Haftung von Hochschullehrenden
I. Allgemein zur Haftung von Hochschullehrenden
Im Rahmen von Haftungsfragen von verbeamteten Hochschullehrenden ist zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Haftung im Rahmen der Ausübung von Dienstpflichten handelt, oder ob die Haftung den Bereich der typischen Tätigkeiten außerhalb der dienstlichen Aufgaben betrifft.
Die Haftung im Rahmen typischer Tätigkeiten eines Hochschullehrers außerhalb der dienstlichen Aufgaben wird vor allem Schadenersatzansprüche aus Nebentätigkeiten betreffen („normale“ Haftung nach Vertrags- und Deliktsrecht).
Hinsichtlich der Haftung im Rahmen der Ausübung von Dienstpflichten kann man indes wie folgt unterteilen:
Beschädigung von Hochschuleinrichtungen
Schlüsselverlust
Verantwortung für den Arbeits- und Unfallschutz (siehe dazu das hlb-Infoblatt „Arbeitsschutz, Übertragung der Verantwortlichkeit für den“)
Es besteht für diese letztgenannten Fälle, bei denen es um die Haftung im Rahmen der Ausübung von Dienstpflichten geht, die Diensthaftpflichtversicherung, die der hlb für seine Mitglieder abgeschlossen hat – sowohl für die verbeamteten als auch die angestellten Mitglieder des hlb. Sie bietet insbesondere auch die Möglichkeit, gegen das Mitglied gerichtete Schadenersatzansprüche abzuwehren.
II. Haftung gegenüber dem Dienstherrn
Die Haftung der verbeamteten Hochschullehrenden – im Folgenden kurz: Beamten – für Schäden aus dem Dienst ergibt sich aus § 48 S. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). § 48 regelt die Pflicht des Beamten zum Ersatz von Schäden im Innenverhältnis zum Dienstherrn. Nach dieser Vorschrift haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Ähnliche Regelungen enthalten auch § 75 Abs. 1 S. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) und teilweise auch die Beamtengesetze der Länder.
Ein Beamter muss für Schäden aufkommen, wenn bei der Erledigung von Aufgaben des Dienstherrn dem Beamten obliegende Pflichten verletzt werden und daraus ein Schaden entsteht. Kern der Vorschrift ist der Verschuldensmaßstab: Nur Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, nicht jedoch leichte oder mittlere Fahrlässigkeit lösen die Haftung aus.
Die Voraussetzungen Schaden, Dienstpflichtverletzung und Verschulden werden im Folgenden näher dargestellt.
1. Eintritt eines Schadens
Ein Schaden entsteht dem Dienstherrn zumeist dadurch, dass Eigentum des Dienstherrn, das der Professorin oder dem Professor zur Verfügung gestellt wurde, beschädigt wird. So entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 12.08.2008, Az. 2 A 8/07, juris) für den Fall eines aus einem unbewacht abgestellten Dienstfahrzeugs entwendeten Navigationsgeräts:
„Es gehört zu den allgemeinen Dienstpflichten eines Beamten, das ihm anvertraute oder auch nur schlicht zur Verfügung gestellte dienstliche Material sorgfältig zu behandeln und vor Beschädigung und Entwendung durch den Zugriff Dritter zu schützen (…). Der Kläger hat diese Dienstpflicht verletzt, indem er das ihm anvertraute Navigationsgerät nachts in der Halterung seines Dienstfahrzeugs beließ und es so dem Zugriff Dritter aussetzte. Der Kläger hat es pflichtwidrig unterlassen, das Gerät aus seiner Halterung zu nehmen und außer Sichtweite möglicher Diebe unterzubringen. Die Dienstpflichtverletzung umfasst auch den hierbei entstandenen Schaden an der Seitenscheibe der Beifahrertür.“
2. Dienstpflichtverletzung
Sobald ein Schaden eintritt, liegt eine Dienstpflichtverletzung nahe, denn als eine Dienstpflicht der Beamten wird es angesehen, das Vermögen des Dienstherrn nicht zu schädigen (VG Köln, Urt. v. 26.09.2014, Az. 19 K 2828/13, juris). Es sind jedoch auch alle aufgabenbezogenen Pflichten maßgeblich, etwa die sich aus dem Geschäftsverteilungsplan oder Dienstplan ergebenden Pflichten, insbesondere auch zur Einhaltung von Ausschlussfristen bei der Beantragung von Fördergeldern und Drittmitteln (für eine materielle Ausschlussfrist bei der Bewilligung von Zuschüssen/Finanzierungen für Kindertageseinrichtungen VG Ansbach, Urt. v. 24.02.2015, Az. AN 1 K 12.02289, juris). Im Hochschulbereich ist der Erfolg mit einem Drittmittelantrag allerdings regelmäßig zu ungewiss, als dass hier Pflichtverletzungen nachweisbar zu einem Schaden führen könnten.
