheidungen der Agenturen und zu den Folgen bei fehlender Umsetzung von Auflagen der Agenturen sowie zum zeitlichen Abstand der Reakkreditierung festzulegen. Die Entscheidung betrifft die Programmakkreditierung, aber ebenso die staatlichen Hochschulen.

Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Februar 2016 muss der Gesetzgeber zunächst in Nordrhein-Westfalen (NRW) bei der Akkreditierung, die eine grundrechtsrelevante Entscheidung ist, die maßgeblichen Regelungen selbst treffen. Die bisher vom Akkreditierungsrat aufgestellten Regelungen sind dafür nicht ausreichend, da sie der gesetzgeberischen Regelung entbehren, so das Bundesverfassungsgericht zu der diesen Sachverhalt betreffenden Richtervorlage aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Arnsberg. Insbesondere muss der Gesetzgeber regeln, wer Entscheidungen zu treffen hat und wie das Akkreditierungsverfahren ausgestaltet wird. Derzeit erfolgen Akkreditierungen anhand der „Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung“ des Akkreditierungsrates Drs. AR 20/2013 und weiterer ergänzender Regelwerke.

Geklagt hatte eine private Hochschule für angewandte Wissenschaften/Fachhochschule gegen eine Akkreditierungsagentur, die die Akkreditierung zweier ihrer Studiengänge versagte.

Die aktuelle Entscheidung betrifft auch die staatlichen Hochschulen in NRW, denn das Hochschulgesetz in NRW sieht in § 7 Absatz 1 als Voraussetzung der Aufnahme des Studienbetriebs in einem Studiengang den erfolgreichen Abschluss der Akkreditierung vor. Das Judikat betrifft darüber hinaus auch jene Bundesländer, die eine obligatorische Akkreditierung für Studiengänge vorschreiben, denn dem Verfahren fehlt auch in diesen Ländern das juristische Fundament. Wobei die Regelungen sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Bundesländer wie Berlin verzichten völlig darauf. Andere wie Bayern oder Sachsen-Anhalt haben detaillierte Vorschriften.

Das Gericht stellt die Akkreditierung als eine externe Qualitätssicherung der Hochschullehre selbst nicht infrage. Diese sollte neben den wissenschaftlich-fachlichen Kriterien auch Studienorganisation, die Studienanforderungen und den Studienerfolg bewerten, z. B. ob der Studiengang den Berufszugang ermöglicht. Für die Abschaffung der Akkreditierung bietet daher der Beschluss des BVerfG also keine direkte juristische Schützenhilfe. Der Gesetzgeber muss jedoch für die Qualitätssicherung, die durch die Akkreditierung erfolgt, ein Gesamtgefüge schaffen, in dem Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle so ausgestaltet sind, dass Gefahren für die Freiheit der Lehre vermieden werden.

Kritisiert wird, dass der Gesetzgeber in den bisherigen Normen zur Akkreditierung lediglich sehr unkonkret auf „geltende Regelungen“ verweist, nach denen akkreditiert werden soll. Selbst eine grobe Zielbestimmung durch den Hinweis auf fachlich-inhaltliche Mindeststandards und die Berufsrelevanz der Abschlüsse fehlt. Es fehlen auch gesetzliche Regelungen zur Verfahrenseinleitung, zum Verfahren der Akkreditierung, zur Rechtsform der Entscheidungen der Agenturen und des Akkreditierungsrates der Akkreditierungsstiftung, zu den Folgen bei fehlender Umsetzung von Auflagen der Agenturen sowie zum zeitlichen Abstand der Reakkreditierung. Auch das Akkreditierungsstiftungsgesetz lässt das Verfahren, die Rechtsnatur und die Rechtswirkungen der Akkreditierungsentscheidungen weitgehend ungeklärt.

Der Landesgesetzgeber wurde nun beauftragt, eine Neuregelung vorzunehmen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung trägt. Da auch länderübergreifende Abstimmungsprozesse anstehen, ist dafür ein ausreichender Zeitraum bis zum 31. Dezember 2017 eingeräumt worden. Bis dahin gelten die mit dem Grundgesetz unvereinbaren derzeitigen Normen fort.

Schriftliche Dokumentation wesentlicher Auswahlerwägungen in Berufungsverfahren zwingend, 10. Februar 2016

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster, 10. Februar 2016, Az. 6 B 33/16) hat nochmals bestätigt, dass aus Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG) (Grundsatz der beamtenrechtlichen Bestenauslese) in Verbindung mit Artikel 19 Absatz4 GG (Rechtsschutzgarantie) auch die Verpflichtung des Dienstherrn folge, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen.

Das OVG bestätigte damit die Aussagen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (VG Düsseldorf, Az. 15 K 7734/13) aus Dezember 2015 in einem anderen Verfahren. Vgl. unsere Zusammenfassung des Urteils des VG Düsseldorf, die Sie weiter unten auf dieser Seite finden.

Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen könne - werde, so das OVG, der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn hinzunehmen sei oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestünden und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen wolle. Darüber hinaus eröffne erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht in einem möglicherweise nachfolgenden Gerichtsverfahren die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stelle allein die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind. Die Dokumentation erweise sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Artikel 33 Absatz 2 GG. Diese für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten und gefestigten Grundsätze könnten für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen in gleicher Weise herangezogen werden, so das Gericht.

Entscheidungen von Ende 2015 zur beamtenrechtlichen Konkurrentenklage

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Dezember 2015, Az. 15 K 7734/13) hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Besetzung einer W2-Professur in NRW ging. Der Konkurrent beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Hochschule zu untersagen, die betreffende Professur mit dem Konkurrenten oder anderweitig zu besetzen. Mit der nachfolgenden Klage machte er u. a. geltend, dass das Verfahren zur Besetzung der Professur verfahrensfehlerhaft gewesen sei, weil ein bestimmter Hochschullehrer wegen Befangenheit nicht am Auswahlverfahren habe mitwirken dürfen. Dieser Hochschullehrer war Doktorvater desjenigen, der ernannt werden sollte und hatte mit diesem über mehrere Jahre an seinem Lehrstuhl zusammengearbeitet.

