Ruf, Rufschreiben und Rufannahme

I. Der Ruf und die Rechtsnatur des Rufs

Die Rechtsnatur des Rufs ist umstritten, teilweise wird der Ruf als bindender Verwaltungsakt qualifiziert (Epping, WissR 1995, 211, 215 und Detmer, WissR 1997, 193, 213 ff.), während die Rechtsprechung, insbesondere das Bundesverwaltungsgericht, das Rufangebot als bloße „Absichtserklärung“ und als „unselbstständigen Zwischenschritt im Stellenbesetzungsverfahren“ einordnet.

1. Bedeutung der Einordnung

Die rechtliche Qualifizierung des Rufs ist indes nicht nur theoretischer Natur, sondern von praktischer Bedeutung. Die Einordnung kann vor allem relevant werden, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber einen Ruf (ohne Vorbehalt) angenommen hat, kann also dafür relevant sein, inwieweit überhaupt noch verhandelt werden kann. Außerdem hängt von der Einordnung ab, ob das Berufungsverfahren nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) abgebrochen werden kann (vgl. Detmer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, Kap. 4 Rn. 101 f.). Wird also dem Ruf keine Verwaltungsaktqualität zugemessen, so kann das Berufungsverfahren aus jedem Grund, der in den weiten Rahmen der Organisationskompetenz der Hochschulleitung fällt, abgebrochen werden (Detmer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, Kap. 4 Rn. 102; vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 29.4.2015, Az. 7 CE 15.54, juris).

2. Ruf als bindender Verwaltungsakt?

In der hochschulrechtlichen Literatur wird hinsichtlich der Rechtsnatur des Rufschreibens wie erwähnt die Auffassung vertreten, dass es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG handelt. Es entfalte zudem Rechtsverbindlichkeit, da durch die Ruferteilung das Auswahlverfahren beendet werde (Epping, WissR 1995, 211, 215 und Detmer, WissR 1997, 193, 213 ff.).

3. Ruf als „invitatio ad offerendum“

In der Rechtsprechung wird hingegen die Auffassung vertreten, dass aus dem Rufschreiben keine gesicherte Rechtsstellung und kein Anwartschaftsrecht erwachsen. Dem Ruf kommt danach insbesondere keine Verwaltungsaktqualität zu. Es handele sich vielmehr um eine „invitatio ad offerendum“ - also die Aufforderung zur Aufnahme der Berufungsverhandlungen. Gleichermaßen liege eine Absichtserklärung der Hochschule vor, ein Beamten- oder Angestelltenverhältnis für die betreffende Professur mit dem Rufadressaten oder der Rufadressatin nach Abschluss der Berufungsverhandlungen zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht bezeichnet den Ruf als unselbstständige Vorbereitungshandlung mit verfahrensrechtlichem Charakter (BVerwG, Urt. v. 19.02.1998, Az. 2 C 14/97, BVerwGE 106, 187, 189).

Eine endgültige Entscheidung im Sinne eines Verwaltungsakts ergehe daher erst nach den Berufungsverhandlungen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.07.2014, Az. 6 A 815/11, DÖV 2014, 982) und werde erst mit Übertragung des Amtes ­via Übergabe der Ernennungsurkunde verbindlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.1998, Az. 2 C 14/97, BVerwGE 106, 187, 189).

4. Bewertung

Schon der zeitliche Ablauf spricht zwar für die Ansicht der Rechtsprechung - Rufschreiben, Rufannahme, Berufungsverhandlungen, Berufungsvereinbarung. Allerdings wird unserer Erfahrung nach oftmals von dieser idealtypischen zeitlichen Reihenfolge abgewichen.

Letzten Endes erscheinen daher beide Auffassungen zu statisch. Zutreffend kann somit nur eine vermittelnde Auffassung sein, die die jeweilige Formulierung des Rufs in den Mittelpunkt stellt. Ist etwa die Formulierung daraufhin ausgerichtet, dass das Rufschreiben verbindlichen Charakter haben soll und ist dies auch für den Adressaten erkennbar, dürfte von einer Verbindlichkeit des Rufs auszugehen sein. Wird dagegen etwa auf noch folgende Berufungsverhandlungen Bezug genommen, dürfte ein verbindlicher Charakter eher abzulehnen sein, vgl. dazu sogleich unter Ziffer II.