Soweit der Beamte beim Umgang mit ihm dienstlich anvertrauten Sachgütern berechtigterweise Dritte einsetzt, entfallen seine Pflichten nicht vollständig. Vielmehr wandelt sich seine Pflicht um in eine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl des Dritten sowie eine Pflicht zu deren Überwachung (für den Fall der Betankung eines Dienstfahrzeugs – versehentlich mit Benzin statt Diesel – OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.05.2013, Az. 5 LB 96/13, juris; vgl. auch VG Neustadt (Weinstraße), Urt. v. 18.03.2014, Az.1 K 602/13.NW).
3. Vorliegen des Verschuldens
Kern der haftungsrechtlichen Betrachtung ist dann regelmäßig die Frage des Verschuldens. Es gibt verschiedene Verschuldensformen. § 48 BeamtStG fordert wie erwähnt insoweit ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten.
Vorsätzlich handelt, wer bewusst und gewollt den Tatbestand verwirklicht, der eine Pflichtverletzung darstellt und sich der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst ist. Der Vorsatz muss sich dabei nur auf die Pflichtverletzung beziehen, nicht aber auf den durch sie verursachten Schaden (Burth, in: BeckOK Beamtenrecht Bund, 19. Edition Stand 01.04.2020, § 48 BeamtStG Rn. 8).
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz nahe liegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen. Der Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit ist gerechtfertigt, wenn der Beamte im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände seine Pflicht zum sorgsamen Umgang objektiv besonders schwerwiegend und auch subjektiv unentschuldbar, erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgehend verletzt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss oder wer die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt (VG Berlin, Urt. v. 11.12.2013, Az. 5 K 163.11 für den Fall einer rechtswidrig begünstigenden Indienstnahme einer Kanzlerin durch den Universitätspräsidenten).
Ob dieser Maßstab die Haftung begründet, ist dann eine Frage des Einzelfalls. Bei abhanden gekommenen oder beschädigten Sachen ist die Rechtsprechung sehr streng und lässt es regelmäßig nicht zu, dass die Beamtin oder der Beamte sich auf ein milderes Augenblicksversagen zurückzieht. Bei der Versäumung von Fristen durch Arbeitsüberlastung, Urlaub oder aus dem Geschäftsbetrieb heraus, gibt es unterschiedliche Judikate. Eine strenge Einschätzung liegt beispielsweise vom VG Ansbach vor (Urt. v. 24.02.2015, Az. AN 1 K 12.02289, juris), eine mildere Betrachtung eines Falles hingegen vom VG Köln (Urt. v. 26.09.2014, Az. 19 K 2828/13, juris).
In einem Verfahren aus dem hlb-Rechtsschutz beurteilte ein Verwaltungsgericht aus Nordrhein-Westfalen das Liegenlassen eines Dienst-Laptops bei der Rückreise von einer dienstlichen Veranstaltung mit knappen Anschlussverbindungen als grob fahrlässig. Vorsätzliche Vermögensdelikte zum Nachteil des Dienstherrn sind in jedem Fall haftungsbegründend und die Fachhochschulen des Landes NRW sind berechtigt, gegenüber ihren Beamten auch solche Schadenersatzansprüche zu liquidieren, die noch vor der durch das Hochschulfreiheitsgesetz zum 1. Januar 2007 erfolgten organisatorischen Verselbständigung der Fachhochschulen zugunsten des Landes entstanden sind (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 22.02.2013, Az. 12 K 1564/10 für den Fall eines Subventionsbetrugs an der damaligen Fachhochschule Gelsenkirchen).
4. Verjährung
Es gilt die regelmäßig Verjährungsfrist nach BGB, wenn nicht durch Landesrecht eine abweichende Regelung getroffen wurde (Burth, in: BeckOK Beamtenrecht Bund, 19. Edition Stand 01.04.2020, § 48 BeamtStG Rn. 22).