Das VG Düsseldorf entschied, dass die Hochschule als Dienstherr zunächst verpflichtet sei, dem unterlegenen Bewerber rechtzeitig vor Ernennung des Mitbewerbers durch eine Mitteilung Kenntnis vom Ausgang des Auswahlverfahrens zu geben und anschließend einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit zu geben, vor Ernennung des Konkurrenten gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Ein Zeitraum von zwei Wochen sei dafür grundsätzlich angemessen (zu Ausnahmen vgl. aber nachfolgend die Entscheidung des OVG Münster). Erst danach dürfe der Dienstherr den Beamten ernennen. Erfolge die Ernennung vorher wurde dem Konkurrenten die Rechtsschutzmöglichkeit abgeschnitten und der Rechtsschutz des Konkurrenten müsse nach Ernennung nachgeholt werden.

Das Gericht stellte weiterhin klar, dass ein Bewerber um eine Professur verlangen könne, dass über seine Bewerbung wie bei jedem anderen Beamten auch ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entschieden wird. Hinsichtlich der fachwissenschaftlichen Eignung sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Hochschule eine besondere, durch die Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zustehe.

Weiterhin müsse, so das VG Düsseldorf, für die Auswahlentscheidung des Konkurrenten eine hinreichende Dokumentation der tragenden Erwägungen vorliegen.

Ein der Beteiligung am Auswahlverfahren entgegenstehender Misstrauensgrund sei zwar nicht aus der Funktion des beteiligten Hochschullehrer als Doktorvater desjenigen, der ernannt werden solle, herzuleiten. Ein entgegenstehender Grund ergebe sich aber aus einer sich über fünf Jahre erstreckenden Zusammenarbeit des Konkurrenten mit einem Mitglied der Auswahlkommission an dessen Lehrstuhl.

Eindeutig sei zudem, so das VG Düsseldorf, dass die Auswahl dann verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden sei, wenn am Auswahlverfahren die Gleichstellungbeauftragte nicht beteiligt gewesen sei.

In einem solchen Fall sei die Auswahlentscheidung rechtswidrig und der Bewerber habe, obwohl die Ernennung umgesetzt sei, einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung und damit einen Anspruch auf erneute Durchführung des Auswahlverfahrens.

 

Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster, Beschluss vom 24. November 2015, Az. 1 B 884/15): Konkurrentenklage unter Umständen auch nach vier Monaten möglich, wenn unterlegener Bewerber nicht auf 2-Wochen-Frist hingewiesen wurde

In einem weiteren, vom OVG Münster zu entscheidenden Fall hatte ein Konkurrent beamtenrechtliche Konkurrentenklage erst nach vier Monaten eingelegt. Die Behörde wollte dennoch die Stelle besetzen; die Vorinstanz gab der Behörde Recht – das OVG Münster hob dagegen die Vorinstanz auf und untersagte der Behörde, vor Entscheidung über die Bewerbung der Konkurrentin die Stelle zu besetzen: Die von der Rechtsprechung entwickelte 2-Wochen-Frist, nach deren ungenutztem Ablauf dem Besetzungsverfahren Fortgang gegeben werden können, stelle weder eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Bewerbungsverfahrensanspruchs noch eine Fristsetzung zur Einlegung insoweit beabsichtigter Rechtsbehelfe dar. Vielmehr habe die Wartefrist vor Aushändigung einer Ernennungsurkunde allein den Sinn, die unterlegenen Bewerber von der Absicht des Dienstherrn, den ausgewählten Bewerber zu ernennen, mitsamt den dafür wesentlichen Gründen sachgerecht in Kenntnis zu setzen und ihm auf diese Weise die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes überhaupt erst zu ermöglichen.

Wann ein Bewerbungsverfahrensanspruch konkret verwirkt sei, hänge daher von den Umständen des Einzelfalls ab. Es müssten besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen ließen. Der bloße Ablauf einer Frist von zwei Wochen genüge grundsätzlich nicht dafür, dass diese „besonderen Umstände“ anzunehmen seien und damit auch von einer Verwirkung ausgegangen werden könne. Aus dem Verstreichenlassen der 2-Wochen-Frist könne regelmäßig jedenfalls dann keine Verwirkung abgeleitet werden, wenn der unterlegene Bewerber auf diese Frist nicht hingewiesen worden sei und er diese auch nicht sonst kennen musste.

Landesarbeitsgericht Hamm entschied, dass Konsumtion in NRW rechtmäßig sind

Geklagt hatte ein Hochschullehrer, der aufgrund eines privatrechtlichen Anstellungsverhältnisses (Dienstvereinbarung) seit 2007 an einer Hochschule beschäftigt ist. In diesem Vertrag wurde auf die beamtenrechtliche Besoldungsregelungen Bezug genommen. Nach in Krafttreten des Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen wurden ihm die „Leistungsbezüge“ entsprechend um 45 Prozent gekürzt.

In dem Fall ging es um zwei konkrete Fragen. Einerseits war zu entscheiden, ob es sich bei der Vertragsklausel um eine dynamische Vertragsverweisung handelt, das heißt, ob sich der Vertrag aus dem Jahr 2007 sich nur auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden beamtenrechtlichen Grundsätze bezieht oder ob darin auch ein Verweis die jeweils aktuell geltenden Bestimmungen des Beamtenrechts – hier der Konsumtionsregelungen –  zu sehen ist. Andererseits ging es auch um die Rechtmäßigkeit der Konsumtionsregelungen an sich.

Zu der ersten Frage hat das Gericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass bei dem angestellten Hochschullehrer auch das Dienstrechtsanpassungsgesetz Anwendung finde, da die in der Dienstvereinbarung getroffene Vergütungsregelung eine dynamische Verweisung auf die jeweils, also  aktuell geltenden Bestimmungen des Beamtenrechts beinhalte. Somit müssten die gesetzlichen Anrechnungsregelungen in dem konkreten Fall angewendet werden.