II. Das Rufschreiben an sich

Nach den Probevorträgen und einem Gespräch mit der Berufungskommission wird die Berufungsliste erstellt. Eine Kandidatin oder ein Kandidat dieser Liste, in der Regel Listenplatz 1, erhält sodann ein sogenanntes „Rufschreiben“. Dieses Rufschreiben kann folgende Formulierungen enthalten, die im Folgenden mit Bedacht sehr klar in die eine oder die andere Richtung ausformuliert sind:

 „Auf Vorschlag der Fakultät X erteilt Ihnen die Hochschule X einen Ruf auf die Professur X. Bitte teilen sie mir Ihre Entscheidung, ob Sie den Ruf annehmen schriftlich bis zum (…) mit.“
oder
„Ich beabsichtige, Sie als Professor/in für das Fach X an die Hochschule X zu berufen. Bitte teilen Sie mir bis zum (…) mit, ob Sie grundsätzlich bereit sind, dem Ruf zu folgen und in Verhandlungen über die Berufung einzutreten.“

Die Formulierungen werden indes in der Praxis mit dieser Trennschärfe eher selten anzufinden sein. Deutlich wird anhand der Formulierungen, dass nur eine vermittelnde Auffassung, die sich hinsichtlich der Rechtsnatur des Rufs an dem Inhalt des jeweiligen Rufschreibens orientiert, zu bevorzugen ist: Die erstgenannte Formulierung suggeriert, dass das Rufschreiben verbindlichen Charakter haben soll, während in der zweitgenannten Formulierung hervorgeht, dass erst noch Berufungsverhandlungen folgen sollen, bis ein verbindlicher Akt folgt. Mit dieser Auffassung wird im Übrigen auch der Tatsache Rechnung getragen, dass der Ruf oftmals in einer anderen zeitlichen Reihenfolge erfolgt, als eben als Idealtypus dargestellt. Gerade dann, wenn die betreffende Hochschule den Ruf als verbindlichen Akt ansieht und angesehen haben will, kommt es vor, dass sie den Ruf erst nach den Berufungsverhandlungen erteilt, gleichsam als „Ersatz“ für eine Berufungsvereinbarung. Das ist aber kein Muss – gerade in Baden-Württemberg kommt es zu unterschiedlichen Szenarien, die einer individuellen Beratung bedürfen.

III. Die Rufannahme

Praxistipp:  Gerade dann, wenn keine eindeutige Formulierung des Rufschreibens erfolgt ist, sollte zur Sicherheit der Ruf unter Vorbehalt des Abschlusses erfolgreicher Berufungsverhandlungen angenommen werden, um sich die Möglichkeit von Verhandlungen nicht selbst zu verbauen.

Die Rufannahme selbst unterliegt keinen besonderen Formvorschriften, es sei denn, das Rufschreiben weist eine besondere Form für die Rufannahme aus (etwa: Annahme nur in Briefform). Teilweise wird auch eine Rufannahme per E-Mail akzeptiert, wobei das rechtlich Sicherste in der Rufannahme per Einschreiben Rückschein besteht. Welche Form man wählt, hängt indes vom Einzelfall ab, oftmals wird schon vor Ruferteilung von Seiten der Hochschule dazu etwas kommuniziert.

Gerne sind wir im Rahmen einer Berufungsberatung bei der Bewältigung auch dieser Herausforderungen behilflich. Inhalte einer solchen Beratung sind neben einer Erläuterung des konkreten Ablaufs des Verfahrens u. a. auch die Vorbereitung auf die Verhandlungen an sich, wenn es um die Ausstattung der Professur und um Fragen der Vergütung, der Übernahme von Umzugskosten, der möglichen Verbeamtung auf Probe, des Dienstbeginns und um alle weitere rechtliche und praktische Fragen geht.

Nähere Hinweise zur Buchung einer solchen Beratung finden Sie auf der hlb-Webseite unter www.hlb.de/ziel-professur/berufungsberatung.

Stand: 12.10.2020

 

 

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