III. Haftung gegenüber Dritten
Nach § 839 Abs.1 BGB führt ein durch einen Beamten verursachter Schaden, der auf einer Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht beruht, zu einem Schadenersatzanspruch. Dieser Anspruch gegen den Beamten wird über Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet. Die Amtshaftungsansprüche bestehen also direkt gegenüber den jeweiligen Anstellungskörperschaften, mithin den Hochschulen (mittelbare Staatshaftung).
Der Dienstherr kann den Beamten nach Art. 34 S. 2 GG auch für derartige Schäden in Regress nehmen, die ihm im Verhältnis zu Dritten entstehen. Wenn dem Dienstherrn aus Schadenersatzansprüchen Dritter, beispielsweise Studierender, oder sonst im Verhältnis zu Dritten Einbußen entstehen, kann er das grundsätzlich gegenüber dem Beamten geltend machen. So kann ein Dritter den Dienstherrn bzw. die Anstellungskörperschaft bei einem durch schuldhafte Dienstpflichtverletzungen verursachten Schaden nach § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG in Anspruch nehmen. Der Dienstherr kann diesen Haftungsschaden dann im Regressweg gegenüber dem Beamten geltend machen.
Auch hier gilt jedoch wiederum der Verschuldensmaßstab von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (für eine nicht rückforderbare, unberechtigt hohe Gehaltsauszahlung durch den Beamten im Besoldungsamt so bereits BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Az. VI C 15.71, juris).
IV. Haftung im Rahmen von Nebentätigkeiten
Das Amtshaftungsprivileg des § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gilt im Rahmen von Nebentätigkeiten gerade nicht. Denn im Rahmen von Nebentätigkeiten handeln Hochschullehrende nicht in Ausübung ihres Amtes, d. h. sie haften nach den „normalen“ zivilrechtlichen Grundsätzen, je nach Art der Nebentätigkeit etwa nach §§ 823 ff. BGB oder nach dem zugrunde liegenden Vertragsrecht.
V. Haftung von angestellten Hochschullehrenden, auch an privaten Hochschulen
Was Nebentätigkeiten angeht, gilt das Gesagte ebenfalls für angestellte Hochschullehrende. Außerhalb der Nebentätigkeiten gilt Folgendes: Bei angestellten Hochschullehrenden kommen regelmäßig zivilrechtliche Haftungsgrundsätze zur Anwendung, das Amtshaftungsprivileg gilt nicht. Damit wird nach Vertrags- und Deliktsrecht (§§ 280 ff., 823 ff. BGB) gehaftet.
Für Sach- und Vermögensschäden bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten gelten die Grundsätze zum sog. innerbetrieblichen Schadensausgleich zwischen Arbeitnehmer (Professorin bzw. Professor) und Arbeitgeber (Hochschule), vgl. § 254 BGB, ähnlich zu den erläuterten Grundsätzen bei Beamtinnen und Beamten: Bei Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers besteht keine Haftung des Arbeitgebers, bei mittlerer Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers haften Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilig. Was sind dabei die entscheidenden Kriterien? Es wird in der Regel gequotelt nach einer Gesamtschau von Schadensanlass und -folgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten und Kriterien des Einzelfalls. Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitgeber in der Regel voll.
In Bezug auf Schäden, die im Rahmen der betrieblichen Tätigkeitsausübung an Personen entstehen, die demselben „Betrieb“ (hier: der Hochschule) angehören wie der Schädiger, besteht unter den Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein Haftungsausschluss.
Bei einer Schädigung von außenstehenden Dritten haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich im Außenverhältnis voll. Wenn es sich dabei um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit gehandelt hat, wird aber regelmäßig ein Freistellungsanspruch im Innenverhältnis des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber in Betracht kommen (§ 670 BGB analog i.V.m. § 257 BGB).
Hinweis: Diese Haftungsbegrenzungen nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs werden keine Anwendung finden, wenn der Arbeitnehmer haftpflichtversichert ist und seine Versicherung den Schaden begleicht. Da der hlb alle Mitglieder über eine externe Diensthaftpflichtversicherung abgesichert hat, kommt daher diese Versicherung in Betracht. Sprechen Sie uns an!
Stand: 01.08.2024
Die Zusammenstellung dieser Information ist nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt. Dennoch müssen wir um Verständnis bitten, dass der hlb keine Gewähr übernehmen kann und sich von einer Haftung freizeichnen muss.