Was die Konsumtionsregelungen selbst angehe, die der nordrhein-westfälische Gesetzgeber im Zuge der außerplanmäßigen Besoldungserhöhungen eingeführt hat, so seien diese rechtmäßig. Damit bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamm die vorhergehende Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster und zugleich die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Der Landesgesetzgeber habe den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genüge getan, als er die Grundgehälter der W2-Besolundg anhob und die dauerhaft als Besoldungsbestandteile gewährten Zulagen aber teilweise anrechnete. Der Gesetzgeber habe die Absicht gehabt, Ungleichbehandlungen bereits beschäftigter und erst später zu berufender Professorinnen und Professoren zu vermeiden, die angesichts des beschränkten Volumens der zur Verfügung stehenden Mittel mit geringeren Leistungszulagen rechnen müssten. Dies stehe im gesetzgeberischen Ermessen und sei weder unbillig noch gleichheitswidrig.  Außerdem komme dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum zu, sowohl hinsichtlich Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung. Dem entspreche eine zurückhaltende Kontrolle der Gerichte, beschränkt auf evidente Sachwidrigkeit. Denn ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat, sei nicht Aufgabe der Gerichte. Das Argument des Klägers, die Leistungsbezüge hätten u. a. dazu gedient, einen Ausgleich der Netto-Differenz zu einem vergleichbaren Beamten herzustellen, überzeugte das LAG nicht.

Darüber hinaus sei durch die prozentuale Anrechnung gewährleistet, dass alle Betroffenen gleichmäßig beteiligt sind. Durch den nicht anrechenbaren Sockelbetrag verbleibe die leistungsbezogene Komponente, wenn auch in geringerer Form. Die Gleichbehandlung mit noch zu ernennenden Hochschullehrinnen und Hochschullehrer sei darin zu sehen, dass bei einer bloßen Anhebung des Grundentgeltes ohne Anrechnung für diese mit deutlich geringeren Leistungszulagen zu rechnen wäre, als sie bereits beschäftige Hochschullehrinnen und Hochschullehrer erhalten.

Entscheidung zur Anrechnung von Leistungsbezügen in der W-Besoldung, Verwaltungsgericht Gießen Juli 2015

Nachdem das Bundesverfassungsgericht vor gut dreieinhalb Jahren die Grundgehälter der W-Besoldung als nicht amtsangemessen eingeordnet und damit ihre Verfassungswidrigkeit feststellt hatte, reagierten die Landesgesetzgeber mit Grundgehaltserhöhungen und bekanntermaßen zugleich mit mehr oder minder weitreichenden Anrechnungen bereits gewährter Leistungsbezüge auf die Erhöhungsbeträge.

Der hlb unterstützt zahlreiche Klageverfahren gegen diese Anrechnung - umso spannender sind nun die ersten Ergebnisse einer gerichtlichen Überprüfung in den einzelnen Bundesländern.

Nach dem Verwaltungsgericht Trier (Urteil vom 9. September 2014, Az. 1 K 711/14.TR) und dem Verwaltungsgericht Würzburg (Urteil vom 3. Februar 2015, Az. W 1 K 14.211) hat nun auch das Verwaltungsgericht Gießen mit Urteil vom 22. Juli 2015 (Az. 5 K 1802/13.GI, Entscheidung noch nicht veröffentlicht) über einen (Teil-)Konsumtionsfall entschieden. Dem Urteil kommt insofern besondere Bedeutung zu als dieselbe Kammer dem Bundesverfassungsgericht die Klage gegen die Höhe des Grundgehalts der W2 - Besoldung zur Entscheidung vorgelegt hatte. Die 5. Kammer des Gerichts hielt nun die Anrechnung in dem von ihm entschiedenen Fall für rechtmäßig. Die Klägerin wandte sich erstens gegen das von ihr als noch zu niedrig erachtete neue Grundgehalt der Besoldungsgruppe W2 und zweitens gegen die Anrechnung der bereits zugestandenen Leistungsbezüge.

Was die Festsetzung des neuen Grundgehalts der Besoldungsgruppe W2 angeht, durfte sich der hessische Gesetzgeber nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Gießen bei der Festsetzung des Grundgehalts der Besoldungsgruppe W2 an der Besoldungsgruppe A15 orientieren, weil schon das Bundesverfassungsgericht die Besoldungsgruppe A15 als am ehesten mit der Gruppe W2 vergleichbar ansah.

Hinsichtlich der Anrechnung (Konsumtion) entschied das Gericht, dass für die gesetzliche Anrechnungsregelung - und damit den Eingriff in Berufungs- und Bleibevereinbarungen - ein sachlicher Grund bestehe. Denn der Gesetzgeber stand, so das Gericht, nach dem Urteil aus Karlsruhe vor dem Problem, dass vor dem Jahr 2013 vergleichsweise hohe Leistungszulagen gewährt werden konnten, weil diese auch das niedrige Grundgehalt ausgleichen sollten. Bei einer nunmehr dazukommenden Erhöhung des Grundgehalts ohne Anrechnung auf die Leistungszulage hätten Professoren daher doppelt profitiert: Einmal durch die vor 2013 gewährte, relativ hohe Leistungszulage und einmal durch das ab 2013 erhöhte Grundgehalt.

Dieser Grund überwiege die Interessen der von der Anrechnung betroffenen Professoren deutlich. Denn es werde zwar in Rechtspositionen eingegriffen, aber allein darin sei noch kein Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen das Leistungsprinzip und gegen die Eigentumsgarantie, zu sehen, weil es sich lediglich um eine teilweise Anrechnung handele. Die Eigentumsgarantie gewähre auch keinen absoluten Schutz vor Eingriffen in die gewährten Leistungszulagen. Was das Leistungsprinzip angehe, so werde gerade mit der teilweisen Anrechnung erreicht, dass im Hinblick auf die Höhe der jeweiligen Leistungsbezüge die „Rangfolge“ zwischen den Amtsinhabern gewahrt bleibe.

Schließlich hätte es, so das Gericht, den Gesetzgeber vor unüberbrückbare Schwierigkeiten gestellt, alle Einzelfälle einer Regelung zuzuführen, er müsse daher bei seiner Tätigkeit generalisieren und pauschalisieren dürfen.

Fazit

Es stellt zwar sicherlich ein besonderes Paradoxon dar, dass eben jene Richter der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen, die 2011 das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erst ins Rollen brachten (vgl. den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Gießen, 7. Oktober 2010, Az. 5 E 248/07), nun den Weg des (hessischen) Landesgesetzgebers, der mit Anrechnungen vorhandener Leistungsbezüge die Grundgehaltserhöhung unter dem Strich – und nur darauf kann es letztlich ankommen – ein gutes Stück zunichtemacht, für rechtens erachten.

Dennoch: Die Entscheidung ist auf der anderen Seite zutreffend einzuordnen und es gilt nun, diese  in seiner Bedeutung maßgerecht zu bewerten. Zu beachten ist nämlich, dass das Verfahren „lediglich“ den Fall einer Teil-Konsumtion zum Gegenstand hatte, nicht jedoch den Fall der weitergehenden oder gar vollständigen Konsumtion. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass es den Richtern bei einem solchen Fall mit dem Hinweis, dass die Leistungszulage konkret zu einem guten Stück unangetastet bleibt, leicht fallen dürfte, die Klage abzuweisen.

Anders wird dies in den Verfahren sein, in denen es um eine weitergehende oder sogar um eine vollständige Konsumtion geht. Diese wurden bislang noch nicht entschieden. Zudem sind weder das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen, noch die zwei anderen genannten Entscheidungen rechtskräftig. Auch in diesem aktuellen Verfahren hat das Verwaltungsgericht Gießen die Berufung zugelassen. Es bleibt somit zu konstatieren: Es besteht weiterhin die berechtigte Hoffnung, dass die Rechtsprechung mithelfen wird, die missglückte W-Besoldungsreform am Ende doch noch akzeptabel zu gestalten.

Entscheidung zur Anrechnung von Leistungsbezügen in der W-Besoldung, Verwaltungsgericht Gießen 2015

Nachdem das Bundesverfassungsgericht vor gut dreieinhalb Jahren die Grundgehälter der W-Besoldung als nicht amtsangemessen eingeordnet und damit ihre Verfassungswidrigkeit feststellt hatte, reagierten die Landesgesetzgeber mit Grundgehaltserhöhungen und bekanntermaßen zugleich mit mehr oder minder weitreichenden Anrechnungen bereits gewährter Leistungsbezüge auf die Erhöhungsbeträge.

Der hlb unterstützt zahlreiche Klageverfahren gegen diese Anrechnung - umso spannender sind nun die ersten Ergebnisse einer gerichtlichen Überprüfung in den einzelnen Bundesländern. Nach dem Verwaltungsgericht Trier (Urteil vom 9. September 2014, Az. 1 K 711/14.TR) und dem Verwaltungsgericht Würzburg (Urteil vom 3. Februar 2015, Az. W 1 K 14.211) hat nun auch das Verwaltungsgericht Gießen mit Urteil vom 22. Juli 2015 (Az. 5 K 1802/13.GI, Entscheidung noch nicht veröffentlicht) über einen (Teil-)Konsumtionsfall entschieden. Dem Urteil kommt insofern besondere Bedeutung zu als dieselbe Kammer dem Bundesverfassungsgericht die Klage gegen die Höhe des Grundgehalts der W2 - Besoldung zur Entscheidung vorgelegt hatte. Die 5. Kammer des Gerichts hielt nun die Anrechnung in dem von ihm entschiedenen Fall für rechtmäßig. Die Klägerin wandte sich erstens gegen das von ihr als noch zu niedrig erachtete neue Grundgehalt der Besoldungsgruppe W2 und zweitens gegen die Anrechnung der bereits zugestandenen Leistungsbezüge.

Was die Festsetzung des neuen Grundgehalts der Besoldungsgruppe W2 angeht, durfte sich der hessische Gesetzgeber nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Gießen bei der Festsetzung des Grundgehalts der Besoldungsgruppe W2 an der Besoldungsgruppe A15 orientieren, weil schon das Bundesverfassungsgericht die Besoldungsgruppe A15 als am ehesten mit der Gruppe W2 vergleichbar ansah.

Hinsichtlich der Anrechnung (Konsumtion) entschied das Gericht, dass für die gesetzliche Anrechnungsregelung - und damit den Eingriff in Berufungs- und Bleibevereinbarungen - ein sachlicher Grund bestehe. Denn der Gesetzgeber stand, so das Gericht, nach dem Urteil aus Karlsruhe vor dem Problem, dass vor dem Jahr 2013 vergleichsweise hohe Leistungszulagen gewährt werden konnten, weil diese auch das niedrige Grundgehalt ausgleichen sollten. Bei einer nunmehr dazukommenden Erhöhung des Grundgehalts ohne Anrechnung auf die Leistungszulage hätten Professoren daher doppelt profitiert: Einmal durch die vor 2013 gewährte, relativ hohe Leistungszulage und einmal durch das ab 2013 erhöhte Grundgehalt.

Dieser Grund überwiege die Interessen der von der Anrechnung betroffenen Professoren deutlich. Denn es werde zwar in Rechtspositionen eingegriffen, aber allein darin sei noch kein Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen das Leistungsprinzip und gegen die Eigentumsgarantie, zu sehen, weil es sich lediglich um eine teilweise Anrechnung handele. Die Eigentumsgarantie gewähre auch keinen absoluten Schutz vor Eingriffen in die gewährten Leistungszulagen. Was das Leistungsprinzip angehe, so werde gerade mit der teilweisen Anrechnung erreicht, dass im Hinblick auf die Höhe der jeweiligen Leistungsbezüge die „Rangfolge“ zwischen den Amtsinhabern gewahrt bleibe.

Schließlich hätte es, so das Gericht, den Gesetzgeber vor unüberbrückbare Schwierigkeiten gestellt, alle Einzelfälle einer Regelung zuzuführen, er müsse daher bei seiner Tätigkeit generalisieren und pauschalisieren dürfen.

Fazit

Es stellt zwar sicherlich ein besonderes Paradoxon dar, dass eben jene Richter der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen, die 2011 das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erst ins Rollen brachten (vgl. den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Gießen, 7. Oktober 2010, Az. 5 E 248/07), nun den Weg des (hessischen) Landesgesetzgebers, der mit Anrechnungen vorhandener Leistungsbezüge die Grundgehaltserhöhung unter dem Strich – und nur darauf kann es letztlich ankommen – ein gutes Stück zunichtemacht, für rechtens erachten.

Dennoch: Die Entscheidung ist auf der anderen Seite zutreffend einzuordnen und es gilt nun, diese  in seiner Bedeutung maßgerecht zu bewerten. Zu beachten ist nämlich, dass das Verfahren „lediglich“ den Fall einer Teil-Konsumtion zum Gegenstand hatte, nicht jedoch den Fall der weitergehenden oder gar vollständigen Konsumtion. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass es den Richtern bei einem solchen Fall mit dem Hinweis, dass die Leistungszulage konkret zu einem guten Stück unangetastet bleibt, leicht fallen dürfte, die Klage abzuweisen.

Anders wird dies in den Verfahren sein, in denen es um eine weitergehende oder sogar um eine vollständige Konsumtion geht. Diese wurden bislang noch nicht entschieden. Zudem sind weder das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen, noch die zwei anderen genannten Entscheidungen rechtskräftig. Auch in diesem aktuellen Verfahren hat das Verwaltungsgericht Gießen die Berufung zugelassen. Es bleibt somit zu konstatieren: Es besteht weiterhin die berechtigte Hoffnung, dass die Rechtsprechung mithelfen wird, die missglückte W-Besoldungsreform am Ende doch noch akzeptabel zu gestalten.

Unfall bei „spontanem“ Ausflug auf einer Exkursion als Dienstunfall anerkannt, Verwaltungsgerichtshof München 2015

In dem von dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) München entschiedenen Fall (BayVGH, Urteil vom 24. April 2015, Az. 3 B 14.1141, juris), der auch in den Medien mit Interesse verfolgt wurde, führte ein Hochschullehrer für Geschichte, Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte im Rahmen einer Exkursion mit Studierenden, u. a. Besuch einer Automanufaktur, einen unter seiner Leitung nachgebauten Oldtimer desjenigen Technologiekonzerns, bei dem er nebentätig war, vor. Nicht als Programmpunkt bei der Exkursion vorgesehen war die anschließende Fahrt mit dem Oldtimern. Er ließ dabei fünf Personen mitfahren, eine Person mehr, als vom TÜV für den Oldtimer vorgeschrieben. Bei der Fahrt kam er auf einer abschüssigen Straße von der Fahrbahn ab und prallte gegen eine Böschung. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu.

Die Witwe forderte die Anerkennung als Dienstunfall und die Feststellung, dass das Land Bayern daher zur Gewährung beamtenrechtlicher Fürsorgeleistungen (Unfallsterbegeld und Unfallhinterbliebenenversorgung) verpflichtet sei.

Verfahrensgang

Es ging in erster Linie um die Abgrenzung, wann der Hochschullehrer im Rahmen der damaligen Exkursion im Dienste der Hochschule handelte und wann im Rahmen seiner Nebentätigkeit. Nach den beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen stellt ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis dar, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehört danach auch die „Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen“.

Das Verwaltungsgericht (VG) Regensburg hatte noch die Anerkennung als Dienstunfall verweigert. Der VGH München entschied dagegen, dass hier ein Dienstunfall vorgelegen habe.

Entscheidung des VGH München

Die Witwe argumentierte, dass ein dienstlicher Zusammenhang bestanden habe, weil die Fahrt mit dem Oldtimer, obwohl nicht als Programmpunkt vorgesehen, dennoch Teil der Exkursion gewesen sei; die Vorstellung des Oldtimers habe dazu gedient, den Studierenden ein praktisches Beispiel für „History Marketing“ zu präsentieren. Das Land Bayern wiederum argumentierte, dass die Fahrt mit dem Oldtimer ausschließlich in Zusammenhang für die bei dem Unternehmen ausgeübte Nebentätigkeit gestanden habe.

Das Gericht stellte zunächst darauf ab, dass Dienstunfallschutz grundsätzlich voraussetze, dass die Veranstaltung ihre entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre erhalte. Die Veranstaltung müsse formell und materiell dienstbezogen sein.

Formelle Dienstbezogenheit

Formell müsse die Veranstaltung jedenfalls mittelbar von der Autorität eines Dienstvorgesetzten getragen werden und damit in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen sein. Zwar habe sich die Fahrt hier nicht aus dem Programm der Exkursion ergeben. Es sei jedoch, so das Gericht, trotzdem von einer formellen Einbeziehung auch der Fahrt in den Dienstbereich des Klägers auszugehen. Denn ein vorab erstelltes Programm könne in der Regel nicht abschließend alle Aktivitäten der Exkursion wiedergeben; außerdem entspreche die Probefahrt dem üblichen Charakter einer Exkursion mit der gewünschten Vermittlung von Praxisbezügen. Dies habe der Kanzler der Hochschule bestätigt.

Materielle Dienstbezogenheit

Materiell komme es vor allem darauf an, dass die Veranstaltung dienstlichen Interessen diene. Denn grundsätzlich dürften der Allgemeinheit nur Risiken in Gestalt von Unfallfürsorgeleistungen aufgebürdet werden, die mit dem Dienstauftrag in sachlichem Zusammenhang stünden.

Die Durchführung von Exkursionen gehöre indes grundsätzlich zu den Dienstaufgaben eines Hochschullehrers. Dies gelte hier auch konkret für die Fahrt mit dem Oldtimer, die in einem Zusammenhang zu den Dienstaufgaben des Verstorbenen als Professor für Geschichte, Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte gestanden habe. Unerheblich sei dabei, dass die Fahrt nur stattfinden konnte, weil er aufgrund seiner Nebentätigkeit bei dem Technologiekonzern berechtigt war, dieses Fahrzeug zu führen. Die Nebentätigkeit, so das Gericht, ermöglichte zwar erst die Aufnahme dieses Programmpunktes; diese führe aber nicht dazu, dass der Hochschullehrer bei diesem Programmpunkt für das Unternehmen gehandelt habe.

Kein Ausschluss durch selbst geschaffene Gefahr

Schließlich scheide, so das Gericht, die Dienstbezogenheit auch nicht durch eine selbst geschaffene Gefahr aus. Diese Gefahr resultierte daraus, dass der Verstorbene fünf Personen in den Oldtimer aufnahm statt der durch den TÜV nur zugelassenen vier Personen. Im Rahmen der Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung sei der Gedanke niedergelegt, dass verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht (zwingend) ausschließe. Dieser Grundsatz gelte auch im Beamtenrecht. Die Dienstbezogenheit, so das Gericht, müsse nur bei einem völlig sinn- und vernunftwidrigen Verhalten in Zweifel gezogen werden. Dies sei hier bei Weitem nicht erreicht.

Damit sei hier die Dienstbezogenheit gegeben – die Witwe habe damit einen Anspruch auf Gewährung der beamtenrechtlichen Fürsorgeleistungen.

Kein finanzieller Ausgleichsanspruch eines Beamten wegen Mehrarbeit, Verwaltungsgericht Düsseldorf 2015

Zum Thema „Mehrarbeit von Beamten“ hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf 2015 entschieden, dass kein finanzieller Ausgleichsanspruch und auch kein Schadenersatzanspruch eines Beamten wegen Mehrarbeit bestehen. Da zahlreiche Parallelen zu der Problematik der „Mehrlehre“ bei Professorinnen und Professoren und den Lehrverpflichtungsverordnungen der Bundesländer bestehen, soll dieses Urteil – gerade wegen seiner Aussagen zu einem möglichen Schadenersatzanspruch – in den Zusammenhang zu der konkreten Lage bei den Lehrenden an Hochschulen gesetzt werden.

Zugrundeliegender Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall forderte der Kläger – ein Studienrat –, ihm die „vom Studienseminar zur späteren Verrechnung an die Schule gemeldeten Freistellungsstunden als Mehrstunden zu vergüten“, da es sich um Zeiten gehandelt habe, die er für zusätzliche Seminare, für  Ausbildungsarbeit der Referendare sowie für die Betreuung und Korrektur von Examensarbeiten aufgewendet habe. Bei diesen Stunden handele es sich um Semesterwochenstunden, die daher entsprechend zu multiplizieren wären. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies nun seine Klage auf (finanziellen) Ausgleich wegen Mehrarbeit ab (VG Düsseldorf, Urteil vom 13. März 2015, Az. 2 K 7605/13).

Anordnung der Mehrarbeit notwendig

Nach Ansicht des VG Düsseldorf lasse sich der geltend gemachte Anspruch insbesondere nicht aus der entsprechenden Regelung des Beamtenrechts herleiten (dem Fall lag § 61 Absatz 1 Seite 2 Landesbeamtengesetz NRW zugrunde). Dort heißt es: „Wird er [der Beamte] durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, so ist ihm innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (…). “ In diesem Punkt ähnelt die zitierte Regelung derjenigen Regelung, die sich auch in den Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder zu den Lehrverpflichtungen der Professorinnen und Professoren findet.

Das VG Düsseldorf entschied, dass es im konkreten Fall bereits an der erforderlichen dienstlichen Anordnung von Mehrarbeit fehle und unterstrich damit einmal mehr die Bedeutung der Anordnung und ihres Nachweises für den Beamten. Der Dienstherr entscheide über die Anordnung von Mehrarbeit durch Verwaltungsakt. Dabei habe er, so das Gericht, zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich sei und welchem Beamten sie übertragen werden solle. Die Entscheidung müsse also gerade auf die Anordnung von Mehrarbeit abzielen. Eine solche Entscheidung des Landes lag in dem konkreten Fall nach Ansicht des Gerichts indes nicht vor.

Kein Schadenersatz

Auch als Schadenersatz stünde dem Kläger die finanzielle Abgeltung nicht zu, da er nach Ansicht des VG Düsseldorf keinen materiellen Schaden erlitten habe. Die Mehrarbeit eines Beamten stelle keinen Schaden im Sinne des allgemeinen Schadensersatzrechts dar. Denn für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche sei der Schadensbegriff maßgebend, der den §§ 249 ff. BGB zugrunde liege, wonach Geldersatz nur bei einem Vermögensschaden, nicht aber bei einem immateriellen Schaden – wie etwa den Verlust von Zeit – zu leisten sei.

Anspruch aus „Treu und Glauben“

Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich kein finanzieller Ausgleichsanspruch. Ein solcher Billigkeitsanspruch setze voraus, dass der Beamte rechtswidrig zu viel gearbeitet habe. Hinzutreten müssten Billigkeitsgesichtspunkte, die einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Beteiligten im Einzelfall gewährleisten sollen. Dementsprechend hätte die Vorenthaltung eines Ausgleichs für die geleistete Zuvielarbeit angesichts der Gesamtumstände grob unbillig und für den Beamten nicht zumutbar gewesen sein müssen, so das VG Düsseldorf. Dies sei aber konkret nicht der Fall gewesen.

Dafür jedenfalls zeitnahe Geltendmachung notwendig

Denn der geltend gemachte Billigkeitsanspruch scheitere im Streitfall bereits daran, dass der Kläger die Mehrarbeit nicht zeitnah vor deren Erbringung geltend gemacht habe. Ein auf Treu und Glauben gestützter Ausgleichsanspruch komme aber nur für rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden sei.

Dies folge aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtwidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr habe ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, vorrangig durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spreche für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig sei es dem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Verhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen seien. Ohne einen derartigen Antrag müsse der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde Überschreitungen des Pflichtstundendeputats auch beanstanden.

Fazit

Wenn auch Unterschiede bestehen, so sind Parallelen zwischen der Mehrarbeit eines Laufbahnbeamten auf der einen und der Mehrlehre eines Hochschullehrenden auf der anderen Seite unübersehbar, etwa, was die Bedeutung der Anordnung von Mehrarbeit bzw. Mehrlehre angeht. Interessant sind vor allem der vom VG Düsseldorf diskutierte Schadenersatzanspruch und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich abgeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dies insbesondere, weil bislang keine nennenswerte Rechtsprechung zu dem Thema „Mehrlehre“ bei Professorinnen und Professoren existiert. Die Grundsätze, die das VG Düsseldorf bei den Laufbahnbeamten anwendet, dürften daher entsprechend auch bei den Professorinnen und Professoren zur Anwendung kommen.

Ob eine Übertragung in Bezug auf den nach dem VG Düsseldorf grundsätzlich bestehenden Anspruch auf finanziellen Ausgleich, abgeleitet aus Treu und Glauben, auf die Situation bei den Professorinnen und Professoren erfolgen kann, ist allerdings zu bezweifeln. Denn einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Laufbahnbeamten und Lehrenden an Hochschulen besteht darin, dass in den Landesbeamtengesetzen für Laufbahnbeamten ein finanzieller Ausgleich – wenn auch nur in Ausnahmefällen – vorgesehen ist (in dem zugrundeliegenden Fall: § 61 Absatz 2 LBG NRW). Dies stellt einen gravierenden Unterschied zu den Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder dar, die  anerkanntermaßen lediglich einen zeitlichen Ausgleich zum Inhalt haben und gerade nicht auf einen finanziellen Ausgleich abzielen. Den damit zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers wird man zu respektieren haben.

hlb-Spotlight „Mehrlehre“ bei Professorinnen und Professoren

Das besprochene Urteil ist nur analog auf die Situation bei unseren Mitgliedern zu übertragen – dennoch gibt es zahlreiche Parallelen zu der Situation bei den Professorinnen und Professoren. Der hlb nimmt dies zum Anlass, wesentliche Aspekte zu diesem Thema zur Information seiner Mitglieder an dieser Stelle prägnant zusammenzufassen:

Freiwillige Mehrarbeit oder Mehrlehre

Bei dem Thema Mehrlehre ist regelmäßig zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um „freiwillige Mehrarbeit“ oder „Mehrlehre im eigentlichen Sinne“ handelt.

Anordnung der Mehrlehre

Der Unterschied zwischen freiwilliger Mehrarbeit und Mehrlehre an sich liegt darin, dass im letzteren Fall eine Anordnung vorliegt. Für die Geltendmachung eines Ausgleichs müssen zusätzliche Lehrveranstaltungsstunden also angeordnet worden sein – ansonsten liegt ein Fall freiwilliger Mehrarbeit vor. Professorinnen und Professoren haben stets die Freiheit, zusätzliche Lehrveranstaltungen anzubieten, jedoch nur im Fall der Anordnung liegt ein Fall der Mehrlehre vor. Der Fachbereichsleiter müsste daher in dem konkreten Fall geprüft haben, ob unter dem Gesichtspunkt dienstlicher Notwendigkeit überhaupt die Ableistung zusätzlicher Lehrveranstaltungsstunden erforderlich ist und welchem Lehrenden sie übertragen werden soll. Dieser Vorgang muss dokumentiert sein, zumindest aber die Anordnung der zusätzlichen Stunden. Unsere Empfehlung: Bestenfalls sollte in diesem Zusammenhang auch direkt festgelegt werden, wann der Ausgleich erfolgen soll, damit insofern keine Unklarheiten zu Lasten des Lehrenden entstehen können.

Zeitlicher Ausgleich

Erst dann, wenn feststeht, dass es sich tatsächlich um Mehrlehre im eigentlichen Sinne handelt, kommt ein Ausgleich in Betracht. Einen solchen – rein zeitlichen – Ausgleich sehen die Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder vor. Oft sind Unterschreitungen insgesamt nur bis zur Hälfte und Überschreitungen nur bis zum Doppelten der individuellen Lehrverpflichtung zulässig. Der Ausgleich ist zudem oftmals innerhalb einer gewissen Zeit herbeizuführen,  so etwa in NRW grundsätzlich innerhalb der folgenden drei Studienjahre. Auf einem anderen Blatt steht selbstverständlich, inwieweit ein Ausgleich von Mehrlehre im Alltag an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen tatsächlich möglich ist – daher auch unsere Empfehlung, den Ausgleich direkt zusammen mit der Anordnung festzulegen, falls möglich.

In NRW ist es darüber hinaus zu Fällen gekommen, dass (auch rückwirkend) die Deputatskonten auf null gesetzt wurden, wobei die Einführung der Lehrverpflichtungsverordnung 2009 als Aufhänger genommen wurde. Das Ministerium hat uns gegenüber vor kurzem schriftlich bestätigt, dass aus seiner Sicht für den Ausgleich – welcher Art auch immer – von Überschreitungen vor 2009 keine rechtliche Grundlage existiere. Die am 15.08.2009 in Kraft getretene und grundlegend novellierte Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen sehe erstmalig die Festlegung sogenannter Deputatskonten für die Erfüllung der individuellen Lehrverpflichtung vor. In dem Einführungsschreiben zur Lehrverpflichtungsverordnung des Ministeriums werde zu den Deputatskonten ausdrücklich der Hinweis gegeben, dass den Lehrenden künftig ermöglicht werde, ihre Lehrverpflichtung auch dadurch zu erfüllen, dass sie ihre individuelle Lehrverpflichtung vorübergehend unter- oder überschreiten und zu einem späteren Zeitpunkt einen Ausgleich herbeiführen. Daher gebe es für einen Ausgleich von Überschreitungen vor 2009 keine rechtliche Grundlage.

Fraglich bleibt aber, inwieweit eine rückwirkendes Eingreifen, etwa im Jahr 2015, in den Kontenstand des Jahres 2009 mit Blick auf dieses Einführungsschreiben des Ministeriums rechtlich zu billigen ist.

VG Düsseldorf jetzt: Kein Schadenersatzanspruch und kein Anspruch aus Treu und Glauben, wenn nicht rechtzeitig geltend gemacht

Ein finanzieller Ausgleich von Mehrlehre kommt regelmäßig nicht in Betracht, weil ein Ausgleich in den Lehrverpflichtungsverordnungen nur in zeitlicher Hinsicht vorgesehen ist. Ein finanzieller Ausgleich würde etwa einen Lehrauftrag voraussetzen – es liegt aber in der Natur der Sache, dass ein Lehrauftrag an der eigenen Hochschule von vornherein ausscheiden wird. Nun hat das VG Düsseldorf entschieden, dass auch ein Schadenersatzanspruch nicht in Betracht komme. Die vom VG Düsseldorf statuierten Grundsätze (siehe oben) werden auch für unsere Mitglieder Anwendung finden müssen, weil die Erwägungen des VG Düsseldorf zum Schadenersatzrecht grundsätzlicher Natur sind. Zu diskutieren bleibt ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich aus Treu und Glauben. Fest steht nunmehr, dass dieser Anspruch jedenfalls in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den „Mehr-Stunden“ geltend gemacht werden müsste. Ob eine Übertragung einer solchen Anspruchsmöglichkeit überhaupt auf die Professorinnen und Professoren möglich ist, ist nicht eindeutig und wird in der Tendenz eher abzulehnen sein (siehe auch: „Fazit“).

Was können Sie tun?

Die Probleme im Bereich der Mehrlehre sind vielfältig und die Geltendmachung von Rechten mehr als alles andere einzelfallabhängig. Allgemeine Aussagen über Rechtsschutzmöglichkeiten erübrigen sich daher. An dieser Stelle bleibt allein der allgemeine Hinweis auf die Möglichkeit von Widerspruch und Klage. Die Experten unserer Bundesgeschäftsstelle beraten Sie gern hierzu.

Einstellungsvoraussetzungen für eine Professur (im Land Sachsen-Anhalt), 1. Juli 2014

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat zum Thema Berufung zum Professor bzw. zur Professorin und zum Nachweis besonderer Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in beruflicher Praxis außerhalb des Hochschulbereiches wie folgt entschieden (Leitsätze):

  1. Die Regelung § 35 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) des Hochschulgesetzes Sachsen-Anhalt (HSG LSA), wonach als Professor berufen werden kann, wer mindestens je nach Anforderungen der Stelle besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mehrjährigen beruflichen Praxis nachweist, von der mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereiches ausgeübt werden müssen, entspricht der bis zum 30. Dezember 2004 geltenden Bestimmung des § 44 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) HRG und stellt eine neben den allgemeinen beamtenrechtlichen Ernennungsvoraussetzen spezifische Berufungsvoraussetzung für Professoren dar.

  2. Die nach § 35 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) HSG LSA zu erbringenden besonderen Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer beruflichen Praxis außerhalb des Hochschulbereiches setzen eine Tätigkeit im Umfang von wenigstens der Hälfte einer hauptberuflichen Berufsausübungspraxis voraus, wenn die in § 35 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) HSG LSA geregelte Mindestzeit von drei Jahren bereits für eine Ernennung ausreichen soll. Unterschreitet der zeitliche Umfang der beruflichen Praxis diese Anforderungen, hat dies zur Folge, dass eine Berufung als Professor nur dann erfolgen darf, wenn über die drei Jahre hinaus zusätzliche Zeiten außerhalb des Hochschulbereiches ausgeübt wurden, in denen besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer beruflichen Praxis erbracht wurden.

  3. Es ist dabei wegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Sache der berufenden Hochschule, nicht nur die Besonderheit der Leistungen, sondern zudem den zusätzlichen erforderlichen Umfang der vorbezeichneten beruflichen Praxis zu bestimmen und in seinen Auswahlerwägungen schriftlich zu fixieren. 
     

Das Gericht argumentierte insbesondere hinsichtlich des zweiten Leitsatzes wie folgt: Die zu erbringenden besonderen Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer beruflichen Praxis außerhalb des Hochschulbereiches setzten nach der gesetzlichen Grundlage eine Tätigkeit im Umfang von wenigstens der Hälfte einer hauptberuflichen Berufsausübungspraxis voraus. Unterschreite, wie im konkreten Fall, der zeitliche Umfang der beruflichen Praxis diese Anforderungen, habe dies zur Folge, dass nach Ansicht des Gerichts eine Berufung als Professor nur dann erfolgen darf, wenn über die drei Jahre hinaus zusätzliche Zeiten außerhalb des Hochschulbereiches ausgeübt wurden, in denen besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer beruflichen Praxis erbracht wurden. Es sei dabei, so das Gericht, wegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Sache der berufenden Hochschule, nicht nur die Besonderheit der Leistungen, sondern zudem den zusätzlichen erforderlichen Umfang der vorbezeichneten beruflichen Praxis zu bestimmen und in seinen Auswahlerwägungen schriftlich zu fixieren.